Wirtschaft

Die Hochgeschwindigkeitsstrecke für den ICE zwischen Ingolstadt und Nürnberg steht exemplarisch für die hohe Qualität der Infrastruktur in Bayern. Diese Qualität gilt es, auch im ländlichen Raum anzubieten. (Foto: Deutsche Bahn)

05.02.2016

Bayern als Megacity begreifen

Freistaat hat bei Verkehrsprojekten ein Vollzugsdefizit

Die gute Nachricht vorneweg: Der Freistaat wird eine Expertenkommission zum Megathema Mobilität bekommen. Das hat Bayerns Innen-, Bau- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) beim „Mobilitätskongress zur zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur in Bayern“, den sein Ministerium zusammen mit dem Bayerischen Bauindustrieverband und der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München veranstaltet hat, versprochen. Allerdings darf man sich nicht allzugroßen Hoffnungen hingeben, denn vieles wird nach wie vor lange dauern.

„Wir haben kein Erfindungs-, sondern ein Vollzugsdefizit“, brachte es Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), der zugleich Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist, auf den Punkt. Seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, sei bekannt, dass Städte am wachsenden Autoverkehr zu ersticken drohen, dass die ÖPNV-Angebote am flachen Land verbessert werden müssten und dass die intelligente Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger die Lösung bringen. Aber chronischer Geldmangel lasse diese Ziele in weite Ferne rücken.

Viel Geld für die Fernstraßen


Zumindest für den Fernstraßen- und Schienenbereich konnte Minister Herrmann gute Nachrichten überbringen. 3,3 bis 3,5 Milliarden Euro werde der Freistaat dieses Jahr zur Verfügung haben, um hier die entsprechenden Projekte anzugehen. „In diesem und im kommenden Jahr werden wir alles verbauen können, was wir an Planungen in der Schublade haben“, so Herrmann. Doch für 2018 müsste die Staatsbauverwaltung schon ordentlich Gas geben, um nicht in die Situation der anderen Bundesländer zu geraten, die Mittel nicht abrufen zu können, weil sie keine Projekt mit Baurecht haben.

Wie wichtig eine funktionierende Infrastruktur nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft ist, illustrierte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt: „2015 hat Bayern Waren und Dienstleistungen für rund 177 Milliarden Euro exportiert und für 160 Milliarden Euro importiert.“ Das alles müsse transportiert werden. Insofern sei es gut, dass Bayern im weltweiten Rankung bei der Verkehrsinfrastruktur auf Platz vier stehe. Dies gelte es zu halten bezwiehungsweise zu verbessern. Denn die Unternehmen im Freistaat sorgen laut Brossardt auch in Frankreich, Polen und Tschechien für Arbeitsplätze, indem sie dort Vorprodukte herstellen lassen. Auch diese müssten dann nach Bayern transportiert werden. „70 Prozent aller bayerischen Arbeitsplätze sind im ländlichen Raum. Darum müssen wir Bayern als Megacity begreifen und Mobilität überall ermöglichen“, so Brossardt. Mit Blick auf die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, die die vbw und andere Wirtschaftsverbände nachdrücklich fordern, betonte er, dass auch die Münchner gerne mal übers Wochenende nach Sylt oder nach Italien fliegen - zu attraktiven Ab- und Ankunftszeiten. Das funktioniere aber nur, mit einer Kapazitätserweiterung am Münchner Airport.

Das Abwanderungsproblem in Nordostoberfranken nahm vbw-Vizepräsident Josef Geiger, der gleichzeitig Präsident des Bayerischen Bauindustrieverbands (BBIV)ist, zum Anlass, die Umsetzung des BBIV-Konzepts „Mobilität 2030“ zu fordern. Es sieht vor, ein umfassendes, alle Verkehrsträger integrierendes Konzept zu erarbeiten und umzusetzen. „Nur so besteht überhaupt die Chance, das Verfassungsziel Gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen.“ Weil Minister Herrmann eine Expertenkommission zur Mobilität einsetzen will, durfte sich Geiger als Gewinner der Veranstaltung sehen.

Kombibusse wie in Skandinavien einsetzen


Damit in den ländlichen Räumen Busse rentabel fahren können, wies Professor Heiner Monheim von der Universität Trier auf Skandinavien hin. Dort würden Kombibusse sowohl Personen als auch Güter transportieren. „Durch diesen Gütertransport sind schon mal 40 Prozent des Umsatzes gesichert“, so Monheim.

Das nahm Bayerns Landkreistagspräsident Christian Bernreiter (CSU), der gleichzeitig Landrat des Landkreises Deggendorf ist, mit Interesse auf. Aber er betonte, dass die Menschen im Bayerischen Wald vorwiegend das Auto nutzen. Alle ÖPNV-Angebote würden viel zu wenig genutzt. Auf Monheims Vorschlag, die Angebote zu verbessern und zu bewerben, ging er nicht ein. Hier sprang ihm Städtetagsvorsitzender Maly bei, der unterstrich, dass es nicht in allen ländlichen Regionen gleich rentabel sei, ein attraktives ÖPNV-Angebot aufrechtzuerhalten.

Bahnhöfe attraktiver machen, mehr Haltepunkte im ÖPNV wegen der älterwerdenden Bevölkerung etablieren, Radstationen und Radwege ausbauen, Verkehrsverbünde mit niedrigen Fahrpreisen schaffen und Elektrolaster für die Belieferung der Innenstädte waren noch weitere Themen des Mobilitätskongresses. Geld hierfür und für den Ausbau sowie Erhalt der Straßen- und Schieneninfrastruktur könnte laut BBIV-Präsident und vbw-Vizepräsident Geiger von den Pensionsfonds kommen. Diese würden angesichts der Niedrig- bis Nullzinsphase attraktive und langfristige Anlageformen suchen. Mit dem privatfinanzierten Ausbau der Autobahn A8 von München über Augsburg nach Ulm hätte man gute Erfahrungen gemacht und habe das Projekt wesentlich schneller realisieren können als mit öffentlichen Geldern.
(Ralph Schweinfurth)

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