Wirtschaft

30.09.2011

Beeinträchtigen oder verunstalten

Über 270 Kommunalvertreter bei der Tagung „Windkraftanlagen in der Bayerischen Gemeinde“

Von einer Wiederentdeckung der gemeindlichen Energiepolitik sprach Franz Dirnberger, Direktor beim Bayerischen Gemeindetag, bei der Veranstaltung „Windkraftanlagen in der Bayerischen Gemeinde“, die der Rehm-Verlag im Hochhaus des Süddeutschen Verlags in München veranstaltete. Über 270 Kommunalvertreter hörten erstaunt, dass der Artikel 83 der Bayerischen Verfassung „die Versorgung der Bevölkerung mit Licht, Gas und elektrischer Kraft“ als Aufgabe von Städten und Gemeinden vorsieht. „Das ist nur in Zeiten von Eon vergessen worden“, bemerkte Dirnberger spitz. Denn noch im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010, also vor der Fukushima-Katastrophe, spielten die Gemeinden nur eine Nebenrolle.
Doch seit der Energiewende rücken dezentrale Energiekonzepte, die regenerativen Strom erzeugen, ins Zentrum. So soll laut bayerischer Staatsregierung bis zum Jahr 2021 die Hälfte des in Bayern verbrauchten Stroms regenerativ erzeugt werden. „Die Windenergie soll von derzeit rund 0,6 Prozent auf 10 Prozent gesteigert werden“, so Dirnberger. Insgesamt würden in Bayern pro Jahr rund 85 Terawattstunden Strom verbraucht. Der Anteil des Atomstroms liegt derzeit bei 48 Terawattstunden.
Damit nun die von Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) anvisierten 1500 Windräder im Freistaat realisiert werden können, müssen die Gemeinden kräftig mithelfen. Doch laut Dirnberger können bei einer Windenergieanlage eine Reihe von Punkten problematisch werden. So müsse die Bevölkerung beispielsweise die Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds nicht hinnehmen, dessen Beeinträchtigung aber schon. Wo genau die Grenze zwischen Beeinträchtigung und Verunstaltung verläuft, müsse in jedem Einzelfall entschieden werden.
Eine klare Verunstaltung ist laut Direktor Dirnberger jedoch gegeben, wenn der Betrachter einer Windkraftanlage eindeutig körperliche Reaktionen in Form von Übelkeit bis zu Erbrechen bekommt. Auch die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen für Flughäfen darf durch das Aufstellen von Windkraftanlagen nicht beeinträchtigt werden. „Der Eiswurf hingegen ist bei modernen Anlagen kein Problem mehr“, betonte Dirnberger.
 Damit es möglichst wenig Probleme bei der Planung von Windkraftanlagen gibt, empfahl Dirnberger, dass sich mehrere Gemeinden zusammenschließen sollten: „In den Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding und Starnberg geht man diesen Weg.“ Dann sei es leichter, die Anlagen zu realisieren. Dirnberger machte auch noch darauf aufmerksam, dass es Gemeinden gerichtlich verwehrt ist, durch Darstellung von Flächen, die für Windkraftanlagen ungeeignet sind, das Aufstellen derartiger Anlagen zu verhindern.
Kathrin Ammann vom Bundesamt für Naturschutz aus Leipzig beleuchtete die Naturschutzaspekte bei Windkraftanlagen. Sie legte den Planern in der Gemeinde nahe, Standorte von Windkraftanlagen so zu projektieren, dass die fehlende Akzeptanz dieser Anlagen in der Bevölkerung nicht über Naturschutzfragen „abgearbeitet“ werden kann. So dürften Flugbahnen von Zugvögeln ebenso wenig durch Windkraftanlagen beeinträchtigt werden wie das Leben von Fledermäusen und Vögeln. „Gerade bei den Vögeln gibt es eben solche, die auf Abstand zu so einer Anlage gehen und etwas mutigere, die dorthinfliegen und im Extremfall von der Anlage getötet werden“, so Ammann.
Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (SPD) forderte, dass man alle Bürger bei der Standortsuche für Windkraftanlagen „mitnehmen“ und ihnen die Teilhabe anbieten sollte. Er lehnt auswärtige Investoren, die zulasten der Bürger und der Landschaft Gewinne machen, ab. Deshalb müssten Windkraftanlagen von den jeweiligen Stadt- bzw. Gemeindewerken betrieben werden. Um die Akzeptanz dieser Anlagen zu fördern, müssten dann die Bürger die Möglichkeit erhalten, sich mit privaten Investitionen daran zu beteiligen. Auch Seggewiß ist sich sicher, dass nur die interkommunale Zusammenarbeit die Probleme löst.
Das dürfte in manchen Gegenden Bayerns allerdings schwer werden. Denn spricht man dieses Thema bei manch einem Tagungsteilnehmer an, so geht sofort das Gejammere über das ausgeprägte Kirchturmdenken in der jeweiligen Nachbargemeinde los. Alte Feindschaften zu pflegen scheint offenbar mancherorten immer noch wichtiger zu sein, als sich für das Wohl der eigenen Bevölkerung einzusetzen.
(Ralph Schweinfurth)

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