Wirtschaft

Die EU-Osterweiterung ist ein Erfolg, so zumindest die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. (Foto: Bilderbox)

02.05.2014

Beide Seiten profitieren voneinander

vbw: Die EU-Osterweiterung ist ein Erfolg

Am 1. Mai 2014 jährt sich die EU-Osterweiterung zum zehnten Mal. 2004 traten – neben Malta und Zypern – die so genannten MOE-8, das heißt die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland und Litauen der EU bei. Negative Auswirkungen, sei es ökonomischer Art, sei es wegen eines überbordenden Zuzugs – Verwerfungen im grenznahen Bereich –, seien laut Bertram Brossadt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, groß gewesen. „Diese Befürchtungen sind nicht eingetreten.“ Vielmehr sei die EU-Osterweiterung ein Erfolg. Sie nutze Bayern wirtschaftlich, weil sie neue Märkte für die Unternehmen geöffnet hat, weil die MOE-8-Staaten gute Produktions- und Investitionsstandorte sind und weil diese Staaten für die Unternehmen unersetzbarer Teil der Wertschöpfungskette geworden sind. Bezug von Vorleistungen Bayern lebe vom Export, so Brossardt. Insgesamt exportierten die bayerischen Unternehmen 2013 Waren im Wert von 168 Milliarden Euro – 44 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Davon gingen 90 Milliarden Euro (53 Prozent aller bayerischen Ausfuhren) in die EU-Mitgliedsstaaten und davon wiederum Waren im Wert von 15,5 Milliarden Euro (9,2 Prozent) in die MOE-8-Staaten. Vor allem zwischen 2004 und 2008 seien die Exporte in die MOE-8 explodiert, wie es der vbw-Hauptgeschäftsführer ausdrückte. Fast zwei Drittel der bayerischen Exporte in die MOE-8, also rund 10 Milliarden Euro, gehen derzeit nach Tschechien und Polen, weitere 28 Prozent insgesamt nach Ungarn und in die Slowakei. Das zeige, dass diese Staaten mit der EU-Osterweiterung zu wichtigen Handelspartnern für Bayern geworden sind.
Die deutsche und bayerische Industrie beziehe vor allem Vorleistungen aus den Bereichen Fahrzeugbau, Maschinenbau, Elektrotechnik und chemische Industrie aus anderen EU-Staaten. Die MOE-Nachbarländer würden von der Wirtschaftskraft Bayerns auch insofern profitieren, als sie mehr nach Bayern exportieren.
Diese Verflechtungen mit Deutschland und Bayern haben laut Brossardt in Polen rund 620.000 Stellen, in Tschechien 370.000 und in Ungarn 250 000 geschaffen. Gleichzeitig habe die EU-Osterweiterung zu einem Strukturwandel in den Grenzregionen Bayerns geführt: In lohnkostensensiblen Industriebranchen fielen Arbeitsplätze weg.
Dagegen entstanden in kapital- und technologieintensiveren Industriebereichen neue Stellen. Zusammen mit dem Beschäftigungsanstieg in Branchen außerhalb des Verarbeitenden Gewerbes wurde der Rückgang in den lohnkostensensiblen Branchen mehr als ausgeglichen. Das schlägt sich nach Brossardts Worten auch in den Arbeitsmarktdaten nieder: Per Saldo stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in den grenznahen Gebieten Bayerns (Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern) zwischen 2004 und 2013 – von 1,084 Millionen auf 1,224 Millionen. Das ist ein Plus von 140.000 beziehungsweise 12,9 Prozent. Bayernweit lag das Plus bei 14,6 Prozent. Darüber hinaus konnte die Arbeitslosigkeit in den grenznahen Regionen überdurchschnittlich stark abgebaut werden und entsprach 2013 genau dem bayerischen Durchschnitt von 3,8 Prozent. 2005 sei die Arbeitslosenquote in den Grenzregionen mit 8,8 Prozent noch um einen Prozentpunkt über der bayernweiten Quote gelegen. Einfluss auf die Wertschöpfungskette Die Importe Bayerns aus den MOE-8-Staaten sind ebenfalls überdurchschnittlich gewachsen. Von 2004 bis 2013 nahmen sie um 115 Prozent zu und damit doppelt so stark wie die Importe insgesamt. Der Anteil der Importe aus den MOE-8 an den gesamten Einfuhren Bayerns stieg in dieser Zeit von 11,9 auf 16,6 Prozent. Tschechien steht mit 40 Prozent auch hier an der Spitze. Ein Viertel der Importe wird aus Ungarn bezogen, 20 Prozent kommen aus Polen.
Die Länder Mittel- und Osteuropas sind zudem ein bedeutender Investitionsstandort für bayerische Unternehmen. Der Bestand bayerischer Direktinvestitionen in den MOE-8-Ländern beträgt rund 20 Milliarden Euro. Das sind gut 8 Prozent aller bayerischen Direktinvestitionen im Ausland, die sich insgesamt auf 234 Milliarden Euro belaufen.
Die MOE-Staaten profitieren von den wirtschaftlichen Verflechtungen. In Tschechien gehen fast 8 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung auf die Vorleistungsnachfrage der deutschen Industrie zurück. In Ungarn sind es 7 Prozent, in der Slowakei und Slowenien sind es zwischen 4 und 5 Prozent.
Die EU-Osterweiterung hat auf der anderen Seite aber auch Einfluss auf die Wertschöpfungsketten. Nach einer aktuellen Unternehmensumfrage, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln durchgeführt hat, profitiert ein Drittel aller Unternehmen in Bayern von der stärkeren Nachfrage aus den MOE-Staaten, spürt ein Drittel aber auch einen stärkeren Rationalisierungsdruck beziehungsweise eine verstärkte Konkurrenz durch Firmen aus den MOE-Staaten. Ferner gaben 30 Prozent der Firmen an, dass die EU-Osterweiterung dem Arbeitskräftemangel entgegengewirkt und günstigere Vorleistungen bezogen werden können. Ein Fünftel der Unternehmen hat eigene Standorte in den MOE-Staaten eröffnet.
Darüber hinaus habe eine Vielzahl der Unternehmen sich ein Netzwerk aus Kunden, Lieferanten oder Wettbewerbern im EU-Ausland aufgebaut. Ein Fünftel der bayerischen Unternehmen konnte neue Kunden in den mittel- und osteuropäischen Staaten gewinnen. Bei den grenznahen Regionen war es rund ein Viertel. Mit dem Start der EU-Osterweiterung wurde generell das „Near Sourcing“ für Unternehmen einfacher. In den Grenzregionen und grenznahen Regionen des Freistaats stellen laut Brossardt rund 25 Prozent der Unternehmen Produkte oder Vorleistungen im nahen Ausland her. Gut 20 Prozent kaufen diese dort ein. „Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. In der Tendenz verbleiben aber die technologie-intensiven Tätigkeiten im Inland.“ Fachkräfte aus dem Ausland sind notwendig Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sprach sich Brossardt unter anderem auch für eine Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland aus. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU sei hierfür die Grundvoraussetzung. Sie ermögliche es, dass Zuwanderung unbürokratischer als früher stattfinden kann. Allerdings dürfe sie nicht missbraucht werden. „Eine Zuwanderung nach Deutschland mit dem Ziel des Bezugs von Sozialleistungen muss verhindert werden.“
Um die Erfolge der EU-Osterweiterung nachhaltig zu gestalten, brauchee man eine Politik, die die Wettbewerbsfähigkeit in Europa stärkt, forderte der vbw-Hauptgeschäftsführer. Europa brauche eine Re-Industrialisierung. Aus diesem Grund begrüßt der vbw das Ziel der Europäischen Kommission, den industriellen Wertschöpfungsanteil, der in Europa derzeit bei lediglich 15 Prozent liegt, auf 20 Prozent zu steigern. Darüber hinaus „müssen kleine und mittelständische Unternehmen gezielt gefördert und bürokratische Hürden abgebaut werden“. (Friedrich H. Hettler)

Kommentare (1)

  1. Super Horsti am 09.05.2014
    Die EU-Osterweiterung demonstriert ganz klar was dieses Bürokratiemonster Europäische Union ist - lediglich eine lockere Freihandelszone für Unternehmen mit Vollkaskoversicherung als Gratispolice gesponsert von der Bundesrepublik und auf Pump finanziert!

    Was ist das überhaupt für eine EU, wo England und Frankreich in der Normandie den Sieg über Deutschland feiern zusammen mit Putin, der heute in Moskau große Reden geschwungen hat wie sie uns zerschmettert haben! Sollen wir jetzt auch den Sedantag wieder einführen? Wie würden wohl die Franzosen reagieren, geht man so mit seinen Nachbarn um?

    Nein, solange man D-Days feiert und Siegesparaden abhält ist das eher schwierig mit der Union!
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