Wirtschaft

Das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und der Türkei betrug im Jahr 2013 rund 34 Milliarden Euro. Wirtschaftsvorsitzender Professor Klaus L. Wübbenhorst (l.) und Ratsvorsitzender Landrat Armin Kroder (Landkreis Nürnberger Land) der Metropolregion Nürnberg (r.) unterzeichnen die Beitrittsurkunde zum Deutsch-Türkischen Bildungsnetzwerk Metropolregion Nürnberg. Dahinter der TIAD-Vorstandsvorsitzende Emre Hizli. (Foto: Thomas Scherer)

19.12.2014

Bildungschancen erhöhen

Der 4. Deutsch-Türkische Wirtschaftstag in der Metropolregion Nürnberg stand unter dem Motto „Heimat und Bildung“

Mit einem um fünf Prozent auf 34 Milliarden Euro in 2013 gestiegenem bilateralen Handelsvolumen ist Deutschland der wichtigste Handelspartner der Türkei. „Deutsche Firmen haben allein 2013 für rund neun Milliarden Euro Direktinvestitionen in unserem Land getätigt“, sagte Asip Kaya, Generalkonsul der Türkei in Nürnberg, beim „4. Deutsch-Türkischen Wirtschaftstag in der Europäischen Metropolregion Nürnberg“, der im bayerischen Heimatministerium unter der Schirmherrschaft von Bayerns Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) stattfand und diesmal unter dem Motto „Heimat und Bildung“ stand.
„Ein altes türkisches Sprichwort sagt, Heimat ist da, wo man sich satt verdient“, illustrierte Kaya den Heimatbegriff. Deshalb sei es für viele in Nordbayern lebende Türken selbstverständlich, Teil der hiesigen Gesellschaft zu sein, auch wenn in der öffentlichen Meinung immer kolportiert werde, die Türken würden sich abschotten und seien nicht erreichbar. Der Generalkonsul verwies darauf, dass die Kooperation der Metropolregion Nürnberg mit der Metropolregion Izmir, dem drittgrößten Wirtschaftsraum der Türkei, Vorbild sein kann, für andere Regionen in Deutschland, um mit der Türkei zusammenzuarbeiten.
Jugendliche nachqualifzieren Damit diese Zusammenarbeit besser gelingt, hat der Veranstalter des deutsch-türkischen Wirtschaftstags, der in Nürnberg aufgewachsene türkisch-stämmige Rechtsanwalt Emre Hizli, gemeinsam mit anderen das „Deutsch-Türkische Bildungsnetzwerk Europäische Metropolregion Nürnberg“, kurz DTBN, ins Leben gerufen. Das DTBN soll helfen, die vielen türkisch-stämmigen Jugendlichen ohne Schulabschluss nachzuqualifzieren. „Denn 20 Prozent der hier lebenden Jugendlichen mit türkischen Migrationshintergrund haben nicht einmal den Hauptschulabschluss“, betonte Generalkonsul Kaya. Er zeigte aber auch auf, dass durch Bildung die Chancen erhöht werden können. Denn der Anteil der in der Metropolregion Nürnberg lebenden jungen Türken mit Hochschulabschluss konnte in den vergangenen Jahren von 4,2 Prozent auf 8,4 Prozent verdoppelt werden.
Für Professor Klaus Wübbenhorst, einst Chef der GfK – Gesellschaft für Konsumforschung und jetzt Wirtschaftsvorsitzender der Europäischen Metropolregion Nürnberg, sind die jungen Türken aber entscheidend für die Zukunft: „Denn sie mildern den Geburtenrückgang ab. Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund in der Metropolregion Nürnberg auf 22 Prozent steigen.“ Darum sei eine beispielhafte Willkommenskultur eines der strategischen Ziele der Metropolregion.
Aus diesem Grund müssten Vorurteile und Diskriminierung abgebaut werden, gab Mittelfrankens Regierungspräsident Thomas Bauer die Marschroute für die nächsten Jahre vor. Er betonte, dass von rund 2,2 Millionen Unternehmen in Deutschland nur etwa 700.000 ausländische Wurzeln haben. Und von diesen würden wiederum nur zirka 100.000 Firmen Auszubildende mit Migrationshintergrund beschäftigen. „Auch im öffentlichen Dienst gibt es noch viel zu wenig Migranten“, unterstrich Bauer. Darum sei die Arbeit von TIAD, dem Deutsch-Türkischen Unternehmerverein in der Europäischen Metropolregion Nürnberg e. V., dem Emre Hizli vorsitzt, so wichtig. Denn TIAD zeige und fördere unternehmerische Vorbilder und motiviere somit zur Integration. Mit Blick auf den aktuellen Brandanschlag auf ein fertigzustellendes Asylbewerberheim in Vorra (Landkreis Nürnberger Land) meinte Bauer: „Das muss ein Weckruf für uns alle sein. Ich habe nur eine Botschaft an die Rechtsextremisten: Eure Verbrechen stärken uns nur in unserem Bemühen um Integration.“ Der Regierungspräsident unterstrich auch, dass hierzulande alle teilhaben können sollen. Das gelte auch für die Türkischstämmigen, von denen es in Bayern rund 440.000 gebe. Bauer lobte denn auch Hizlis Engagement für das Bildungsnetzwerk DTBN. Denn die Arbeitslosenquote liege bei den Deutschen im Durchschnitt bei 6,2 Prozent und bei den Migranten bei 14,4 Prozent.
Diskriminierung gering halten „Wir wollen im DTBN gemeinsam arbeiten für einen Bildungsabschluss. Alle sollen sich dort einbringen, Vereine und die türkische Community“, so Generalkonsul Kaya. TIAD-Vorsitzender Hizli verwies auf die 13 Ziele von DTBN, zu denen unter anderem die Vernetzung sämtlicher Repräsentanten der deutschen Bildungseinrichtungen, der Ämter und Wirtschaftsförderer und der Multiplikatoren in der türkischen Community gehören. Außerdem solle ein zeitgemäßes Bildungsverständnis vermittelt (lebenslanges Lernen) werden, Integration gefördert, integrierte Beratungsstrukturen aufgebaut, besondere Informationsmedien geschaffen und deutsch-türkische Beziehungen gefördert werden – um nur einige der Ziele zu nennen.
Damit Integration gelingen kann, unterstrich Professor Haci-Halil Uslucan vom Lehrstuhl für Moderne Türkeistudien der Universität Duisburg-Essen, wie wichtig die Rolle des Staates ist. „Er muss Diskriminierung gering halten und mit gutem Beispiel vorangehen“, sagte der habilitierte Psychologe. Betriebe, die diskrimieren, müssten sanktioniert und Unternehmen, die integrieren, öffentlich gewürdigt werden. „Sanktionieren könnte man beispielsweise, indem Betriebe, die diskriminieren, von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden“, so Uslucan. Außerdem forderte er, die Antidiskriminierungsstellen besser zu vernetzen. Und der warf einen kritischen Blick auf die Rolle der Medien, die ebenfalls gefordert seien, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft zu unterstützen. Das sei aber problematisch, denn in den Medien habe nur jeder fünfzigste Mitarbeiter einen Migrationshintergrund, während in der deutschen Gessellschaft bereits jeder fünfte einen Migrationshintergrund habe.
(Ralph Schweinfurth) www.tiad.de
www.dtbn-emn.de

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