Wirtschaft

Laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden im ersten Halbjahr 2017 in Deutschland 1,9 Prozent weniger Bioethanol und 5,2 Prozent weniger Biodiesel abgesetzt, das heißt beigemischt, als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. (Foto: dpa)

10.11.2017

Biokraftstoffindustrie hat kaum noch Optionen

Pläne der EU-Kommission zur Mobiliätswende bringen die Branche in Bedrängnis

Bayern steht hinter der Biokraftstoff-Industrie. Aber die Reform der Erneuerbaren Energie-Richtlinie, die gerade im EU-Parlament verhandelt wird, und die Pläne, die die EU-Kommission zur Mobilitätswende Anfang November veröffentlicht, lassen nichts Gutes für die Industrie erahnen. Denn dann stellt die EU-Kommission den zweiten Teil ihres Mobilitätspakets vor, in dem es um Emissionsstandards für Fahrzeuge und um die Infrastruktur für alternative Treibstoffe (Strom, Biokraftstoffe) geht. Immer wieder war in Kommissionskreisen durchzuhören, dass die EU-Kommission eine Quote für E-Autos befürwortet. Bestätigt wurden die Gerüchte nicht. Aber wahrscheinlich ist es. Immerhin haben sich schon Großbritannien, Frankreich und die belgische Region Wallonien für einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor entschieden. Und die Grünen in der Jamaika-Koalition, sollte sie zustandekommen, sind ja auch vehement dafür.

Vorschläge der EU-Kommission sind teuer


„Was die EU-Kommission vorschlägt, ist zu teuer“, sagte Rudolf Escheu vom bayerischen Wirtschaftsministerium auf einer Veranstaltung der Agentur für erneuerbare Energien in der bayerischen Landesvertretung in Brüssel. „Wir stehen hinter der Biokraftstoff-Industrie.“ Bayern ist das Bundesland mit der größten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Von dort kommt der meiste Raps, der in Biodiesel umgewandelt wird. Und Bayerns Autohersteller (Audi, BMW) wollen nicht ablassen vom Verbrennungsmotor, der mit fossilen Treibstoffen betrieben wird, denen die Biokraftstoffe beigemischt werden.

Es geht nicht nur um die Biokraftstoff-Hersteller an sich, sondern um alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Betriebe, das heißt um Saatguthersteller, Landwirte und Proteinhersteller für die Futtermittelindustrie.

Das Potenzial ist groß


„Wir brauchen Biokraftstoffe im Transport“, sagte Alexander Knebel von der Agentur für erneuerbare Energie. „Es gibt immer eine Option, um fossile Kraftstoffe zu ersetzen.

Jeffrey Skeer von der internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) mit Sitz in Bonn sah für Biokraftstoffe im Straßenverkehr keine Zukunft, sondern nur im Luftverkehr und der Seeschifffahrt. "Das Potenzial ist groß."

Der europäische Verband der Stromwirtschaft Eurelectric lobbyiert hartnäckig für die Elektrifizierung des Straßenverkehrs und findet bei EU-Kommission offensichtlich Gehör, denn die rechnet mit einem Anteil von 14 Prozent von elektrischen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis 2030.

„E-Autos sind nicht das Problem, sondern die Lösung für das Netz“, sagte Elias Pöyry, Leiter der Eurelectric-Arbeitsgruppe für Elektromobilität, auf einer Konferenz von Eurelectric, zu der ein Vertreter des BMW-Konzerns geladen war.

Greg Archer, Leiter der Organisation Transport & Environment (T&E), die europaweite Kampagnen für sauberen Transport macht, forderte von der EU-Kommission mehr „Leadership“, das heißt den Mut, ein Zero Emission Vehicle Mandat vorzuschlagen, das Autohersteller verpflichtet, Nullemissionsfahrzeuge zu verkaufen. Er sah das Problem darin, dass die Autoindustrie nur mit Druck genügend E-Autos anbieten würde. Wenn sie die Entwicklung verschlafe, erleide sie dasselbe Schicksal wie die Stromindustrie, die die Zeichen der Energiewende hin zu den Erneuerbaren nicht habe erkennen wollen.

Eine nachfrageorientierte Politik ist notwendig


Abayomi Otubushin von BMW, und dort zuständig für Governmental Affairs, sah das Problem anders als Archer von T&E nicht auf der Angebots-, sondern auf der Nachfrageseite. „Wir reagieren nur auf den Markt.“ Eine nachfrageorientierte Politik sei notwendig. Der Kalifornier stellte auch die Nachhaltigkeit von Elektrofahrzeugen infrage und forderte eine CO2-Analyse über den gesamten Lebenszyklus. Wie die Staatszeitung im Gespräch mit Stefan Vergote von der Klimaabteilung der EU-Kommission erfuhr, sei das derzeit technisch nicht möglich. Das heißt, es wird nur berücksichtigt, was die E-Autos ausstoßen, während sie fahren, nicht aber, was an CO2 bei ihrer Herstellung und dem Recyceln anfällt.

Während die Elektrifizierung des Straßenverkehrs immer mehr Befürworter findet, und die EU-Kommission herkömmliche Biokraftstoffe aus Nahrungsmittelpflanzen (Agrotreibstoffe) ausbremsen will, kämpft die Biokraftstoffindustrie mit Bayern und der Agentur für erneuerbare Energien an ihrer Seite um ihre Pfründe. Die Vermutung, „konventionelle“ Biokraftstoffe seien nicht nachhaltig, weil die Nahrungsmittelproduktion wegen des Anbaus von Energiepflanzen auf Flächen ausweiche, wo Pflanzen bereits CO2 binden, zum Beispiel Wälder, sei nicht stichhaltig, so die Agentur für erneuerbare Energien.

Genügend Brachland als Anbaufläche verfügbar


Es sei genügend Brachland als landwirtschaftliche Anbaufläche da. Flächen würden vielmehr durch Bodenversiegelung (Betonierung) verschwinden. In der EU würden zu viele Lebensmittel hergestellt, die man anschließend vernichte. Würden die EU-Bürger weniger Alkohol trinken, könnte der für die Produktion von Bioethanol verwendet werden. Und für die sogenannten fortschrittlichen Biokraftstoffe aus (solchen aus Gülle, organischen Reststoffen, Zellulose, Algen oder Siedlungsabfällen) gebe es nicht genügend Ausgangsstoffe. Außerdem falle bei der Biokraftstoffherstellung aus Energiepflanzen Eiweiß an, das in Tiermittelfutterproduktion verwendet würde.

Aussichtslos scheint der Kampf um Biokraftstoffe nicht zu sein. Der hierfür federführende Umweltausschuss des EU-Parlament hat sich jedenfalls am 23.Oktober für ein Weiter von Agrartreibstoffen ausgesprochen.
(Rainer Lütkehus)

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