Wirtschaft

Viele im Freistaat produzierte Waren werden über das Container-Terminal im Nürnberger Hafen in alle Welt exportiert. (Foto: dpa)

10.02.2017

Brexit und Trump bedrohen Bayerns Wirtschaft

Europäischer Binnenmarkt und Freihandel müssen erhalten bleiben

Wir befinden uns in der Tradition der guten Nachrichten“, sagte Dirk von Vopelius, Präsident der IHK Nürnberg für Mittelfranken, angesichts der konjunkturellen Entwicklung vor der Presse. Die aktuelle Auswertung des IHK-Konjunkturklimaindex zeige einen Anstieg um weitere 1,4 Punkte auf 127,8. „Das birgt im Wahljahr die Gefahr der Schönwetterpolitik und der Versprechungen, die man nicht halten kann“, so von Vopelius. Doch die Wirtschaft brauche krisenfeste, politische Rahmenbedingungen. Gerade in der Steuer-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik könnte die Bundesregierung noch einiges verbessern.

Von Vopelius richtete aber auch einen kritischen Blick auf die Unternehmerschaft. So stelle der Konjunkturklimaindex nur eine Durchschnittsbetrachtung dar. „Es gibt auch Branchen, in denen es nicht so gut läuft, bei den Finanzdienstleistern oder im stationären Einzelhandel zum Beispiel“, gab der IHK-Präsident zu bedenken. Hier appellierte er an die Betroffenen, sich dem stetig steigenden Innovationsdruck, der im Klartext Veränderungsdruck bedeute, zu stellen.

Die größte Gefahr sieht von Vopelius aber derzeit von den USA ausgehen: „Was wir vom neuen Präsidenten gehört haben, ist eine wirtschaftspolitische Kriegserklärung.“ Wie ernst die Lage und welcher Schaden zu erwarten ist, zeige sich an den über 100 US-amerikanischen Technologieunternehmen, die jetzt gegen Donald Trump opponieren.

Völlige Fehleinschätzung


Dessen Entscheidungen fußen laut von Vopelius auf „einer völligen Fehleinschätzung der Weltwirtschaft“. Nicht Nationalstaaten stehen in der global vernetzten Produktionswelt in Konkurrenz zueinander, sondern Unternehmen und Regionen. Diese immer weitergehende Vernetzung sei nur mit fairem Handel und Kooperation zu meistern.

Mit Blick auf die Unsicherheiten durch die USA und Großbritannien mit dem „Brexit“ kann von Vopelius zufolge nur die Lösung in einem engeren Zusammenrücken Europas liegen. Eine gemeinsame Steuer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik sei nötiger denn je. Dann würde auch die wirtschaftliche Schieflage innerhalb der EU zugunsten der Bundesrepublik korrigiert. Auf die Kritik aus den USA, dass Deutschland Exportweltmeister sei, kontert der IHK-Präsident nur lapidar: „Und die USA sind Importweltmeister.“
Für die Betriebe und die IHK selbst bedeute die neue, sich abzeichnende Weltordnung, dass China und der Asien-Pazifik-Raum stärker in den Fokus genommen werden müssen, ebenso Afrika.

Für ganz Bayern kletterte der BIHK-Konjunkturindex, der Lage und Erwartungen abbildet, auf 130 Punkte und erreicht damit den dritthöchsten Wert seit Beginn der Umfrage im Jahr 1993. Dies geht aus der diese Woche in München vorgestellten Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) unter rund 3700 Betrieben im Freistaat hervor.

„Dank starker Nachfrage sowohl aus dem In- und dem Ausland sind 52 Prozent der bayerischen Unternehmen mit ihrer aktuellen Lage zufrieden und nur sechs Prozent unzufrieden“, so BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen. Der Boom wird weitergehen, da in den kommenden zwölf Monaten nur ein Zehntel der Betriebe Rückgänge erwartet. Dagegen rechnet ein Viertel der Betriebe mit Zuwächsen. „Damit präsentiert sich die bayerische Wirtschaft in einer noch stabileren Verfassung als im vergangenen Herbst“, so der BIHK-Chef.

Die Unternehmen wollen aufgrund der guten Aussichten mehr investieren. Der Indikator der Investitionspläne erreicht den höchsten Stand seit knapp sechs Jahren. „Angesichts der äußerst günstigen Finanzierungsbedingungen ist das Investitionsniveau jedoch nach wie vor enttäuschend, vor allem bei den Industriebetrieben“, merkte Driessen an.

Beschäftigungsrekord


Der Rekord bei den Beschäftigungszahlen wird sich in diesem Jahr fortsetzen. 20 Prozent der Betriebe wollen zusätzliches Personal einstellen, nur elf Prozent Stellen streichen. Der Saldo der Beschäftigungspläne erreicht den höchsten Stand seit Frühjahr 2012. Der Fachkräftemangel bleibt jedoch die Achillesferse der bayerischen Wirtschaft. Jedes zweite Unternehmen sieht im Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko. Damit wird der negative Spitzenwert vom Herbst gehalten.
Die politischen Risiken treten in der Konjunkturumfrage immer mehr in den Vordergrund: 49 Prozent der Betriebe sehen in den aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen ein Risiko. Das ist der höchste Wert seit 2010, als diese Frage erstmals gestellt wurde. „Auf der Weltbühne bereitet der unkalkulierbare Kurs der neuen US-Regierung große Sorgen, innerhalb Europas sind die größten Unsicherheitsquellen der Brexit, die Wahlen in Frankreich sowie die schwache wirtschaftliche Entwicklung in Italien“, sagte BIHK-Chef Driessen.

Der Erhalt des europäischen Binnenmarkts und des Freihandels müsse daher oberste politische Priorität haben. Ein möglichst freier Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt sei klar im Interesse der bayerischen Wirtschaft, ebenso ein möglichst freier Handel mit den USA. Driessen mahnte: „Ein weltweit zunehmendes Klima des Protektionismus könnte eine Eiszeit für den Freihandel einleiten. Damit wäre das bayerische Erfolgsmodell bedroht. Unsere heimische, stark exportorientierte Wirtschaft gedeiht nur in einer globalisierten, arbeitsteiligen Welt.“
(Ralph Schweinfurth)

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