Wirtschaft

Car-Sharing funktioniert auch außerhalb der Städte. (Foto: Koestler)

15.10.2010

Car-Sharing kann auch im ländlichen Raum funktionieren

In Wolfratshausen hat die Stiftung „Energiewende Oberland“ ein entsprechendes Projekt gestartet

Es ist das Statussymbol der Deutschen schlechthin: das Auto. Doch der Wandel der Zeit macht sich auch vor den Garagen bemerkbar: Denn durchschnittlich steht ein Fahrzeug 23 Stunden am Tag nur herum und verursacht trotzdem Kosten. Von der Idee, in dieser Zeit andere das Auto nutzen zu lassen und damit Kosten zu sparen, lebt das „Car Sharing“ – das Autoteilen.
Laut Angaben des Car-Sharing-Bundesverbands teilen sich bereits rund 137.000 Menschen ein Auto mit anderen, so viele wie nie zuvor. Allein im vergangenen Jahr kamen 21.000 neue Nutzer hinzu. Die meisten sind dabei bei einem der 120 deutschen Car-Sharing-Anbieter registriert, wovon in Bayern „Stattauto“ und „Stadtteilauto“ in München, „ShareCar“ in Würzburg oder „Stadtmobil“ in Nürnberg den größten Zulauf registrieren.
Und was sich in Großstädten mittlerweile etabliert hat, hält nun auch in ländlichen Bereichen Einzug. Jüngstes Beispiel: Wolfratshausen, eine Kleinstadt in Oberbayern, rund 40 Kilometer südlich von München mit gerade mal knapp 18.000 Einwohnern. Hier hat die gemeinnützige „Energiewende Oberland“-Stiftung gerade die Energiewende Oberland GmbH & Co. Car Sharing KG gegründet. „Denn Car-Sharing ist gut für die Umwelt und den Geldbeutel“, begründet den Schritt der Verkehrsfachwirt und Geschäftsführer der Car-Sharing-Gesellschaft, Michael Schurack. Seiner Schätzung zufolge ersetze jedes geteilte Fahrzeug fünf bis zehn Privatwagen, und damit reduziere jeder Nutzer auch seinen CO2-Ausstoß kräftig.
Bürgern, Kommunen und Unternehmen rund um Wolfratshausen und seiner Nachbarstadt Geretsried werden deshalb seit September von der lokalen Car-Sharing KG fünf Fahrzeuge zur gemeinsamen Nutzung angeboten.
Funktionieren soll das Prinzip dabei wie in den Großstädten: Die Gesellschaft stellt die Wagen zur Verfügung, die dann gegen eine Gebühr geliehen werden können. Die Gesellschaft kümmert sich dabei um nahezu alles, was Fahrzeughalter sonst selbst machen müssen: Steuer, Versicherung, TÜV, Reinigung, Reifen- und Ölwechsel.
Der Unterschied zum Mietwagen besteht darin, dass sich Nutzer hier nur einmal anmelden müssen und dann immer wieder ein Fahrzeug leihen können. „Außerdem müssen sie den Sprit nicht extra bezahlen. Wenn der Treibstoff knapp wird, liegt eine Tankkarte bereit, mit der man kostenlos Sprit nachfüllen kann“, erklärt Schurack.
Wer ein Auto braucht, reserviert den Wagen im Internet oder per Telefon für den gewünschten Zeitraum und holt ihn an der vereinbarten Station ab. Die Wolfratshauser Car-Sharing-Gesellschaft verlangt dafür eine einmalige Anmeldegebühr von 51 Euro für die Mitgliedschaft und einen Monatsbeitrag von 10 Euro. Dazu kommt eine Kaution von 511 Euro.
Hat man ein bestimmtes Fahrzeug gebucht und auf einem vereinbarten Parkplatz gefunden, hilft eine Chipkarte ins Auto: Hierbei hält man die Mitgliedskarte an die Windschutzscheibe, hinter der sich eine Antenne des Bordcomputers befindet. Das Türschloss springt auf, man kann Platz nehmen und den Zündschlüssel aus dem Handschuhfach nehmen, wo dieser stets deponiert ist. Der Bordcomputer erfasst auch alle Daten für die Abrechnung – also die genaue Zeit und die Zahl der Kilometer, die ein Nutzer fährt.
Denn mit jeder Fahrt entstehen zusätzliche Kosten, die je nach Fahrzeugklasse höher oder niedriger ausfallen können. Zum einen werden die gefahrenen Kilometer abgerechnet, zum anderen fließt auch die Mietdauer in den Preis mit ein. „Damit möchten wir verhindern, dass die Fahrzeuge ungenutzt herumstehen“, so Schurack. Eine zweistündige Fahrt in einem Fiat Panda zum zehn Kilometer entfernten Supermarkt beispielsweise würde im Regeltarif rund 7,60 Euro kosten. In einem Fiat Doblo hingegen kommt dieselbe Fahrt auf 12,60 Euro. Darüber hinaus gibt es aber auch Tagessätze und Rabatte auf Langzeitbuchungen, etwa dann, wenn man ins Ausland fahren möchte. In diesen Kosten inbegriffen ist dabei neben dem Treibstoff auch eine Vollkaskoversicherung.
Flotte bedarfsorientiert aufstocken
Zu Beginn des neuen Car-Sharings in Wolfratshausen werde zwar „wie überall noch ein bisschen improvisiert“. Doch Schurack verspricht auch, dass Buchungswünsche von Anfang an „zu 95 bis 98 Prozent“ erfüllt werden könnten. Langfristig wolle man aber mit den Nutzerzahlen wachsen und die KFZ-Flotte bedarfsorientiert aufstocken, vor allem auch mit Elektro-Fahrzeugen. „Wir wollen irgendwann so weit sein, dass man stets den Typ Fahrzeug buchen kann, den man gerade braucht oder fahren will, vom Kleinwagen über Transporter für den Umzug bis hin zum Cabrio für eine Spritztour“, so Schurack.
Doch ein elementares Problem gilt es für die Car-Sharing-Gesellschaft im ländlichen Bereich erst einmal zu lösen, um genug Nutzer zu generieren: die Entfernungen. Denn je dichter das Netz eines Anbieters, desto besser: „Manche lassen sich nur vom Car Sharing überzeugen, wenn das nächste Auto unmittelbar vor der Haustür steht“, heißt es vom Car-Sharing-Verband. In Städten gebe es zwar viele Nutzer, die „auch selbstverständlich erst mal drei Stationen mit der U-Bahn fahren“, wie der Verband betont.
Doch die gibt es nicht in und um Wolfratshausen, die S-Bahn endet dort und die Busverbindungen sind seit jeher ein Schrecken der Bevölkerung. Wie also erreichen Kunden den Ort, an denen die Autos warten? „Dafür werden wir Lösungen finden, eventuell mit einem Shuttle-Service“, gibt sich Thomas Martin, Geschäftsführer der Energiewende Oberland GmbH, zuversichtlich.
Auch die Aussagen, bis zu welcher Fahrleistung pro Jahr sich Car-Sharing gegenüber einem privaten Pkw lohnt, unterscheiden sich. Der ADAC geht pauschal von etwa 12.000 Kilometern als Grenze aus, die Energiewende Oberland GmbH von unter 10.000 Kilometern. „Aber die Grenze kann je nach Nutzungsart auch niedriger oder höher sein“, so Martin. Deshalb ist er vom Erfolg des Car-Sharings auch auf dem Lande überzeugt: „Es wird funktionieren, schon alleine weil die Menschen bei den steigenden Spritpreisen immer dringender nach Alternativen suchen!“
(Claudia Koestler)

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