Wirtschaft

13.05.2011

Chancen und Risiken kommunaler Windprojekte

Bayern ist Schlusslicht bei der Windenergie – das soll sich ändern

Das Energiekonzept der Bundesregierung forciert den Ausbau regenerativer Energiequellen. 2050 sollen knapp 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden. 2010 trugen diese bereits mit zirka 17 Prozent zum Bruttostromverbrauch bei, wobei die Windenergie mit 6,2 Prozent dominiert. In Bayern spielt die Windenergie mit 0,7 Prozent dagegen eine untergeordnete Rolle. Damit gehört der Freistaat zu den Schlusslichtern im innerdeutschen Vergleich. Grund für den Aufschwung der Windenergie in Deutschland sind vor allem die geschaffenen Rahmenbedingungen. Besonders das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das eine Einspeisevergütung über 20 Jahre zuzüglich Inbetriebnahmejahr sowie eine Abnahmepflicht für Strom aus erneuerbaren Energiequellen vorsieht, ist die vorantreibende Kraft dieser Entwicklung. Aktuell sieht die Einspeisevergütung eine erhöhte fünfjährige Anfangsvergütung von 9,02 ct/kWh und eine anschließende Grundvergütung von 4,92 ct/kWh vor. Windstandorte mit geringerer Windhöffigkeit wie in Bayern werden dabei durch eine längere Laufzeit der Anfangsvergütung kompensiert. Für diese so genannten Schwachwindstandorte wurden in den letzten Jahren eigens Anlagentypen entwickelt, die hohe Winderträge und damit einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen.
Für hiesige Kommunen und Stadtwerke entstehen dadurch Chancen, der Windenergie zu partizipieren. Neben den ökologischen Vorteilen einer nachhaltigen Stromerzeugung resultieren aus dem Ausbau der Windenergie auch kommunal ökonomische Vorteile. Nach einer Studie des „Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung“ aus dem Jahr 2010 kann die kommunale Wertschöpfung bei einer 2,3 MW großen Windanlage (zirka 3,0 bis 4,0 Millionen Euro Investitionssumme) während der Planung bis zu 158 700 Euro und 126 500 Euro im Jahr während des Betriebs betragen. Dies resultiert u.a. aus Mehreinnahmen der öffentlichen Hand durch Gewerbesteuern und Abgaben sowie Pachteinkünften der Landeigentümer. Den größten Anteil an der jährlichen Wertschöpfung mit über 80 000 Euro hält allerdings die Betreibergesellschaft. Häufig überschätzt wird dagegen die Gewerbesteuer. Aufgrund hoher Abschreibungen und Zinsaufwendungen macht diese nur rund 230 000 Euro über 20 Jahre aus und fällt zudem erst zum Ende der 20-jährigen Betriebszeit hin an. Die lokale Wertschöpfung der Windenergie liegt folglich in der Entwicklung sowie im Betrieb der Anlagen.
Gerade für Stadtwerke ergeben sich daraus Möglichkeiten, neue profitable Geschäftsfelder zu etablieren, das Erzeugungsportfolio auszubauen und damit die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu stärken. Dies sollte aber unbedingt unter Berücksichtigung der technisch-wirtschaftlichen Risiken erfolgen. Vor allem die Prognoseunsicherheit bezüglich der Windhöffigkeit hat große Auswirkungen auf die zu erwartenden Erträge und damit auf die Wirtschaftlichkeit eines Windprojektes. Auch nach 20-jähriger Vergütungszeit des EEG hat ein Weiterbetrieb Sinn. Anlagen könnten an einem genehmigten Standort weiterbetrieben werden und so weiterhin günstigen Ökostrom an die Bevölkerung liefern. Schon heute erzielen einige ältere Windparks höhere Erlöse, wenn sie Strom direkt an Bürger verkaufen, anstatt den gesetzlichen Vergütungssatz zu beziehen.
In der Bevölkerung wächst die Zustimmung für Windprojekte, wie die steigende Zahl lokaler „Klimaforen“ zeigt. Dennoch ist das Verhältnis zur Windkraft zwiespältig. Vor allem wenn es um die konkrete Standortplanung geht, nehmen die Proteste zu. „Windkraft ja, aber nicht vor meiner Haustür.“ Dieses Spannungsfeld gilt es durch den Dialog mit dem Bürger zu überwinden. Transparenz schafft Akzeptanz. Die bereits erwähnten regionalwirtschaftlichen Zugewinne müssen also genau wie die möglichen Risiken kommuniziert werden. Neben den o. g. technisch-wirtschaftlichen Risiken sind dies besonders Fragestellungen wie Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, Lärmemissionen oder Abstandserfordernisse.
Des Weiteren bietet die interkommunale Zusammenarbeit eine gute Möglichkeit zur Realisierung von Windprojekten. Eine Zusammenarbeit kann die kommunalen Ressourcen bündeln und den Dialog außerhalb der Gemeindegrenzen erhöhen. Durch den Einbezug der Bürger und finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten lässt sich zusätzlich ein hohes Maß an Identifikation der Bevölkerung mit dem Projekt erzielen. Dabei steht die Finanzierung eines fertig entwickelten Windparks zunächst nicht im Vordergrund der Problematik. Oftmals ist die zum Teil langjährige Entwicklung eines Windprojekts bis zu seiner Realisierungsfähigkeit die größere Hürde.
Kommunen und lokale Stadtwerke können zusammen Windprojekte eigenständig planen oder dies über Projektentwickler abwickeln lassen. Die Chance auf kommunale Wertschöpfung ist bei mehr Eigeninitiative bedeutend höher, bei gleichzeitig größerem unternehmerischem Risiko: Neben zu geringen Winderträgen während der Betriebsphase, ist für die Entwicklung eines Projektes Kapital für entsprechende Gutachten und Vorbereitungsmaßnahmen bereitzustellen, ohne dass die Realisierung des Projektes letztendlich gesichert ist. Hier könnten Unternehmen, die in rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Fragestellungen beratend zur Seite stehen, Abhilfe schaffen.
Eine kommunale Realisierung von Windprojekten kann also eine Reihe von positiven regionalwirtschaftlichen Effekten nach sich ziehen. Dennoch bedarf die Implementierung von Windvorhaben eines Dialogs zur Überwindung der existierenden Spannungsfelder. Ob ein Windprojekt tatsächlich erfolgreich abgeschlossen wird, hängt sowohl von gesellschaftlichen, rechtlichen, technischen sowie wirtschaftlichen Faktoren ab. Aber gerade eine Entwicklung mit kommunaler Beteiligung kann durch eine vollumfängliche Planung ökologische und ökonomische Mehrwerte für die Region bedeuten. (Ralf Ott -
Der Autor ist Diplomkaufmann bei Rödl & Partner in Nürnberg
)

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