Wirtschaft

Günther Cramer, Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft, warnt, dass etwa 20.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. foto wraneschitz

19.03.2010

Deutsche Solarindustrie vor dem Ende?

25. Symposium Photovoltaische Solarenergie in Kloster Banz: Politik stellt Hersteller vor unlösbare Aufgaben

Die deutsche Solarstromszene traf sich zu ihrem jährlich wohl wichtigsten Branchentreff auf Kloster Banz bei Bad Staffelstein. Und in Berlin beschloss das Bundeskabinett: Für Strom aus neuen Solaranlagen soll es nach dem 1. Juli dieses Jahres durchschnittlich weit über 10 Prozent weniger Vergütung geben.
„Hat nicht die Kontinuität und Berechenbarkeit des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG den Auf-schwung bereitet?“, fragt Ta-gungsleiter Michael Powalla vom ZSW, dem Zentrum Solar- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg, in die Runde der 800 Teilnehmer. Der Wissenschaftler beschreibt damit die solare Er-folgsgeschichte, die seit Start des EEG vor zehn Jahren täglich deutlicher auf deutschen Dächern und Äckern zu sehen ist.
Exponenziell ging die neu installierte Solarmodulleistung seit 2000 in die Höhe; von damals 42 auf zuletzt 1750 Megawatt im Jahr 2008. Und auch die Zahl der Arbeitsplätze stieg stetig, selbst während der allgemeinen Wirtschaftskrise der letzten beiden Jahre. Deshalb schimpfen Industrievertreter jetzt besonders vehement über die „kurzfristigen Entscheidungen der Politik“. So soll es für neue Photovoltaikanlagen (PVA) auf Ackerflächen nach dem 1. Juli 2010 gar keine Einspeisevergütung mehr geben: Nur noch jene Acker-PVA dürften nach besagtem Regierungsentwurf Strom ins Netz einspeisen, für die bereits ein genehmigter Bebauungsplan vorliegt.
Zumindest, wenn man Karin Freier glaubt: Die ist im Bundesumweltministerium für die Markteinführung erneuerbarer Energien zuständig, und macht den verärgerten Solarleuten keine Hoffnung. An den EEG-Plänen von CDU/CSU- und FDP-Fraktion werde sich nichts Wesentliches mehr ändern, ist Freier über-zeugt. Wenn sie sich da mal nicht täuscht. Denn zurzeit entstehen Koalitionen, von denen bislang niemand zu träumen wagte.
So teilen ostdeutsche Minister-präsidenten die Angst von Gün-ther Cramer: Der Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) weiß, alleine bei etwa 20 größeren Unternehmen, die Module und Vorprodukte produzieren, stehen etwa 20.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Es werde gerade mal drei Monate dauern, bis zahlreiche an der Börse gehan-delte Solarunternehmen zusammenbrechen könnten, falls das EEG wie nun beschlossen verändert werde, behauptet Cramer. Sogar Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will „alle Hebel in Bewegung setzen, um den EEG-Vorschlag noch zu ändern“, erklärte er auf der Handwerksmesse München: Bekanntlich sind gerade im Handwerk immer mehr Menschen mit der Montage und Wartung von PV-Anlagen befasst.
Seehofers Initiative bekommt selbst von Thomas Jung Beifall, dem SPD-Oberbürgermeister der selbst ernannten Solarstadt Fürth: „Der bayerische Ministerpräsident spricht mir aus der Seele, wenn er den Verlust wertvoller Arbeitsplätze in einer hochmodernen und zukunftsträchtigen Branche befürchtet.“ Doch Seehofer prangert auch mögliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft an: Es wäre „falsch, wenn der Bau von Solaranlagen auf Freiflächen durch eine zu radikale Reduktion der Fördersätze völlig zum Erliegen käme“. Dabei sei mit diesem Vorschlag gerade der Forderung aus CSU und Bauernverband entsprochen worden, behauptet Karin Freier.
Doch Matthias Kick vom Bayerischen Bauernverband (BBV) München behauptet: „Dass der BBV ein Verbot für PV auf Ackerflächen gefordert hat, das ist eine Lüge!“ Der BBV habe im November 2009 einen Vorschlag gemacht: „Wir wollen das Thema differenzierter betrachtet sehen, Größenklassen einführen, Grünlandflächen zulassen, Ausgleichsflächen aufnehmen“, erläutert Kick. Auch Josef Göppel, MdB und Chef des CSU-Arbeitskreises Umwelt, ist mit dem Regierungs-Vorschlag nicht einverstanden: „Ich finde die Einmalabsenkung schlecht; eine Stufenabsenkung wäre besser.“ Nun sollen am 21. April im Bundestag die Verbände doch noch angehört werden zur EEG-Verschlechterung: Dies stand bisher nicht auf der Agenda von Umweltminister Norbert Röttgen, CDU, der die Vergütungssenkung vorangetrieben hat. Glaubt man deutschen Unternehmern, dann bekommen Firmen in China Kredite mit 2 Prozent Zinsen und 15 Jahren Laufzeit: Hierzulande würden Technologieunternehmen von der Politik dagegen lange nicht so mit Forschungsgeldern versorgt, wie es sinnvoll wäre.
Ein Problem, das Ulrich Brückmann bestätigt, im BMU für die Forschungsförderung zuständig: „Das BMBF (Forschungsministerium, d.Red.) ist bemüht, sich besser mit dem BMU abzustimmen.“ Eine Formulierung, die in einem Arbeitszeugnis die Note „Mangelhaft“ bedeutet. Und Karin Freier gibt zu: „Mit der Unterstützung der chinesischen Politik können wir nicht mithalten.“ Nun verweisen Brückmann wie Freier auf das von der Regierung angekündigte Energiekonzept: Dazu sei auch fürs Jahr 2012 eine weitere, aber lange geplante Runderneuerung des EEG nötig.
Bis dahin könne es für viele deutsche Unternehmen bereits zu spät sein, menetekelt Günther Cramer: „Die geplanten Änderungen gehen jetzt an die Substanz! Und das volkswirtschaftlich Schlimmste ist, wenn in drei Jahren alle Module aus China kommen“, schüttelt der BSW-Chef nur noch den Kopf. Karin Freiers einzige positive Botschaft an die 800 Fachleute in Banz: „Der Zielkorridor wird auf 3500 Megawatt pro Jahr verdoppelt.“ Bisher dürfen jährlich 1700 Megawatt PVA in Deutschland installiert werden, bevor die per EEG garantierte Einspeisevergütung automatisch sinkt. „Wir haben über Jahrzehnte die Basis gelegt, und beim Massenmarkt springen andere auf“, hat sogar BMU-Frau Freier erkannt. Und das ausgerechnet im Jahr 25 des wichtigsten Kongresses für Photovoltaische Solarenergie in Deutschland. (Heinz Wraneschitz)

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