Wirtschaft

Die Kosten psychischer Fehlbelastungen wie Burnout werden in Deutschland auf jährlich 10 Milliarden Euro geschätzt. (Foto: dpa)

08.06.2014

Die Belastungen des Berufslebens

Hohe Ansprüche der Arbeitswelt führen verstärkt zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Burn-out-Syndromen.

Gesellschaftliche Veränderungen wirken sich unmittelbar auf die Arbeitswelt aus. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich Deutschland von einer Agrar- in eine arbeitsteilige Industriegesellschaft gewandelt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts bildete sich zunächst eine Dienstleistungsgesellschaft aus. In der Wirtschaft kamen Grundsätze der Gewaltenteilung in den Mitbestimmungsrechten für Arbeitnehmer zum Ausdruck. Ein steigendes Bildungsniveau ermöglichte die Wahrnehmung höher qualifizierter beruflicher Aufgaben. In Familie und Beruf wandelte sich das Rollenverständnis der Geschlechter. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich eine Wissensgesellschaft entwickelt, in der Wissen das prägende Ideal darstellt. Wissen ist zur Grundlage von Selbstverwirklichung, sozialem Status und gesellschaftlicher Anerkennung geworden.

Von Arbeitnehmern wurde zu jeder Zeit kontinuierliche Weiterbildung erwartet, um raschere Anpassungen an sich schnell verändernde Marktumfelder zu ermöglichen. Das Leistungsideal wurde zum Grundpfeiler der heutigen Leistungsgesellschaft. Gesellschaftliche Anerkennung wird demjenigen zuteil, der bereit ist, sich am Leistungsprinzip zu orientieren. Die Globalisierung entfachte eine unerhörte Verschärfung eines nationale Grenzen überschreitenden Wettbewerbs. Im Arbeitsleben führt die Globalisierung zu sich fortlaufend verschärfenden Anforderungen und damit zu einem erhöhten Leistungsdruck auf die Beschäftigten.

Um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern und soziale Anerkennung zu finden, unterwerfen sich die Berufstätigen dem durch die Globalisierung zusätzlich entstehenden Leistungsdruck: Vormals klar strukturierte und planbare Berufswege zwischen Berufseintritt und Rentenalter werden nun durch wechselnde, schwer vorhersehbare Tätigkeiten im Laufe eines Berufslebens abgelöst. An die Stelle lebenslanger Beschäftigungen bei einem einzelnen Unternehmen, wie es früher zum Beispiel bei Unternehmen wie Siemens in München war, treten häufig zeitlich befristete Arbeitsverträge. Neue Medien und Kommunikationsformen ermöglichen eine jederzeitige Erreichbarkeit einzelner Personen und sorgen für eine Beschleunigung des Lebenstaktes.

Der globalisierte Wettbewerb sorgt zwar sicherlich auf der einen Seite dafür, dass vorhandene Ressourcen effizienter und zum Vorteil der Verbraucher genutzt werden können. Durch Wettbewerb ausgelöste Produktinnovationen bewirken steigende Beschäftigung und damit gesamtgesellschaftlichen Wohlstand. Und eine angemessene psychische Beanspruchung setzt Energien frei. Psychische Belastungen durch erhöhte Arbeitsanforderungen sind daher ein unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitslebens. Andererseits fühlen sich in Deutschland allerdings etwa 50 Prozent aller Beschäftigten einer psychischen Fehlbelastung wie Über- oder Unterbelastung ausgesetzt. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK erhöhte sich die Zahl der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeitsfälle zwischen 1994 und 2012 um über 120 Prozent. Die Kosten psychischer Fehlbelastungen werden allein für Deutschland auf jährlich 10 Milliarden Euro geschätzt.

Auf die immer schnelleren Veränderungen im Arbeitsleben können Berufstätige mit ihren gewachsenen persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen häufig nicht rasch genug reagieren. Wenn Betroffene neuen Anforderungen jedoch nicht standhalten können und dabei ein Gefühl des Ausgeliefertseins entsteht, kommt es rasch zu Leistungsminderungen, Unzufriedenheit, Resignation oder innerer Kündigung. Häufig treten psychosomatischen Störungen wie Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden und Herzbeschwerden auf.

Zu den Volkskrankheiten der Leistungsgesellschaft gehören Depressionen, Stress, Burn-out-Syndrome, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Allergien. Am Ende dieser Symptome steht häufig die Berufsunfähigkeit. Auffällig ist auch eine erhöhte Sterblichkeitsrate aufgrund einer Kombination physischer und psychischer Krankheitssymptome.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Globalisierung und neue Kommunikationsmittel gewaltige Kräfte entfesselt haben, die zu steigenden Belastungen im Berufsalltag führen. Die Leistungsgesellschaft, die sich zu einem permanenten Wachstum verpflichtet hat, nahm aber bisher auf die erheblichen Nebenwirkungen kaum Rücksicht. Wer nicht mehr mithalten kann, der wird eben ausgetauscht und zurückgelassen.

Im Berufsleben Stehende könnten sich fragen, ob sie tatsächlich auf Dauer ihr Glück in einem Lebensmodell finden, das auf unbeschränktem Konkurrenzstreben und womöglich fragwürdigen Statussymbolen basiert. Ein Berufsleben, das in einiger Distanz zu den harten Prinzipien der Leistungsgesellschaft verläuft, bietet aber wahrscheinlich deutlich größere Aussichten auf innere Zufriedenheit und länger anhaltende Gesundheit. (BSZ)

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