Wirtschaft

Bei einer Mitgliederversammlung der EDM in Landshut bei der Regierung von Niederbayern: (von links stehend: Regierungspräsident Heinz Grunwald, Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, Barbara Daferner (Projekt-Managerin der EDM Niederbayern, Kathrin Altmann (Hochschul-Koordinatorin der EDM Niederbayern) und Kaspar Sammer. (Foto: Bezirk Niederbayern)

06.05.2016

„Die Grenzregionen müssen sich weiter entwickeln!“

Die Europaregion Donau-Moldau will professioneller werden

Es fehlt nicht an hohen Erwartungen, auch nicht an Hochglanzbroschüren und noch weniger an großen Sprüchen von Regionalpolitikern aus dem Dreiländereck von Bayern, Tschechien und Österreich. Seit der Gründung der „Europaregion Donau-Moldau“ (EDM) im Juni 2012 nutzt diese Arbeitsgemeinschaft zur Selbstdarstellung den Slogan: „Drei Länder, zwei Sprachen, eine Region für sechs Millionen Menschen auf 60.000 Quadratkilometern Fläche.“ Die Zwischenbilanz der EDM nach knapp vier Jahren sieht jedoch durchwachsen aus. Gern vergessen werden bei dem flotten Slogan weithin unterschiedliche Verwaltungsstrukturen und Kompetenzen in den betroffenen Bundesländern und Bezirken in den drei Nationalstaaten: Landes- und Bezirkshauptleute, Bezirkstags- und Regierungspräsidenten, hier Landräte, dort keine. Das gemeinsame Ziel der EDM: die ländlichen Räume zwischen den Metropolen München, Nürnberg, Prag, Linz und Wien zu vernetzen und vorhandene Potenziale über die nationalen Grenzen besser zu nutzen.

Dabei verbindet die sieben Partnerregionen im Dreiländereck zwischen Donau und Moldau die Hoffnung, gemeinsam als Europaregion im Wettbewerb mit den Metropolregionen mehr politisches Gewicht zu erreichen. Die Ziele der Grenzbezirke, die von nationalen Regierungen meist vernachlässigt werden, sollen direkt von der EU gefördert und so leichter durchgesetzt werden. Soweit die Theorie, die Praxis sieht nach knapp vier Jahren eher bescheiden aus: nachbarschaftliche Treffen kommunaler Politiker und Beamten, große Pläne, unterschiedliche Finanzierung und daher noch viele unvollendete Projekte.

Zu wenig Vorzeigeprojekte


„Wir haben drei Jahre in sieben Partnerregionen Strukturen aufgebaut. Aber die Phase des Kennenlernens ist jetzt vorbei“, sagt EDM-Geschäftsführer Kaspar Sammer (CSU) in Freyung: „Manche Ziele sind noch nicht zufriedenstellend erreicht, einiges läuft jedoch schon recht gut. Fertige Vorzeigeprojekte haben wir noch wenige. Da müssen wir uns noch weiter entwickeln!“ Der 46-jährige Agraringenieur und Betriebswirt Kaspar Sammer ist seit 2000 auch Geschäftsführer einer anderen Erfindung der EU: „EUREGIO Bayerischer Wald – Böhmerwald – Unterer Inn.“ Dieses Informationszentrum in Freyung ist Bestandteil des EU-weiten Netzwerkes der Europäischen Kommission mit mehreren EUREGIOS entlang von Staatsgrenzen.

Etwa zwölf tschechische und deutsche Mitarbeiter sind vorwiegend mit der bürokratischen Abwicklung der EU-Förderung für grenzüberschreitende Projekte beschäftigt. Finanziert wird die Geschäftsstelle der EUREGIO von der EU und den beteiligten Landkreisen und Kommunen. Parallel, aber getrennt davon, läuft auf der Schiene der Landwirtschaftsministerien und Landratsämter das LEADER-Programm der EU, das auch irgendwie die wirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Regionen fördern soll.

Quasi als größere Schwester der EUREGIO ist 2012 die Europaregion gegründet, Kaspar Sammer auch zum Geschäftsführer der EDM ernannt und unter seiner Leitung die EDM-Geschäftsstelle für Niederbayern und Altötting mit etwa acht Mitarbeitern mit der EUREGIO zusammengelegt worden. Die Europaregion wird von den Bezirken und Zuschüssen der Landesregierungen finanziert.

Hauptquartier im Forsthaus


Diese beiden EU-Bürokratien haben ihre „Hauptquartiere“ in einem alten Forsthaus der Stadt Freyung im Bayerischen Wald. Niederbayerns Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich (CSU), zugleich Bürgermeister von Freyung, hat bereits ein historisches Wirtshaus in der Kreisstadt angemietet: Nach Restaurierung und Anbau sollen beide Geschäftsstellen in ein „Europahaus“ umziehen. Von den sieben Regionen der Europaregion hatten die meisten zuvor kaum miteinander zu tun. Das sind Oberösterreich, das westliche Niederösterreich (Most- und Mühlviertel), Niederbayern plus Landkreis Altötting, Oberpfalz und drei tschechische Bezirke: Pilsen, Südböhmen und östlich davon – Vysocina. Sammer: „Jede der Partnerregionen ist für andere Schwerpunktaufgaben federführend. Aber viele Themen sind schwierig, die Partner in den Kontaktstellen personell und finanziell nicht gleich gut ausgestattet. Daher kommt die unterschiedliche Dynamik.“

Geld aus Brüssel holen


Das hängt nicht zuletzt von der Unterstützung durch die jeweiligen Regierungen ab. Deren Misstrauen haben die Gründerväter der EDM zum Teil selbst ausgelöst mit ihrem Jubel über „EU-Geld direkt aus Brüssel“, das aber vorher alle Staaten eingezahlt hatten. Den Vorteil des Umwegs über Brüssel sieht Sammer so: „Etwa 100 Millionen Euro aus dem INTERREG-Programm Bayern-Tschechien geht in Landkreise und tschechische Regionen an der Grenze. Die würden dieses Geld doch auf nationaler Ebene nie bekommen!“

Seit 2014 ist Bezirkstagspräsident Heinrich auch Vorsitzender der EDM in Niederbayern und 2017 übernimmt sein Bezirk von Niederösterreich den Gesamtvorsitz in der EDM. Heinrich: „Nach der Wahl in Bayern ist Landesplanung und Raumordnung vom Wirtschafts- ins Finanzministerium verlegt worden. Das hat zwar Zeit gekostet, ist aber dank einer neuen Strategie von Vorteil.“ Ex-Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) habe die Europaregion aus Misstrauen gebremst. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sehe die Chance, wenigstens einen Teil des Geldes als EU-Fördermittel wieder zurückzuholen.

Söder hat jetzt der EDM-Geschäftsstelle in Freyung zwei Beraterstellen für Förderprogramme genehmigt. Parallel dazu bezahlt Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) den Landkreisen Freyung und von Regen je einen Berater für Fördergelder aus dem LEADER-Programm. Das sind aber beileibe nicht alle Förderprogramme der EU. Sammer: Die sind kompliziert und so bürokratisch, dass die kein Bürgermeister oder Landrat überschauen kann. Da braucht es Spezialisten!“ So vermehrt sich die EU-Bürokratie in jedem Land.

Heinrich und Sammer haben sich kürzlich in Linz mit Oberösterreichs Landesrat für Wirtschaft, Michael Strugl (ÖVP), getroffen und in Krems dann Kontakte zum Hochschulbereich Niederösterreichs hergestellt. Die zwei bayerischen und österreichischen Bezirke wollen die Dynamik in der Europaregion jetzt erhöhen und hoffen, dass dank der besseren Beziehungen zwischen München und Prag auch die tschechischen Bezirke mit noch mehr Engagement und vor allem mehr Personal mitmachen. „Die Zusammenarbeit zwischen den bayerischen und österreichischen Bezirken kommt gut voran“, sagt Heinrich, „aber die trilaterale Europaregion steht und fällt mit der Beteiligung Tschechiens.“ Den Kontaktstellen in den tschechischen Bezirken fehlt es laut Kaspar Sammer nicht am Willen, sondern an Geld: „Die wichtigen Themen und großen Projekte unserer Region können nicht von kleinen Verwaltungsbeamten bewältigt werden und schon gar nicht im Halbtagsjob. Wir müssen uns alle professioneller aufstellen. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Aber wer nicht mitmacht, bleibt eben außen vor.“

Gute Zusammenarbeit


Wo nach Einschätzung des EDM-Geschäftsführers die Zusammenarbeit gut läuft, sind die Bereiche Hochschulen, Forschung und Cluster-Kooperation, für die Niederbayern und die Oberpfalz federführend sind. Außer Bestandsaufnahmen zu wenig passiert ist grenzüberschreitend in den Bereichen Verkehr, Arbeitsmarkt und Tourismus. Für große Projekte der Verkehrsinfrastruktur sind vorwiegend die nationalen Regierungen zuständig. Heinrich: „Wo Verkehrsinfrastruktur vorhanden ist, wächst auch die Wirtschaft. Bei diesen Projekten sind wir in Niederbayerns Grenzgebieten mit Südböhmen am meisten benachteiligt.“

Festgefahrene Strukturen


Beim Tourismus leidet die Zusammenarbeit laut Sammer „unter festgefahrenen Strukturen und zu wenig professionellem Angebot unserer EDM“. Zur kleinkarierten Kirchturmpolitik von Gemeinden, Regionen und Verbänden will er nichts sagen, sieht aber bei der Außendarstellung der vielen Angebote der Europaregion offene Potenziale, für die bisher keine gemeinsame Leitlinie entwickelt wurde.

Ein weiterer Bereich, wo Sammer Defizite aufzeigt, ist Standortmarketing und überregionale Gewerbeaquise: „Da könnten und müssen wir noch intensiver zusammenarbeiten. Wir müssen die EDM insgesamt professionalisieren, die schwierigen Themen jetzt angehen und der Region mehr Zukunftsperspektiven bieten.“
Die Koordinatorin für die Hochschulen in der EDM-Geschäftsstelle, Kathrin Altmann, kann dagegen mit ihrem Schwerpunktbereich zufrieden sein: „Zuerst haben wir um Beteiligung der Hochschulen geworben und inzwischen sind alle dabei.“ Die bayerischen waren da sehr aktiv. Altmann: „Fast alle Universitäten, Hochschulen und Technologie-Campi Niederbayerns und der Oberpfalz haben Förderanträge für gemeinsame Projekte mit Österreich oder Tschechien eingereicht.“

Von den Anträgen Bayern/ Österreich wurden bereits Projekte für rund 13 Millionen Euro genehmigt; aus Bayern/Tschechien liegen dutzende Anträge im zweistelligen Millionenbereich vor.“ Die Projekte aus verschiedenen Fachbereichen betreffen unterschiedliche Prioritäten, müssen aber einen Bezug zur Region haben. Altmann: „Welche Projekte genehmigt werden und Fördermittel erhalten, wird im Sommer entschieden.“ Es geht somit hier nicht um Kleingeld, betont Bezirkstagspräsident Heinrich: „Die Hochschulen haben es als erste kapiert, wie viel Geld aus EU-Töpfen zu holen ist. Aber die Chancen regionaler Kooperation von Hochschulen gehen vor allem für Studenten weit über die Finanzen hinaus. Das müssen wir auch in anderen Themenfeldern erreichen. Nur gemeinsam können wir mit intensiven politischen Impulsen auch weitere Ziele der Grenzregionen voranbringen.“
(Hannes Burger)

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