Wirtschaft

Der Freistaat braucht nachhaltigen Zugang zu Rohstoffen. Darin waren sich (v. l.) Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil, Bayerns Umweltminister Markus Söder, vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt und BIHK-Präsident Erich Greipl einig. (Foto: ibw)

22.07.2011

Die Rohstoffversorgung sichern

Bayerns Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit hängt von Bodenschätzen ab

Die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit vom Exportland Bayern hängt ganz entscheidend von einer sicheren Rohstoffversorgung der Unternehmen ab. Nur so kann der Wohlstand im Freistaat dauerhaft erhalten werden. Deshalb entwickeln jetzt Politik und Wirtschaft erstmals gemeinsam Strategien und Lösungsansätze. Was genau geplant ist, präsentierten sie beim bayerischen Rohstoffgipfel in München.
Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) betont, dass Deutschland und vor allem Bayern zu den größten Rohstoffkonsumenten der Welt zählen: „Wir selbst haben dabei aber nur wenig eigene Bodenschätze.“ Besonders exotische Rohstoffe wie Lanthan, Cer, Praseodym, Neodym, Samarium, Europium oder Gadolinium stünden hoch im Kurs und seien schwer zu beschaffen. „Wir brauchen sie zum Beispiel für die Herstellung von Brennstoffzellen, von Hybridautos, zur Steigerung der Effizienz, für Nanotechnologien, Digitalkameras, LCD-Bildschirme, Computer und Glasadditive – kurz: für unsere wichtigsten Zukunftstechnologien“, so Zeil. Die Verbrauchsmengen dieser „Hightech-Grundstoffe“ seien zwar gering. Für den industriellen Produktionsprozess seien sie aber unverzichtbar. „Deshalb müssen wir heute handeln, um auch in Zukunft unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand nicht zu gefährden“, erklärt der Wirtschaftsminister.
Bayern als rohstoffarmes Land ist Zeil zufolge stark auf einen ungehinderten Handel von Rohstoffen angewiesen. Diesen sicherzustellen, sei in erster Linie Aufgabe der EU und der Bundesregierung. Hierzu hätten beide bereits eine Vielzahl von Aktivitäten gestartet. Flankierend dazu habe auch die bayerische Staatsregierung weitere Lösungsansätze erarbeitet. „Erstens haben wir vor einem Jahr die Arbeitsgruppe ‘Rohstoffstrategie’ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Vertretern des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums, der Wirtschaftsverbände und Kammern sowie der Hochschulen und Forschungsinstitute entwickeln wir hier Ansätze, wie wir dem Rohstoffproblem begegnen können“, erläutert der Minister.
Zweitens habe man die bayerische Rohstofferkundung verstärkt. „Unsere Bergleute und Geologen sind zuversichtlich, dass die seltenen Metalle auch in Bayern vorhanden sind“, meint Zeil. Erst vor einer Woche hätten die Geologen des bayerischen Landesamtes für Umwelt, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums nach heimischen Bodenschätzen suchen, vermelden können, dass sie im Landkreis Tirschenreuth 95 Millionen Tonnen Kaolin entdeckt haben. Das „weiße Gold“ stelle die Versorgung für die heimische Porzellanindustrie für Jahrzehnte sicher.
Drittens müsste man in Bayern die nachhaltige Rohstoffsicherung verbessern. Zielkonflikte zwischen Naturschutz und Rohstoffsicherung oder zwischen Gebieten für erneuerbare Energien und Rohstofflagerstätten müssen laut Zeil gelöst werden. Für ihn sei klar, dass die Bodenschätze, die für die bayerische Volkswirtschaft benötigt werden, auch abbaubar sein müssen. Rohstoffnetzwerk aufbauen
Viertens soll ein eigenes Rohstoffnetzwerk im Ausland aufgebaut werden. Als erste Maßnahme ist dem Minister zufolge eine Kasachstangruppe gegründet worden, die entsprechende Kontakte ausbauen soll.
Fünftens wird Bayern 5 Millionen Euro für die Gründung eines Fraunhofer-Zentrums für Wertstoff-Kreisläufe und Werkstoff-Substitution in Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) zur Verfügung stellen. Das Forschungsinstitut soll im Bereich von Recycling und Entwicklung von Ersatzwerkstoffen aktiv werden. Und zu guter Letzt werde ein Online-Infoportal zur bayerischen Rohstoffstrategie eingerichtet.
Umweltminister Markus Söder (CSU) illustriert, wie wichtig gerade das Recycling ist: „In einer Tonne Althandys steckt 60 Mal mehr Gold als in einer Tonne Erz.“ Darum müsse die Bevölkerung gezielt aufgeklärt werden, wo sie ihre alten Handys, von denen laut Söder jeder mindestens eines noch in irgendeiner Schreibtischschublade liegen hat, entsorgen kann. Er betont die Forschungsaufgabe für Ersatzrohstoffe: „Statt Stahl muss Carbon zum Einsatz kommen, statt Kupfer Glasfaser und statt mineralischer Wolle Schafswolle.“ Wie begehrt die Rohstoffe inzwischen sind, zeigt sich nach Ansicht des Umweltministers an der organisierten Kriminalität. Diese habe neuerdings immer stärker Kupfer im Visier. „Die klauen einfach Kabel“, empört sich Söder.
Rohstoffpolitik ist Industriepolitik. Auf diesen kurzen Nenner bringt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., die Herausforderung für die Wirtschaft im Freistaat. Anhand des aktuell erschienenen vbw-Rohstoffgutachtens illustriert er, wie begehrt die Bodenschätze sind: „Der Kupferpreis hat sich seit Anfang 2009 nahezu verdreifacht. Der Preis für Eisenerz hat sich seit Anfang 2009 mehr als verdoppelt. Der Preis für Zinn hat sich innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre ebenfalls verdoppelt und der Preis für Neodym, das zu den Seltenen Erden gehört, hat sich innerhalb eines Jahres verzehnfacht.“
Wenn nicht genügend Rohstoffe vorhanden sind, seien 860 000 von den insgesamt 1,24 Millionen Industriebeschäftigten im Freistaat gefährdet. Damit würden 70 Prozent in Bereichen mit Rohstoffeinsatz arbeiten. „Die Umsätze in den rohstoffintensiven Branchen lagen 2010 bei rund 225 Milliarden Euro. Das sind knapp 75 Prozent aller Umsätze der bayerischen Industrie“, so Brossardt. Zusätzlich zu den geplanten Maßnahmen der bayerischen Politik fordert er bessere Verfahren und Kontrollen gegen den illegalen Export von Sekundärrohstoffen wie Schrott, Kunststoffe und Altpapier in außereuropäische Länder.
80 Prozent der bayerischen Industrieunternehmen sehen in den Rohstoffpreisen den Risikofaktor Nummer eins der kommenden Jahre. „Über 30 Prozent dieser Firmen haben bereits jetzt Schwierigkeiten, ihren Rohstoffbedarf zu decken“, sagt Erich Greipl, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK). Laut einer noch nicht veröffentlichten BIHK-Studie zum Industriestandort Bayern versuchen 70 Prozent der befragten Unternehmen, die Herstellung von Produkten ressourceneffizienter zu gestalten. „Besonderes Augenmerk legen die Unternehmen hier auf den Einkauf umweltverträglicher Vorprodukte und Kooperationen zur Materialbeschaffung“, so Greipl.
(Ralph Schweinfurth)

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