Wirtschaft

DATEV IT-Campus in der Fürther Straße in Nürnberg. (Foto: dpa)

09.02.2016

Die Terabyte-Genossen

Sie ist ein Kind des Wirtschaftswunders: Als Firmen die Buchhaltung über den Kopf wuchs, suchten Steuerberater nach Auswegen - und gründeten die Datev. Inzwischen ist daraus eine der größten europäischen IT-Firmen geworden. Jetzt wird die Genossenschaft 50

Es war Mitte der 1960er Jahre, als Heinz Sebiger der Kragen platzte: Um für Unternehmen endlich auch die Buchführung übernehmen zu können, hatte sich der Steuerberater extra eine teure Buchungsmaschine in seine Kanzlei am Nürnberger Hauptmarkt gestellt. Als er feststellte, dass die kaum mehr leistete als ein besserer Computerdrucker und die eigentliche Buchungsarbeit weiterhin an ihm hing, reifte bei dem damaligen Mittvierziger der Entschluss: "Jetzt ist endgültig Schluss mit der manuellen Buchführung", erzählte Sebiger später, der das Unternehmen von 1966 bis 1996 leitete.

Eine Genossenschaft, so keimte in ihm der Gedanke, sollte mit den neuen Möglichkeiten der damals noch jungen elektronischen Datenverarbeitung die Buchführung automatisieren - die Grundlage für den Nürnberger Informationsdienstleister Datev war gelegt. Denn klar war: Allein konnte sich seinerzeit kein Steuerberater die Auslagerung der Buchführung an eines der wenigen Rechenzentren leisten. Und preiswerte Personalcomputer gab es damals noch nicht.

Aus der im Februar 1966 gegründeten "Datenverarbeitungsorganisation der Steuerbevollmächtigten für die Angehörigen des steuerberatenden Beruf der Bundesrepublik Deutschland" - kurz: Datev - ist inzwischen eines der größten IT- und Softwarehäuser Europas geworden. Fast jeder vierte deutsche Arbeitnehmer kommt mit dem Unternehmen allmonatlich beim Blick auf seinen Gehaltszettel in Berührung. Denn die Datev erstellt für 11 Millionen Beschäftigte die monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Hunderttausende von Firmen wickeln über die Datev außerdem ihre Buchhaltung und Teile ihres Zahlungsverkehrs ab.

Aus der Not geboren: Gründung der Genossenschaft

Wie so viele Unternehmen war auch die Datev aus der Not geboren: Als zum Höhepunkt des deutschen Wirtschaftswunders der Markt für Buchhalter leer gefegt war, versuchten immer mehr Unternehmen ihre Buchhaltung auszugliedern - und suchten bei ihren Steuerberatern Hilfe. "Aber auch uns als Steuerberater fehlten die Arbeitskräfte", berichtet der heute 92 Jahre alte Datev-Mitbegründer. Die Gründung der Genossenschaft brachte schließlich die Lösung.

Zunächst mit Hilfe der IBM, später in eigenen Rechenzentren, bot die Datev den angeschlossenen deutschen Steuerberatern eine Datenplattform und einen EDV-Service an. Der anfänglich nur aus zwei Mitarbeitern bestehende Dienstleister fungierte zunächst für die Nürnberger Steuerberater, von Oktober 1966 an bundesweit als Rechenzentrum für die Freiberufler der Branche. Dabei ist das Grundprinzip heute ähnlich wie früher: Die Unternehmen liefern ihren Steuerberatern Belege und Abrechnungen, der Berater prüft und ergänzt sie und sondiert steuerliche Möglichkeiten. Die Datev sendet schließlich die fertige Steuererklärung elektronisch ans Finanzamt.

Hochsensible Steuerdaten ruhen auf einem streng gesicherten "Datensafe"

Dabei hat die Datev von Jahrzehnt zu Jahrzehnt von den Fortschritten bei der elektronischen Datenspeicherung und der Datenübertragung profitiert. Zunächst lieferten die Datev-Mitglieder ihre Daten auf Magnetbandkassette, später auf Disketten oder USB-Stick an. Inzwischen ruhen die hochsensiblen Steuerdaten der Steuerberaterkunden auf einem streng gesicherten "Datensafe", wie Datev-Sprecher Till Stüve erläutert. Speicherplatz: Mehr als 47 000 Terabyte. Dort werden die Kundendaten vom jeweiligen Steuerberater bearbeitet und später von der Datev ans zuständige Finanzamt auf elektronischem Wege verschickt.

Längst hat sich das Leistungsspektrum der IT-Genossenschaft erweitert. So bietet sie neben den Rechenzentrumsleistungen mehr als 200 Softwareprogramme an und unterstützt Mitglieder und deren Kunden bei Lohn- und Gehaltsabrechnungen, der Buchführung und der Erstellung von Jahresabschlüssen. Inzwischen gibt jedes zweite deutsche Unternehmen über Datev seine Umsatzsteuervoranmeldung bei den Finanzämtern ab. 6780 Mitarbeiter hat die Genossenschaft dafür zuletzt beschäftigt, knapp 844 Millionen Euro Umsatz hatte sie 2014. Zum 1. April bekommt die Datev eG mit Robert Mayr einen neuen Chef. Er folgt auf Dieter Kempf, der das Unternehmen die vergangenen 20 Jahre geleitet hat. (Klaus Tscharnke, dpa) HINTERGRUND: Die Datev in Zahlen
Seine Rechenzentren sind riesige Daten-Drehscheiben zwischen Firmen, Steuerberatern und den Finanzbehörden. Damit hat der IT-Dienstleister Datev enorme Datenmengen zu bewältigen:

- Alle Datev-Rechenzentren zusammen haben einen Speicherplatz von 47 426 Terabyte - mehr als die Festplatten von 50 000 derzeit handelsüblichen Durchschnitts-PCs fassen können.
- In den Rechenzentren der Nürnberger IT-Genossenschaft sind 363 Millionen Belege von Firmenkunden abgespeichert.

- 101 Millionen Daten von Beschäftigten übermittelte die Datev im Jahr 2014 an die Sozialversicherungen. Für 11 Millionen Beschäftigte erstellt sie die monatlichen Lohn- und Gehaltsabrechnungen.

- Pro Jahr wehren die Datev-Rechenzentren 2,2 Millionen Viren-Angriffe erfolgreich ab. Daneben werden in diesem Zeitraum 3,1 Millionen Spam-Mails blockiert.

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