Wirtschaft

Milliardenschwere Börsengänge sind in Deutschland selten, auch weil viele Bundesbürger Aktien misstrauen. Nun stehen erstmals seit langem wieder große Erstnotizen an. (Foto: dpa)

20.02.2018

Eisbrecher in Sicht

Hoffnung auf mehr Börsengänge in Deutschland

 Mit Aktien wenig am Hut, schlechte Erfahrung mit Telekom-Papieren und eine traditionelle Skepsis gegenüber angelsächsischem Kapitalismus - Börsengänge rufen bei den Deutschen selten Euphorie hervor. Und auch hiesige Unternehmen halten sich mit großen Erstnotizen zurück. Nun aber gibt es Bewegung: Zwei deutsche Großkonzerne wollen mit Geschäftsteilen aufs Börsenparkett.

So will die Deutsche Bank eine Minderheit ihrer Fondstochter DWS für geschätzt rund zwei Milliarden Euro an die Börse bringen. Und Siemens hat beschlossen, einen Teil der Medizintechnik-Sparte zu platzieren. Noch im März könnte es so weit sein. Mit 6 bis 10 Milliarden Euro Erlös könnte der Börsengang zum größten seit jenem der Telekom werden, der 1996 beim ersten Schritt umgerechnet 10 Milliarden Euro einspielte.

Seit jener Zeit, als Telekom, Deutsche Post und Infineon aufs Parkett gingen, dümpelt der deutsche Markt für Börsengänge mehr oder weniger vor sich hin. Mit den Plänen von Siemens und DWS schöpfen Fachleute Hoffnung. "Als Eisbrecher könnten die Mega-Emissionen den Weg bereiten für weitere Börsengänge in Deutschland", sagt Martin Steinbach, Kapitalmarktexperte bei der Beratungsgesellschaft EY.

Gute Vorzeichen


Die Vorzeichen stehen gut. Mit der Flut des billigen Geldes, seit Jahren steigenden Aktienkursen und der starken Weltwirtschaft ist der Risikohunger der Investoren immens. Im vergangenen Jahr schafften weltweit so viele Firmen den Sprung aufs Parkett wie seit 2007 nicht mehr. "Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen", glaubt Steinbach.

Er rechnet 2018 in Deutschland mit bis zu 18 Börsengängen. Als heißer Kandidat gilt etwa das Münchner Familienunternehmen Knorr-Bremse. Dem Arzneihersteller Dermapharm gelang schon der erste Börsengang des Jahres, wenn auch holprig inmitten der jüngsten Aktienturbulenzen.
Für Firmen sind die Schaukelbörsen ein Problem. Gefährdet dies den Aufschwung für Börsengänge? Gut aufgestellte und auf den Börsengang vorbereitete Firmen könnten ihre Pläne problemlos etwas schieben, meint Steinbach. Zudem blieben die ökonomischen Bedingungen gut.

Die nahenden Erstnotizen dürften indes unter Profis ausgemacht werden. Die Zeiten, in denen Deutsche Post und Telekom Kleinanleger in Scharen an die Börse trieben, sind vorbei. Zur Jahrtausendwende, als Telekom-Chef Ron Sommer die Börsenglocke läutete und Schauspieler Manfred Krug für die "Volksaktie" warb, waren Börsengänge ein Massenereignis. Der Ausgang ist bekannt: Telekom-Aktien stürzten mit dem Platzen der Internetblase ab, Kleinanleger verloren viel Geld.

Hiesige Aktienkultur hat sich nie erholt


Davon hat sich die hiesige Aktienkultur nie ganz erholt. Nur gut zehn Millionen Bundesbürger besitzen laut Deutschem Aktieninstitut direkt oder über Fonds Aktien, obwohl es bei der Bank kaum Zinsen gibt. Und bei Börsengängen zeichnen kaum noch Privatanleger Papiere.

Das belastet auch den hiesigen Markt für Börsengänge. "Vom ökonomischen Gewicht her müsste Deutschland jährlich rund 40 Erstnotizen verzeichnen", sagt Steinbach. Allerdings bekommen Unternehmen in Deutschland leicht Kredite von der Bank, auch deshalb ist die Finanzierung über die Börse wenig verbreitet.

Auch wenn es 2017 wieder etwas mehr Börsengänge gab: Viel Gewicht bringen die Firmen nicht auf die Waage. Der größte Börsengang, der des Lieferdienstes Delivery Hero, lag bei 990 Millionen Euro, ein Leichtgewicht verglichen mit den Verhältnissen in den USA: Dort kam der Nachrichtendienst Snap auf gut das Dreifache.

Enttäuschende Bilanz hierzulande


Während in Deutschland 2017 alle 14 Börsengänge 2,8 Milliarden Euro einspielten, lag das Volumen in den Vereinigten Staaten laut EY bei 31,6 Milliarden und in China bei fast 40 Milliarden Euro. Manche Experten sind daher von der Bilanz hierzulande enttäuscht. "Deutlich mehr Unternehmen in Deutschland hätten die historisch günstigen Rahmenbedingungen für einen Gang aufs Börsenparkett nutzen können", sagt Klaus Kirchhoff, Chef der Beratungsfirma Kirchhoff Consult.

Für etwas Schub für Börsengänge sorgt das noch neue Segment Scale der Deutschen Börse, das sich an etablierte Wachstumsfirmen richtet. 2017 gab es dort vier - wenn auch kleine - Börsengänge. Der Kontakt zwischen Start-ups und Investoren wird immerhin leichter.

Und noch ein Trend hilft. Tech-Firmen wie die Lieferdienste Delivery Hero oder HelloFresh entschlossen sich für den Börsengang hierzulande - sie hätten auch in New York oder London Investorengeld einsammeln können. Unter Biotech-Firmen etwa ist der Gang ins Ausland längst üblich. "Dass sich Firmen aus dem E-Commerce für Deutschland entscheiden, ist ein gutes Zeichen für den Standort", sagt Steinbach. "Das hat auch Signalwirkung für andere Unternehmen."
(Alexander Sturm, dpa)

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