Wirtschaft

Mit diesem neuen Wasserkraftwerk in Kempten erzeugen die AÜW pro Jahr 10,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Damit können rund 3000 Haushalte versorgt werden. (Foto: AÜW)

02.03.2012

Energieautarkes Allgäu

Regionalversorger beschreitet schon seit dem Jahr 2004 diesen Weg

Schon lange vor der Energiewende hat man bei der Allgäuer Überlandwerke GmbH (AÜW) in Kempten auf den Ausau von eigenen Erzeugungskapazitäten erneuerbarer Energien gesetzt. Aus dem Jahr 2004 stammt die Strategie, die das Unternehmen zum innovativsten Stromversorger Bayerns gemacht hat. „Hier im Hause gab es schon früh einen ausgesprochenen Unternehmergeist, der bis heute das Handeln prägt“, erklärt AÜW-Chef Michael Lucke der Staatszeitung.
Spätestens seit 2007 ist bezüglich der regenerativen Energieversorgung klar, dass das Allgäu beste Karten hat, um sich energietechnisch unabhängig zu machen. Damals führte das AÜW und das Fraunhofer Institut eine gemeinsame, in Bayern einzigartige Studie durch. Sie untersuchten die „Potenziale erneuerbarer und effizienter Stromerzeugung im Allgäu“, kurz PEESA. In Folge ergab die Studie, dass bei einem Ausbau der lokalen Erzeugung von zirka 25 000 Dächer mit Photovoltaik-Anlagen, bis zu 40 Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken als auch Biomasse- und Biogasanlagen mit einem parallel stattfindenden Netzausbau das Allgäu sich wirtschaftlich mit 70 Prozent regenerativem Strom aus der Region versorgen kann (derzeit mehr als 25 Prozent regenerativ erzeugter Strom).Um die 70 Prozent zu erreichen, müssen aber dem AÜW-Chef zufolge 1,2 Milliarden Euro allein im Oberallgäu investiert werden. Dies illustriert, dass die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben ist.
Damit dieser Weg beschritten werden kann, beteiligte sich das Forschungsprojekt AlpEnergy. Es hatte zum Inhalt, Stromerzeugung und Verbrauch wirtschaftlich sinnvoll, effizient und klimaschonend in Einklang zu bringen. Hierbei kann die Elektromobilität als Zwischenspeicher für überschüssigen Strom fungieren. Bei zirka 260 Privatkunden in Buchenberg, Immenstadt, Kempten, Waltenhofen und Wildpoldsried wurden im Rahmen des AlpEnergy-Projekts intelligente Zähler (Smart Meter) eingebaut. Diese senden die Stromverbrauchs- und Stromeinspeisedaten an eine zentrale Datenbank. Ein komplexes Softwaresystem errechnet dann aus diesen Daten eine Prognose für den Folgetag. Diese beinhaltet Über- bzw. Unterdeckung, Zeitreihen und Preisfunktionen. Die AÜW-Kunden konnten dann in einem Internetportal ihren persönlichen Stromverbrauch detaillierter kennenlernen. Wer zum Beispiel zu bestimmten Zeiten die Waschmaschine oder den Trockner laufen ließ, konnte Geld sparen. Denn der Strompreis war in den Sparzonen geringer. Die Einsparungen wurden dem jeweiligen Kunden gutgeschrieben. Monatsrechnungen und Informationsbriefe schufen die nötige Transparenz.
Damit die AÜW-Kunden nicht selbst ständig nach dem günstigsten Tarif schauen mussten, kam das System „Joonior“ ins Spiel. Es sorgt für die Nutzung des jeweils günstigsten Strompreises. Außerdem wurde der Verbrauch der einzelnen Geräte visualisiert und Sparmöglichkeiten durch die Nutzung von „Verschiebepotenzialen“ aufgezeigt. Allerdings gibt AÜW-Chef Lucke zu bedenken – was auch die Ergebnisse des Tests bestätigten: „Solche Systeme rechnen sich für den Verbraucher erst, sollte der Strompreis einmal doppelt so hoch wie jetzt liegen.“ Ausgehend vom heutigen Strompreisniveau würden nur kleine Einspareffekte erzielt. „Oder der Kunde verbraucht deutlich über 6500 Kilowattstunden im Jahr, dann macht der Einsatz dieser Technik schon jetzt Sinn“, so Lucke. Ein komplettes Smart Home
Doch „Joonior“ kann und wird zukünftig noch mehr können. Es sorgt für ein komplettes „Smart Home“, ein intelligentes Heim. So können die Kunden Beleuchtung und Rollläden via Computer, Tablet-PC oder Smartphone fernsteuern. Von überall auf der Welt hat man somit das eigene Haus im Blick. Das System erkennt sogar offene Fenster und Türen. Im Ernstfall kommt es zu einer Alarmierung. Damit sich auch jeder diese schöne neue Technikwelt leisten kann, werden attraktive Preismodelle für den Kunden entwickelt.
So genannte Smart Home-Lösungen sind eine Säule für die Zukunft der Energieversorgung, die zweite Säule sind die Intelligenten Netze: ein so genanntes „smart grid“. Dieses ist nötig, damit die vielen dezentralen regenerativen Stromerzeugungseinheiten wie Photovoltaik-, Biomasse- oder Windkraftanlagen optimal gesteuert werden können. Der Strom muss künftig regelbar von der Erzeugungseinheit zum Verbraucher und umgekehrt fließen können. Ein „smart grid“ wird zurzeit gemeinsam mit Siemens, der Hochschule Kempten sowie der RWTH Aachen in Wildpoldsried getestet.
Insgesamt sieht AÜW-Chef Lucke sein Energieversorgungsunternehmen als „attraktiven und vor allem unabhängigen Arbeitgeber“. Gerade diese Unabhängigkeit ermögliche die vielen Innovationen. Die Allgäuer Überlandwerke erwirtschaften pro Jahr mit über 300 Mitarbeitern rund 190 Millionen Euro Umsatz. Um auf dem Weg der Energiewende auch die nötige Versorgungssicherheit darstellen zu können, setzt man bei AÜW Lucke zufolge auf eine Beteiligung an einem möglichen Gaskraftwerk bei Leipheim in der Nähe von Ulm. Die Beteiligung erfolgt über den deutschen Stadtwerkeverbund Trianel, in dem die AÜW Mitgesellschafter sind. Über Trianel sei man ebenfalls an einem Windparkprojekt vor der ostfriesischen Insel Borkum beteiligt.
(Ralph Schweinfurth)

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