Wirtschaft

Die Geothermieanlage in Unterföhring bei München aus der Vogelperspektive: Als stärkste kommunale Geothermieanlage Deutschlands versorgt sie die Anwohner mit Fernwärme. (Foto: Geovol)

24.10.2014

Erdwärme statt Erderwärmung

Immer mehr Unternehmen im Freistaat nehmen zusammen mit den Kommunen die Energieversorgung selbst in die Hand – mit Erfolg

Die hohen Strompreise machen immer mehr Unternehmen zu schaffen. Allein im Vergleich zu letztem Jahr sind die Kosten um zwei Prozent auf durchschnittlich 15,37 Cent pro Kilowattstunde gestiegen – 50 Prozent gehen dabei für Steuern und Abgaben drauf. Zwölf Prozent der Betriebe haben Ihre Produktion deswegen ins Ausland verlagert, weitere zwölf Prozent planen eine solche Maßnahme. Besonders bei größeren Firmen über 500 Mitarbeitern ist die Stimmung schlecht, wie die neue Studie „Energiewende-Barometer“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertags ergab.
Wegen des stockenden Ausbaus von Netzen und Kraftwerken durch die Politik, werden jetzt immer mehr Unternehmen selbst aktiv. Fast 80 Prozent setzen auf Energieeffizienzmaßnahmen, knapp 40 Prozent auf erneuerbare Energien und rund noch mal so viel auf den Aufbau einer eigenen Energieversorgung. 18 Prozent haben diese sogar schon umgesetzt – doppelt so viel wie noch vor zwei Jahren. Besonders beliebt ist dabei neben fossilen Brennstoffen die Photovoltaik-Technologie.
Um die Vorteile von Wärmenetzen aufzuzeigen und die Vernetzung von Unternehmen mit Gemeinden sowie Behörden weiter voranzutreiben, veranstaltete die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern gemeinsam mit der Regierung von Oberbayern eine Tagung zum Thema „Gewerbe und Kommunen als Energiepartner“. „Die Energiewende kann nur erfolgreich sein, wenn Staat, Kommunen und Wirtschaft in einer starken Allianz gemeinsame Projekte anstoßen, die für die Beteiligten und auch für die Gesellschaft Synergieeffekte mit sich bringen“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen. „Die Kommunen sind oftmals Verbraucher und Versorger zugleich, ihnen fällt die Aufgabe des Koordinators und Motivators zu“, ergänzt Regierungspräsident Christoph Hillenbrand.
Die Nutzung von Erdwärme ist zwar im Freistaat nicht überall möglich. So herrschen beispielsweise in Niederbayern hohe Temperaturen nur sehr tief im Boden. Doch gerade rund um München sind die Voraussetzungen für Geothermie ideal. Natürlich muss in einigen Fällen bis zu 5000 Meter tief gebohrt werden, in anderen Fällen reichen aber gerade einmal fünf Meter. Für die Genehmigungsverfahren ist das Bergamt Südbayern zuständig. Die Behörde verwaltet die Bodenschätze in dieser Region, zu denen neben Kohle und Gold auch die Erdwärme gehört. Vor der Suche benötigen Interessenten eine bergrechtliche Erlaubnis vom Ministerium, eine wasserrechtliche Genehmigung und einen Betriebsplan für einen Fördertest. „Damit nicht jeder Häuslebauer einen Antrag stellen muss, sind Bohrungen im Rahmen der städtebaulichen Nutzung aber jederzeit erlaubt“, versichert der Sachgebietsleiter Peter Freiherr von Pastor.
Aktuell wurden im Freistaat 63 Aufsucheerlaubnisse erteilt und 18 bewilligt – 35 davon betreffen Geothermie. Die große Differenz zwischen Erlaubnissen und Bewilligung erklärt Freiherr von Pastor mit der langen Vorlaufzeit: „Viele sichern sich ein Feld für fünf Jahre und fangen erst dann mit der Projektentwicklung an.“ Die Zulassungsvoraussetzungen sind überschaubar. So ist neben der Nutzungsgenehmigung für das Grundstück lediglich die fachliche Eignung der Gesellschafter und ausreichende Schutzmaßnahmen für Arbeiter sowie Erdoberfläche nachzuweisen. „Der Antragsteller hat ein Anrecht auf Zulassung“, erklärt der Sachgebietsleiter. Ins Schwärmen gerät er, wenn der so genannte Claim auch noch in einem Gewerbegebiet liegt, ans Fernwärmenetz angeschlossen ist und Abnehmer von Prozesswärme vorhanden sind.
Ein solcher Idealfall existiert beispielsweise in Unterföhring. Peter Lohr von der kommunalen Geovol GmbH hat alle Genehmigungsverfahren bereits hinter sich. Die Stadt hatte sich vorgenommen, 60 Prozent der Energie einzusparen und 40 Prozent durch regenerative Energien zu ersetzen. In der Folge entstand ab 2005 die stärkste kommunale Geothermieanlage zu Wärmezwecken. „Jeder Bürger kann jetzt Fernwärme haben“, erzählt Geschäftsführer Lohr stolz. Um die Grabungskosten zu senken, wurden in Kooperation mit einem Internetanbieter zusätzlich zu den Rohrleitungen noch Glasfaserkabel verlegt. Die Anschlusskosten fallen dadurch mit 3000 Euro für Einfamilienhäuser und 21 000 Euro für Gewerbe recht günstig aus. Zukünftig soll noch die Gewinnung von Kälte aus Wärme und ein kleines Wasserkraftwerk hinzukommen.
Ein weiteres Rückgrat der Energiewende in den ländlichen Kommunen ist die Nahwärme aus Biomasse. In Glonn (Landkreis Ebersberg) wurde bereits 2007 ein solches Projekt gestartet – mit erstaunlichen Ergebnissen. „Inzwischen werden dadurch jährlich 742.000 Liter Heizöl eingespart“, versichert Sebastian Henghuber von der MWB Glonn. Vorher wurde in einer Machbarkeitsstudie ein Wärmeatlas erstellt, mögliche Standorte eruiert, Gespräche mit Schlüsselkunden geführt und der Wärmepreiskorridor festgelegt. „Belastbare Zahlen sind ganz wichtig“, bestätigt Geschäftsführer Henghuber. Im Anschluss begannen die Vorplanungen zur Anlage, die Vorverträge mit den Kunden und die Fördermittelbeantragung. „Das Projekt muss sich von Anfang an tragen“, betont der Geschäftsführer. Absichtserklärungen seien nicht ausreichend. Bürgerinitiativen kippten Projekte Viele Projekte für regenerative Energien drohen allerdings wegen Bürgerinitiativen zu scheitern. So auch bei der MBW Glonn. „Plötzlich wurden in der Bevölkerung sehr emotionale Argumente vorgebracht“, erklärt Henghuber. Viele Bürger befürchteten eine Zunahme des Anlieferverkehrs durch die Traktoren. Dadurch gingen zahlreiche Kunden und rund eine Viertelmillion Euro verloren. „Wir haben trotzdem versucht, sachlich zu bleiben“, erklärt Henghuber rückblickend – mit Erfolg. Den Bürgerentscheid gewannen er und seine Mitstreiter mit 58,5 Prozent. Der Verkehr hat seitdem nicht zugenommen. „Nach der Abstimmung fragte mich ein Biomasse-Gegner, wann denn die erste Lieferung kommt“, berichtet Henghuber. „Dabei waren wir damals schon seit zwei Monaten im Betrieb.“ (David Lohmann)

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