Wirtschaft

In Deutschland gibt es immer weniger Fahrschulen. (Foto: dpa)

14.12.2015

Fahrschul-Branche in Deutschland ist auf Talfahrt

Zahl der Fahrschulen ist seit Jahren rückläufig

Probleme haben die deutschen Fahrschulen wahrlich genug. Der eigene Berufsstand ist völlig überaltert. Das Auto als Statussymbol hat für viele junge Menschen ausgedient. Und beinahe wöchentlich macht irgendwo eine Fahrschule dicht. Lichtblicke? Zuletzt eher Fehlanzeige. Hoffnung setzt die Branche mittelfristig ausgerechnet in die Digitalisierung des Straßenverkehrs. Denn zuletzt ging die Zahl der Fahrschulen ebenso deutlich zurück wie die der praktischen Prüfungen. Wurden 2007 noch knapp 1,37 Millionen Prüfungen für den Autoführerschein abgelegt, waren es sieben Jahre später nur noch knapp 1,15 Millionen. Und der Berufsstand des Fahrlehrers? "Völlig überaltert", sagt der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU), Rainer Zeltwanger, in Stuttgart. Laut Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) sind drei von vier Fahrlehrern älter als 45 - und fast jeder Dritte über 60.

Auto hat als Statussymbol ausgedient

Hinzu kommt: Als Statussymbol habe das Auto für viele junge Menschen ausgedient, sagt der BVF-Vorsitzende Gerhard von Bressensdorf. Diese Rolle hätten Smartphones, Reisen und Kleidung übernommen. Vor allem in Großstädten mit gut ausgebautem Nahverkehr ist der Führerschein heute oft überflüssig. Oder, wie Zeltwanger es ausdrückt: "In der Stadt ist ein Auto Mist." In ländlichen Regionen seien junge Menschen indes froh, wenn sie mit 17 die Fahrerlaubnis in der Tasche hätten. Aber braucht es den Führerschein überhaupt noch, wenn das digital vernetzte Auto ohnehin alle Aufgaben des Fahrers übernimmt? Braucht es die Fahrschulen bald noch? Zeltwanger sagt ja. Von Bressensdorf auch: "Ich denke, dass es immer noch einen großen Bereich gibt, wo der Fahrer in der Verantwortung ist." Der Fahrer müsse die Assistenten verstehen und im Notfall schlagartig eingreifen können. Dementsprechend werde sich das Berufsbild des Fahrlehrers ändern. "Die Systeme müssen verstanden und gelehrt werden", sagt von Bressensdorf. Fahrlehrer würden mehr und mehr zu Coaches, die Technik erklären, meint Kollege Zeltwanger.

Beruf wieder attraktiv machen

Ein Aspekt, der den Beruf auch für Jüngere wieder attraktiv machen könnte, glaubt von Bressensdorf. Denn Nachwuchs wird händeringend gesucht. Junge Fahrlehrer als Technik-Coach wirken auf einen 16-Jährigen wohl auch glaubwürdiger als der Kollege im Rentenalter. Apropos Rentenalter: Jetzt schon würden ältere Fahrer regelmäßig nach Schulungen für die neuen Assistenzsysteme fragen, sagt Zeltwanger. Überflüssig, da sind sich beide Branchensprecher natürlich einig, werden Fahrlehrer in absehbarer Zeit nicht. Eine Einschätzung, mit der sie nicht alleine sind. In allen Stufen bis zum automatisierten Fahren sei die Anwesenheit eines Fahrers erforderlich, der bei Bedarf die Kontrolle über den Wagen übernimmt, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium in Berlin. Erst beim autonomen Fahren, der höchsten Automatisierungsstufe also, "übernimmt das System das Fahrzeug vollständig vom Start bis zum Ziel". So steht es in einem Strategie-Papier von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Fahrer wird zum Passagier. Doch das ist Zukunftsmusik. Stand jetzt wird das autonome Fahren gerade mal auf wenigen Strecken getestet - etwa auf der A9 in Oberbayern. In der Stadt kommt das vollautomatisierte Fahren laut Verband der Automobilindustrie (VDA) voraussichtlich erst ab 2030 - komplett fahrerlos wird es noch später. Und dann wird es noch Jahrzehnte dauern, bis der gesamte Auto-Bestand auf deutschen Straßen gegen Digital-Wagen ausgetauscht wurde. Nicht zu sprechen von der Infrastruktur, die Datenübertragung im höchsten Tempo sowie Sensoren in Bauwerken und Signalanlagen erfordert. Ulrich Chiellino, Verkehrspsychologe des ADAC in München, vergleicht den Autofahrer von morgen mit dem Piloten von heute. "Der fliegt auch automatisiert, ist aber hin und wieder gezwungen, die Maschine zu übernehmen." Deshalb ermuntert er Autofahrer dazu, die Assistenten ab und zu auszuschalten und - etwa das Einparken - wieder selbst zu übernehmen. "Der Fahrlehrer wird weiter gebraucht", sagt VDA-Sprecher Eckehart Rotter. Aufgabe des Fahrlehrers sei auch, jungen Menschen deutlich zu machen, wie viel Aufmerksamkeit der Straßenverkehr erfordert - auf der Autobahn, auf der Landstraße und in der Stadt. Denn imNotfall trage der Fahrer auch künftig die Verantwortung für seinen Wagen. "Er ist der Chef und er bleibt auch noch viele Jahre der Chef. Allerdings wird er von immer mehr Assistenten unterstützt."
(Michael Winde, dpa)

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