Wirtschaft

Oftmals finden Langzeitarbeitslose über die Zeitarbeit zurück in ein normales Arbeitsleben. (Foto: dpa)

20.03.2015

Firmen wünschen sich Flexibilität beim Personaleinsatz

Kongress der vbw zu Werkverträgen und Zeitarbeit

Damit Unternehmen flexibel auf Auftragsspitzen reagieren können, ohne dauerhaft neues Personal einstellen zu müssen, dass bei Auftragsflauten betriebsbedingt gekündigt werden muss, sind Werk- und Dienstverträge sowie Zeitarbeit unverzichtbare Instrumente. Darauf hat die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. auf ihrem Deutschland hat Zukunft-Kongress „Drittpersonaleinsatz – Werkvertrag und Zeitarbeit“ in Nürnberg hingewiesen.
„Die Fertigung in den Unternehmen wird zu über 60 Prozent von Stammpersonal übernommen, so eine Studie der Uni Augsburg“, sagte Frank Rahmstorf, Leiter der Grundsatzabteilung Recht bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Er sieht Werk- und Dienstverträge als Ausdruck der Spezialisierung in der Wertschöpfungskette. Bei der Zeitarbeit betont er, dass diese lediglich 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betreffe. Rahmstorf betonte, dass es weiterhin unternehmerische Entscheidung bleiben muss, ob Leistungen im Unternehmen erbracht oder zugekauft werden. Über „make or buy“ entscheide man ja im Privatleben auch selbst.
Pläne laufen gegen unternehmerische Haftung
„Ob ich das Bad selbst renoviere, oder das einen Handwerker machen lasse, bestimme ich. Ob ich das Auto in die Werkstatt bringe, oder selbst repariere, lege ich fest“, so Rahmstorf. Genauso sei das bei Unternehmern. Hier, wie von einigen Politikern gewollt, eine Zustimmung des Betriebsrats gesetzlich verpflichtend einzubauen, laufe der unternehmerischen Haftung entgegen.
Luise Klemens, Landesbezirksleiterin Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) aus München, sieht das ganz anders: „Werkverträge sind hoch ungeschützt. Es gibt kaum noch unbefristete Verträge oder Einstellungen bei jungen Leuten.“ Das mache deren Familienplanung nahezu unmöglich, wenn sie sich von Werkvertrag zu Werkvertrag hangeln. „Unser Ziel ist es, das Normalarbeitsverhältnis zu schützen und Kettenbefristungen zu beenden“, sagte Klemens.
Dem entgegnete vbw-Mann Rahmstorf, dass Befristungen nicht zunehmen würden. Eher hätten die Betriebe Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Er betonte auch, dass die vermeintlich nicht regulierten Werkverträge durchaus rechtlich durchreguliert seien. Denn der Zukauf von Waren und Leistungen müsse möglich sein. „BMW zum Beispiel kauft Getriebe ein, genauso wie viele Betriebe IT-Dienstleistungen einkaufen“, verdeutlichte Rahmstorf die Notwendigkeit von Werk- und Dienstverträgen.
„Wir können nicht feststellen, dass den Unternehmen die Fachkräfte ausgehen“, konterte Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des iGZ – Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen aus Münster. Er verdeutlichte die enormen Chancen der Zeitarbeit. Für viele Arbeitnehmer sei es eine Möglichkeit, nach der Arbeitslosigkeit wieder in Arbeit zu kommen. Und für viele Unternehmen sei es eine Möglichkeit, Auftragsspitzen abzufedern.
Dass die Politik wieder mehr regulieren will bei Werkverträgen und Zeitarbeit liegt nach Ansicht aller Podiumsdiskutanten bei der vbw-Veranstaltung in Nürnberg an der hohen Missbrauchsquote. Doch laut Rahmstorf würden die gesetzlichen Sanktionen bereits ausreichen, um Missbrauch zu verhindern. Nur müssten die Behörden auch genügend personelle Ressourcen haben, um effektiv gegen den Missbrauch vorgehen zu können.
Ein weiters Problem rund um das Thema Zeitarbeit ist laut Rahmstorf die vom Gesetzgeber geplante Verkürzung der Überlassungsdauer von derzeit 24 auf 18 Monate. Lange Überlassungszeiten gebe es fast nur noch in hochqualifizierten Bereichen, etwa in der Projektarbeit. „Es wäre absurd, diese Einsätze vorzeitig beenden zu müssen, weil die Überlassungshöchstdauer des Zeitarbeiters erreicht ist“, so Rahmstorf. In einem weiteren Punkt passen die 18 Monate ebenfalls nicht. So sind bei der Pflege von Angehörigen vom Gesetz Familienpflegezeiten von bis zu 24 Monaten vorgesehen. Mitarbeiter, die einen Angehörigen pflegen, werden häufig durch Zeitarbeiter ersetzt. Hier entsteht eine Lücke von sechs Monaten.
Gewerkschaftsfrau Klemens plädiert allerdings für befristete Beschäftigung. Wenn eine Mitarbeiterin eines Unternehmens für zweieinhalb Jahre in Elternzeit gehe, spreche aus ihrer Sicht nichts dagegen, für exakt diesen Zeitraum eine Ersatzkraft einzustellen.
Dem entgegnete iGZ-Hauptgeschäftsführer Stolz, dass es für den Arbeitnehmer in diesem Fall doch komfortabler sei, wenn er Zeitarbeiter ist, da sein Zeitarbeitsunternehmen, bei dem er angestellt ist, für eine Anschlussbeschäftigung sorgt, wenn die zweieinhalb Jahre Elternzeit vorüber sind. Bei der befristeten Beschäftigung, wie es Klemens favorisiert, hätte er den Stress, sich selbst einen neuen Job suchen zu müssen.
Gesetzesnovellierungen in den Bereichen Werkverträge und Zeitarbeit wird es aber frühestens im kommenden Jahr geben, betonte der oberbayerische CSU-Bundestagsabgeordnete Tobias Zech. „Das dritte Quartal 2015 war Ziel, doch daraus wird nichts.“
(Ralph Schweinfurth)

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