Wirtschaft

Bei Mahnungen werden oft zu hohe Gebühren verlangt. (Foto: dpa)

19.06.2015

Freche Abzocke

Zahlreiche Gerichte haben sich mit der Höhe von Mahngebühren beschäftigt – in keinem Fall wurden Entgelte von mehr als 2,50 Euro für rechtens erachtet

Wer etwa seine Hotelübernachtung stornieren muss, für den kann es schon einmal richtig teuer werden: Bei einem Anbieter musste ein Mann, der vergessen hatte, Kosten von 34 Euro für das nicht von ihm belegte Zimmer zu bezahlen, bereits nach vier Wochen 40 Euro Mahngebühren bezahlen – er hatte zwei Mahnungen im Spam-Ordner seines E-Mail-Fachs übersehen. Nicht nur Verbraucherschützer halten solche Summen für deutlich zu hoch. Auch die deutschen Gerichte haben hier klare Grenzen gesetzt: So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im vergangenen Jahr, von Vodafone damals erhobene Mahngebühren in Höhe von neun Euro seien rechtswidrig. Die Summe würde den „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden“ für das Mobilfunkunternehmen übersteigen, so die Richter (Az. I-6 U 84/13). 1,50 Euro seien ausreichend, hatte zuvor bereits das zuständige Landgericht entschieden. Nachdem der Konzern die Gebühren nicht gleich, sondern erst in der Folgezeit absenkte, verhängten die Richter ein fünfstelliges Ordnungsgeld. Das OLG ging von einem Millionenschaden zu Lasten der Kunden aus.

Zweistellige Mahngebühren


Unisono urteilten Richter quer durch die Republik, Firmen dürften von säumigen Verbrauchern nur die Mahnkosten kassieren, die auch tatsächlich entstanden sind. Dies seien die Ausgaben für Papier, Druck und Porto. Auch Verzugszinsen, die in der Regel im Centbereich liegen, können Unternehmen mitunter geltend machen. Allgemeine Personal- und Verwaltungskosten dürfen Firmen den Kunden dagegen nicht in Rechnung stellen. Das OLG München hatte deshalb 2011 im Fall eines Stromversorgers sogar gerade einmal 1,20 Euro für rechtens gehalten.

Einzelne Banken verlangen dennoch noch immer zweistellige Mahngebühren. Jahrzehntelang war etwa eine 42-jährige Münchnerin bereits Kundin bei ihrem Geldinstitut. Die Raten ihres Kredits hatte sie immer pünktlich bezahlt, doch im November vergangenen Jahres ging die Rate erstmals nicht ab – prompt verlangte die kleine Genossenschaftsbank zehn Euro Mahngebühren.


Auch in anderen Branchen kann es schnell teuer werden: Der Reiseveranstalter Thomas Cook hat noch im März dieses Jahres für die erste Erinnerung 15 Euro und für die zweite Mahnung 25 Euro verlangt. Mittlerweile hat die Firma das Entgelt nach Angaben einer Sprecherin pro Erinnerungsschreiben auf 4,90 Euro abgesenkt. Hinzu kommen aber im Fall von gescheiterten Abbuchungen vom Konto noch sieben Euro Rücklastschriftgebühren. Aus Sicht von Verbraucherschützern sind beide Summen noch immer zu hoch. Beim Konkurrenten TUI sind es aktuell immerhin noch zehn Euro für die zweite Mahnung fällig.

Versandhändler verlangen mehr als fünf Euro Mahngebühr

Der Internetgigant 1 und 1 verlangt von Kunden, die Ihren Mitgliedsbeitrag für den Web.de-Club nicht pünktlich bezahlen, eine Unkostenpauschale von 7,50 Euro. Fünf Euro sind als „Mahngebühr“, weitere 2,50 Euro als „Mahnversandkostengebühr“ tituliert. Ein Sprecher rechtfertigt das Entgelt: „Die Berechnung der Mahngebühren ergibt sich aus verschiedenen unternehmerischen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Einfordern der offenen Beträge entstehen.“ Und auch mehrere führende Versandhändler sollen zuletzt mitunter deutlich mehr als fünf Euro für Mahnungen verlangt haben.

„Viele große Firmen verlangen zu hohe Mahngebühren“, sagt Tatjana Helm, Juristin der Verbraucherzentrale Bayern. Sie ignorierten die aktuelle Rechtsprechung schlicht zu Lasten der Kunden. „Wenn Unternehmen mehr als drei oder vier Euro verlangen, ist klar davon auszugehen, dass das vor Gericht keinen Bestand hätte.“
Verbraucherschützer raten, keinesfalls mehr als 2,50 Euro an Mahngebühren zu bezahlen. Ein abschließendes und für alle Firmen verbindliches Urteil des Bundesgerichtshofs steht bislang jedoch aus. Somit müssen Verbraucherschützer zu hohe Entgelte für Erinnerungsschreiben jeweils im Einzelfall abmahnen. Vor allem Telefon- und Internetanbieter gerieten jüngst das Visier der Konsumentenvertreter: So erreichte der Deutsche Verbraucherschutzverein 2014, dass ein Gericht eine von der CallMobile AG erhobene Mahngebühr von zehn Euro für unzulässig erklärte. Oft fehlen den Verbraucherschützern aber schlicht die finanziellen Mittel, um gegen hohe Gebühren gerichtlich vorzugehen. Dabei wäre dies sicher notwendig.

Mahngebühr auf die Mahngebühr

Viele Firmen pochen darauf, dass man die jüngsten Gerichtsentscheidungen zum Thema nicht auf die von ihnen erhobenen Entgelte übertragen könne. So argumentiert etwa der Mobilfunkanbieter O2, eine Telefonica-Tochter, der für Mahnungen erhobene Betrag von fünf Euro sei definitiv zulässig. Pikant: Wenn der Kunde zwar seine reguläre Rechnung bezahlt, nicht jedoch die vollen fünf Euro Mahngebühr, werden über Monate hinweg ein ums andere Mal jeweils fünf weitere Euro fällig – als Mahngebühr auf die Mahngebühr.


Ein Problem sind hohe Mahnkosten mitunter auch für Privatversicherte. Denn deren Krankenversicherungen lassen sich oft wochenlang Zeit, bis sie dem Kunden Arztrechnungen erstatten. Doch viele Abrechnungsdienste der Praxen und Labore verlangen bereits wenige Wochen nach Rechnungsstellung saftige Mahngebühren. Eine bayerische Abrechnungsstelle kassiert stolze 8,50 Euro, wenn der Patient zu spät überweist. Beim Augsburger Anbieter für Labordienstleistungen Synlab werden für die erste Zahlungserinnerung fünf Euro fällig - mitunter mahnt die Firma bereits rund einen Monat nach Rechnungsstellung Kunden ab. Ein Sprecher betont, man habe auf die Bezahlung der Rechnung durch die Versicherungen keinen Einfluss: „Die Höhe unserer Mahngebühr entspricht dem tatsächlichen Mehraufwand.“

Kunden wissen nichts

Bei manchen Konzernen weiß der Kunde beim Unterschreiben eines Vertrags gar nicht, wie teuer es werden kann, wenn einmal eine Abbuchung platzt. Denn nicht alle Firmen machen die Entgelte für Zahlungserinnerungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Preislisten transparent – so etwa Vodafone. Bis Anfang April verlangte der Konzern von privaten Mobilfunkkunden in der Regel eine Mahngebühr von 6,50 Euro ohne dies jedoch in den AGB anzuführen. Nun haben die Düsseldorfer dieses Entgelt nach eigenen Angaben auf drei Euro gesenkt, plus 5 Euro Rücklastschriftgebühr bei geplatzten Zahlungen. Der Deutsche Verbraucherschutzverein hatte gegen die 6,50 Euro geklagt. Der Konzern hatte die Gebühr zuvor nicht weiter absenken wollen, da säumige Zahlungen hohen internen Aufwand und Kosten verursachten – doch die Richter sahen dies, wenig überraschend, anders als das Unternehmen.


Die Münchner Bankkundin hat ihrem Geldhaus dagegen nur 2,50 Euro überwiesen und auf die Rechtsprechung verwiesen – seither ließ das Institut nichts mehr von sich hören. (Tobias Lill)

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