Wirtschaft

Der Meisterbrief steht für Qualität im Handwerk. (Foto: HWK München/Schuhmann)

15.01.2016

Hände weg vom Meisterbrief!

CSU-Europaabgeordnete kritisieren die EU-Kommission

Die EU-Kommission gilt als liberal gesinnt und als Befürworterin der Gewerbefreiheit, die Handwerker nicht. Sie fürchten um den Schutz ihres Berufsstandes. Vertreter des bayerischen Handwerks kamen letzte Woche extra nach Brüssel gereist, um der EU-Kommission auf einem parlamentarischen Abend in der Ständigen Vertretung Bayerns ihre Besorgnis mitzuteilen. Immerhin hat ein Fünftel der rund ein Millionen Handwerksbetriebe in Deutschland seinen Sitz in Bayern. Damit demonstrierten die bayerischen Handwerksbetriebe ihre Skepsis zur neuen Binnenmarktstrategie der EU-Kommission, die sie Ende Oktober präsentiert hatte. Dabei hatte die EU-Zentrale immer wieder bekräftigt, keinerlei Absicht zu haben, den Meisterbrief abzuschaffen. Sie tat es auf der Veranstaltung in der Brüsseler Bayern-Vertretung nochmals. Die Skepsis blieb.

Meisterbrief ist ein Unikum in der EU


Der Meisterbrief (und das damit zusammenhängende duale Ausbildungssystem) ist eigentlich ein Unikum in der EU. Es gibt ihn nur in Deutschland, Österreich, Luxemburg und im deutschsprachigen Landesteil Belgiens. Südtirol hatte ihn auch. Heute ist er dort keine Pflicht mehr. Einen europäischen Dachverband für das Handwerk gibt es in Brüssel nicht, nur einen für den Mittelstand (CEA-PME). An dessen Sitz ist der Zentralverband des deutschen Handwerks untergebracht.

Die EU-Kommission wiederholte es auf dem parlamentarischen Abend sogar auf Deutsch. „Der Meisterbrief wird nicht infrage gestellt“, sagte Claire Bury zuständig in der Binnenmarktabteilung der EU-Kommission (GD „Growth“) für die Modernisierung des Binnenmarkts. „Die Kommission reguliert oder dereguliert keine Berufe.“
Geglaubt wurde es nicht so richtig. Monika Hohlmeier, Tochter des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und seit 2009 CSU-Abgeordnete im EU-Parlament, empörte sich: „Wenn ich von der EU-Kommission das Wort ‚Flexibilität’ höre, werde ich misstrauisch.“ Sie verstehe nicht, warum die EU-Kommission die Qualitätsstandards bei Berufen herunterschrauben wolle. Das solle sie doch lieber bei Wachskerzen und Glühbirnen tun. Ihre Kollegin und Parteifreundin, Angelika Niebler, schon seit 1999 CSU-Europaabgeordnete, übte ähnliche Kritik über die neue Binnenmarkt-Strategie, mit der die EU-Kommission vor allem den freien Dienstleistungsverkehr in der EU stimulieren will: „Freiberufler, Rechtsanwälte, Handwerker, warum soll das auf den Prüfstand gestellt werden?

Anfang 2016 will die EU-Kommission klären, wo Reformbedarf der Mitgliedstaaten bei den reglementierten Berufen ist. Davon gibt es über 5000 in der EU, in einigen Ländern sind es 400, in anderen weniger als 100. Zu den reglementierten Berufen zählen natürlich auch die Handwerksberufe. Laut Handwerksordnung, die 2004 novelliert wurde, gibt es in Deutschland 41 zulassungspflichtige, also den Meisterbrief erfordernde Gewerbe, 53 zulassungsfreie und 57 handwerksähnlichen Gewerbe. Die meisten der zulassungspflichtigen Gewerbe sind im Bereich Metall/Elektro (43 Prozent) und im Bau- und Ausbaugewerbe (26 Prozent). Von den 202.662 Handwerksbetrieben in Bayern gehören 37 Prozent zum Ausbaugewerbe und 11 Prozent zum Bauhauptgewerbe. Und gerade die baunahen Dienstleistungen will die EU-Kommission näher untersuchen. Der Grund: Gerade hier finde fast kein grenzüberschreitender Wettbewerb statt, wie dem 109-seitigen Arbeitsdokument zur neuen Binnenmarkt-Strategie zu entnehmen ist.

Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen funktioniert


Lothar Semper, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Handwerkstages (BHT), sieht indes keine Behinderung des europäischen Wettbewerbs durch den deutschen Meisterbrief. Die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen funktioniere. Ausländische Handwerker dürften ohne deutschen Meisterbrief vorübergehend in Deutschland Leistung erbringen, wenn sie eine zweijährige Tätigkeit im anderen EU-Staat nachweisen könnten. Offensichtlich ist es auch für ausländischen Handwerker in Bayern nicht schwer, sich dort fest niederzulassen. Laut Angaben des BHT waren am 31. Dezember 2014 rund 13.000 oder sechs Prozent der 202.662 Handwerksbetriebe in Bayern in Händen von Betriebsinhabern aus den neuen 13 EU-Ländern, das heißt jenen osteuropäischen Ländern, die seit 2004 beigetreten waren.

Wer als Ausländer in Bayern Handwerksleistungen erbringen wolle, oder umgekehrt als Bayer im europäischen Ausland, finde leicht einen sachkundigen Ansprechpartner, der über die hiesigen oder dortigen Bedingungen informiere, sagte BHT-Chef Semper. Allein die Handwerkskammer München beschäftige in ihrer zu diesem Zweck eingerichteten Kontaktstelle fünf Personen.

Dass die EU-Kommission doch liberal tickt, verriet die Äußerung von Martin Frohn, Referatsleiter und zuständig für berufliche Qualifikation in der GD Growth. „Warum überlassen Sie den Qualitätswettbewerb nicht dem Markt?“, fragte er Lothar Semper. Denn der hatte gesagt, das Handwerk stehe nicht im Preis-, sondern im Qualitätswettbewerb. Der Verbraucher wolle Qualität und der Meisterbrief garantiere sie. Die CSU-Europaabgeordnete Niebler: „Der Markt reguliert nicht alles.“ Und die CSU-Europaabgeordnete Hohlmeier: „Wie viele Länder bilden überhaupt aus?“

Semper sieht im Meisterbrief einen Grund für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Bayern (Deutschland und Österreich). Nur wer einen Meisterbrief habe, bilde aus. Bei den zulassungsfreien Gewerben handle es sich meistens um Ein-Mann-Betriebe. Meister, Geselle, Lehrling: Dieser Dreiklang sei Voraussetzung für Ausbildung. Rund 72.000 Auszubildende machen in Bayern derzeit eine Handwerkslehre, 310.000 in ganz Deutschland.

„Wir finden das duale System doch gut“


Widerspruch von der EU-Kommission kam nicht. „Wir finden das duale System doch gut.“ Man wolle doch nur darüber reden, was man verbessern könne. Ein „analytisches Rahmenwerk“, nannte es Martin Frohn von der GD Growth. Gemeint ist, dass die Mitgliedstaaten ihre Vorschriften zur Reglementierung von Berufen prüfen. „Vielleicht kann man doch was ändern.“ Die anderen EU-Staaten könnten sich doch mal was von Deutschland und Österreich abgucken, meinten einige Teilnehmer. Aber das im Ausland bewunderte duale System kann wohl nicht so leicht übernommen werden. Semper berichtete, dass er Auslandsdelegationen immer wieder erklären musste, warum die Lehrlinge ein Lehrlingsgehalt bekämen. „Ich habe nur Kopfschütteln gesehen.“
„Ein Zurück ins Mittelalter mit seinen Zünften wollen wir nicht“, sagte Gert Lanz, Leiter des Wirtschaftsverbands Handwerk in Südtirol, wo das Handwerk ähnliche Traditionen habe wie in Deutschland und Österreich. Aber da, wo es gut funktioniere, solle man es weitermachen lassen wie bisher.
(Rainer Lütkehus)

INFO: Was die Kommission 2016 vorhat


1. Gesetzgebungsvorschlag zur Einführung eines „Dienstleistungspasses“ für Schlüsselbranchen wie Bau und Unternehmensdienstleistungen. Einen solchen Pass sieht die geänderte Richtlinie aus dem Jahre 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vor. Die Richtlinie müssen die EU-Länder bis zum 18. Januar 2016 umgesetzt haben. Der Ausweis soll es Dienstleistern, darunter Handwerkern leichter machen, grenzüberschreitend mobil zu sein. Zuständig sollen die nationalen Behörden sein.

2. Informationsmaterial zum Reformbedarf der Mitgliedstaaten im Bereich reglementierte Berufe.

3. Analyseraster für die Mitgliedstaaten, ihre Vorschriften zur Reglementierung von Berufen zu prüfen.

4. Gesetzesvorschlag, mit dem regulatorische Hindernisse für Unternehmensdienstleistungen und Baudienstleistungen abgebaut werden.

Kommentare (2)

  1. Minnemann am 17.01.2016
    Hallo Kollegen,
    als Handwerksmeister bin ich ein Fan der dualen Ausbildung. Was ich jedoch bemängeln muss ist die zu niedrige Bezahlung der Meister. In keinem Land sind die Qualitätsstandards und Anforderungen so hoch wie bei uns, dennoch wird der finanzielle Ausbildungsaufwand und das Engagement des Arbeitnehmers nach bestandener Meisterprüfung zu wenig gewürdigt. Zu viele Meister werden ausgebildet, dadurch sinkt der Preis (Lohn), wie bei jedem Überangebot. Die Ursache liegt in der Betriebspolitik der Handwerkskammern, diese zielt darauf ab das man an der Ausbildung der Meister möglichst viel verdient, der Wasserkopf der HWK will finanziert sein. Immer mehr junge Leute verzichten auf den Meisterbrief weil sich die Investition nicht rechnet. Wie mir kürzlich ein KFZ-Jung-Meister berichtete geht er mit Netto 1480,- Euro am Monatsende nachhause, ein Plus zu seinen letzten Gesellenlohn von 85,-€. Es wird höchste Zeit, dass die überteuerte Meisterausbildung von den Handwerkskammern weg genommen wird und in Berufsschulen und/oder Hochschulen stattfindet. Meine Meisterprüfung kostete mir mit Verdienstausfall 30.000 Euro dafür kann ein Abiturient promovieren. Mit welchen Recht muss ein Meister für seine Ausbildung bezahlen und ein Bachelor/Master nicht?

    Ein Meister erlangt die Hochschulzugangsberechtigung muss jedoch bei einem Abendstudium an der OTH-Weiden-Amberg pro Monat knappe 300 Euro bezahlen, was eine Diskriminierung von Handwerkern darstellt. Mir stellt sich die Frage warum muss ein Schüler für eine Hochschulausbildung nichts bezahlen ein Handwerker der bereits Steuern gezahlt und sich am deutschen Sozialsystem eingebracht hat jedoch schon?
    Das Argument der Hochschule, Meister haben nur abends Zeit und die Professoren müssen daher Extraleistungen erbringen ist aus meiner Sicht eine billige Ausrede um sich ein Zubrot zu verdienen. Der allgemeine Unterricht an Hochschulen kann auch auf Uhrzeiten verlagert werden die keine Mehrkosten verursachen, man muss nur den politischen Willen dazu aufbringen die Abzocke abstellen zu wollen.

    Es wird immer vergessen, Bachelor/Master und Dr haben bis zu ihren Abschluss nur belegt, dass sie in der Lage sind 15 Jahre lang Wissen in einem Kopf einzulagern und dieses evtl. bei Bedarf abzurufen. Meister lagern Wissen ein und haben mit der Meisterprüfung bewiesen das eingelagerte Wissen nach Abruf praktisch anwenden zu können.
  2. Minnemann am 17.01.2016
    Hallo Kollegen,
    als Handwerksmeister bin ich ein Fan der dualen Ausbildung. Was ich jedoch bemängeln muss ist die zu niedrige Bezahlung der Meister. In keinem Land sind die Qualitätsstandards und Anforderungen so hoch wie bei uns, dennoch wird der finanzielle Ausbildungsaufwand und das Engagement des Arbeitnehmers nach bestandener Meisterprüfung zu wenig gewürdigt. Zu viele Meister werden ausgebildet, dadurch sinkt der Preis (Lohn), wie bei jedem Überangebot. Die Ursache liegt in der Betriebspolitik der Handwerkskammern, diese zielt darauf ab das man an der Ausbildung der Meister möglichst viel verdient, der Wasserkopf der HWK will finanziert sein. Immer mehr junge Leute verzichten auf den Meisterbrief weil sich die Investition nicht rechnet. Wie mir kürzlich ein KFZ-Jung-Meister berichtete geht er mit Netto 1480,- Euro am Monatsende nachhause, ein Plus zu seinen letzten Gesellenlohn von 85,-€. Es wird höchste Zeit, dass die überteuerte Meisterausbildung von den Handwerkskammern weg genommen wird und in Berufsschulen und/oder Hochschulen stattfindet. Meine Meisterprüfung kostete mir mit Verdienstausfall 30.000 Euro dafür kann ein Abiturient promovieren. Mit welchen Recht muss ein Meister für seine Ausbildung bezahlen und ein Bachelor/Master nicht?

    Ein Meister erlangt die Hochschulzugangsberechtigung muss jedoch bei einem Abendstudium an der OTH-Weiden-Amberg pro Monat knappe 300 Euro bezahlen, was eine Diskriminierung von Handwerkern darstellt. Mir stellt sich die Frage warum muss ein Schüler für eine Hochschulausbildung nichts bezahlen ein Handwerker der bereits Steuern gezahlt und sich am deutschen Sozialsystem eingebracht hat jedoch schon?
    Das Argument der Hochschule, Meister haben nur abends Zeit und die Professoren müssen daher Extraleistungen erbringen ist aus meiner Sicht eine billige Ausrede um sich ein Zubrot zu verdienen. Der allgemeine Unterricht an Hochschulen kann auch auf Uhrzeiten verlagert werden die keine Mehrkosten verursachen, man muss nur den politischen Willen dazu aufbringen die Abzocke abstellen zu wollen.

    Es wird immer vergessen, Bachelor/Master und Dr haben bis zu ihren Abschluss nur belegt, dass sie in der Lage sind 15 Jahre lang Wissen in einem Kopf einzulagern und dieses evtl. bei Bedarf abzurufen. Meister lagern Wissen ein und haben mit der Meisterprüfung bewiesen das eingelagerte Wissen nach Abruf praktisch anwenden zu können.
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.