Wirtschaft

Wagnermeister Michael Ress in den Räumen seiner Firma in Schwebheim. (Foto: dpa)

30.12.2014

Klimawandel ärgert Schlittenbauer

Endlich Schnee. Doch trotz der aktuellen Winterfreuden müssen Schlittenbauer ums Überleben kämpfen und sich andere Nischen suchen

Es ist mitten im Winter. Die Mitarbeiter des Kutschenherstellers Ress im unterfränkischen Schwebheim haben alle Hände voll zu tun. In der Sattlerei kümmern sich die einen um die Aufbereitung eines Oldtimers, andere produzieren Schaukelkufen für Stühle. Nur die Schlittenproduktion steht so gut wie still - die Aufträge fehlen. Das einstige Kerngeschäft des Betriebs spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Gründe dafür sind der Klimawandel und die Konkurrenz aus Polen und Tschechien.
In vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Beruf des Wagners, aus dem die Schlittenbaubranche entstand, drastisch an Bedeutung verloren. "Ende 1997 gab es noch 210 reine Wagnerbetriebe in Bayern", sagt Lothar Semper, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Heute sei die Zahl bis auf etwa 60 Betriebe gesunken. Auch wenn der Beruf vor sechs Jahren aus der Handwerksordnung gestrichen wurde und jetzt in den Karosserie- und Fahrzeugbauern aufgegangen ist, sei der Beruf nicht unwichtig: "Für uns ist jeder Handwerksberuf von Bedeutung", sagt Semper. "Vor allem solche wie der des Wagners, die das traditionelle Handwerk noch beherrschen." Doch dieser Wandel gehöre eben zur Wirtschaft dazu. Dafür entstünden auch neue Berufe.
Michael Ress ist Wagnermeister und hat 30 Jahre lang selbst ausgebildet. Er bedauert das Aussterben des Wagners trotz allem. "Ich hab um meinen Beruf gekämpft - vergebens."

Innerhalb von fünf Jahren sind die Aufträge weggebrochen

Bereits vor mehr als 100 Jahren begann die Firma mit dem Bau von Holzrodelschlitten, die auch bis vor einigen Jahren das Hauptprodukt des Betriebes waren. "2009 war ein besonders schneereicher Winter, da lief die Produktion auf Hochtouren", erinnert sich der 60-Jährige. Damals habe man sieben Wochen lang rund um die Uhr arbeiten müssen, um die Nachfrage decken zu können und sei auf eine Rekordsumme von 56 000 verkauften Schlitten gekommen.
Innerhalb von fünf Jahren sind nun die Aufträge weggebrochen - nun stehen nur noch rund 10 000 Schlitten in den Büchern. "Das Ganze steht und fällt nun mal mit dem Wetter", sagt Ress. Falls der derzeitige Wintereinbruch noch ein bisschen bleibt, ist Ress gerüstet - das Material für circa 10 000 Schlitten hat er da.
Auch die Konkurrenz aus Polen und Tschechien macht ihm das Geschäft schwer. Die Schlitten aus Schwebheim werden aus regionalem Holz in Handarbeit gefertigt. "Das Holz muss zurecht geschnitten, verleimt und auf Form gebogen werden", sagt Ress. "Danach schneiden wir es auf die passende Länge und Breite, bohren die Löcher, bauen die Einzelteile zusammen und lackieren den fertigen Schlitten." Da könne er preislich mit der ausländischen Konkurrenz nicht mithalten.
Obwohl die Qualität seiner Rodel natürlich eine ganz andere sei. Das sei auch ein "Nachteil" seiner Produkte: "Wenn man was mit Qualität macht, das so lange hält, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Leute Jahre lang nicht mehr kommen müssen". Die Meisten kämen erst dann wieder, wenn es darum geht, einen Schlitten für den Enkel zu besorgen. Deshalb habe er zwar immer noch Kundschaft, nur die Stückzahl sei eben das Problem. Schlittenbauer gäbe es in Deutschland deshalb wahrscheinlich auch keine fünf mehr, glaubt der 60-Jährige. Die Preise seien einfach im Keller. Der Verdienst pro Schlitten liege im "Pfennigbereich".

Seit mehr als 300 Jahren exisitiert der Betrieb

Zur Zeit hat der Betrieb rund 1000 Abnehmer für seine Rodel, darunter ein Online-Versandhaus. Aber auch Sportgeschäfte und Baumärkte zählen zu den Kunden.
Das Schlittengeschäft will Ress auf keinen Fall aufgeben. Seit mehr als 300 Jahren existiert der Betrieb nun schon, er führt es in achter Generation und sein Sohn arbeitet auch schon im Unternehmen. Deshalb will er sein Glück auch bald in den Vereinigten Staaten versuchen. Dort habe es in den vergangenen Jahren viel mehr geschneit als in Deutschland. "Qualitätsprodukte "Made in Bavaria" kommen bei Amerikanern sehr gut an", weiß Ress. "Wahrscheinlich müsste ich dann die Leisten an meinen Schlitten breiter machen um die ganzen Warnhinweise drauf zu bekommen", scherzt er.  
Des Weiteren hat sich Ress auch auf den Bau von Rennrodelschlitten spezialisiert. "Man muss immer flexibel sein und sich Nischen suchen, in denen Arbeit da ist", betont der Franke. Skifahren sei in den letzten Jahren immer teurer geworden und so würden Skigebiete nun öfter auf Naturrodelbahnen setzen. Dafür seien seine Rennrodler besonders geeignet.  (Ann-Christin Brandt, dpa)

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