Wirtschaft

1500 neue große Windkraftwerke sollen in den nächsten zehn Jahren in Bayern errichtet werden. (Foto: Wraneschitz)

09.09.2011

Kollektives Aha-Erlebnis

Umweltverbände sind erfreut über den Vorstoß des bayerischen Umweltministers Söder zur Windenergie

Die Energiewende ist ein Geschenk, ein zukunftsfähiger Weg und eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, ist Hubert Weinzierl sicher. Für den Präsidenten des Deutschen Naturschutzrings (DNR biete sich gerade Bayern für In-vestitionen in Windenergie an: „Hier sind wir gemeinsam mit Baden-Württemberg Schlusslicht“, bei Solarstromanlagen liege Bayern dagegen an der Spitze.
„1500 große Windkraftwerke in den nächsten zehn Jahren“ will Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) zu den 439 (Stand 30. Juni 2011) bereits laufenden dazustellen. Damit wäre dann 10 Prozent der hiesigen Stromversorgung abzudecken, rechnet der Umweltminister vor. Doch nicht der Staat will investieren, sondern private Geldgeber sollen diese Energiewende finanzieren.
1500 Windmühlen für Bayern in der heute üblichen Leistungsklasse von bis zu je drei Megawatt (MW) pro Kraftwerk kosten zusammen knapp fünf Milliarden Euro. Selbst wenn diese Systeme meist auf Tierladern aus Nord- oder Ostdeutschland in den Freistaat gekarrt werden: Hiesige Technologieunternehmen haben an der Wertschöpfung riesigen Anteil, von Leistungshalbleiterherstellern über Motorenbauer bis zu Getriebefirmen.
Weil dieser auch „onshore“ genannte Ausbau der Windenergie an Land natur- und umweltverträglich passieren soll, sind die großen, im DNR zusammengeschlossenen Umweltverbände mit Markus Söder im Boot. Das wurde diese Woche bei einer Pressefahrt in den Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim deutlich. Und das trotz der vom Minister am letzten Freitag verkündeten, Windkraft-freundlichen Umweltschutzregeln für den Freistaat.
Die muss er nun höchstens gegen eventuelle Widerstände seines für Energie zuständigen bayerischen Kabinettskollegen, Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) durchsetzen. Doch Söder wirkt fest entschlossen: „Wir sind für Umweltschutz zuständig und dürfen das.“
Drei statt bislang durchschnittlich zehn Monate dauernde Genehmigungsverfahren; eine „Positivliste“, die Windkraftwerke (WKW) auf 90 Prozent der Freistaatsflächen grundsätzlich zulässt; eigene Lärmgutachten nur noch dann, wenn Windräder näher als 800 Meter zur Wohnbebauung stehen sollen; eine Schutzliste, auf der lediglich 26 Vogel- und acht Fledermaus- statt bisher 386 Tierarten stehen.
„Das waren die zentralen Probleme. Zum Beispiel wurden im Landkreis sinnvolle Windflächen bislang verhindert. Denn legte man die Naturparks Frankenhöhe und Steigerwald über die anderen Ausschlusskriterien, war am Ende alles weg“, freut sich Tomi Engel vom Bundesverband Windenergie Mittelfranken. „Wenn diese konkreten Schritte so wie angekündigt umgesetzt werden, ist das ein pragmatisches, vielversprechendes Verhalten der Umweltverbände, aber auch der Politik.“
Aber nach dem Kernkraft-Super-GAU in Japan ist scheint alles anders. „Für mich war Fukushima das Erlebnis“, erklärt Umweltminister Markus Söder. Seither macht sich der Minister für die Energiewende vor allem bei Strom stark: Raus aus Kernkraft und Kohle, rein in Wind, Sonne, Wasser, Bioenergie, „viele Bausteine also.“
Söder: „Wind führt immer zu Ärger“
Weil Söder weiß, „Wind führt immer zu Ärger, allerdings nur dann, wenn der Standort problematisch ist“, hat er sich mit den im DNR vereinten Umweltverbänden Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) an einen Tisch gesetzt. Die loben denn auch, was das Umweltministerium nun als Handreichung an die bayerischen Kommunen verteilt: „Das trifft den Kern. Wer sich an die Kriterien für Windkraftplanung hält, wird kaum Probleme mit Naturschützern bekommen“, sagt LBV-Artenschutzreferent Andreas von Lindeiner.
Dabei waren gerade von LBV-Seite einst sehr kritische Einwände zu Windgebieten zu hören. Doch LBV-Vorsitzender Ludwig Sothmann gibt zu: Auch die Naturschützer hätten ihr Aha-Erlebnis gehabt. „Jetzt ist für uns das Klimaproblem die größte Sorge, und wir sind klar für die Energiewende. In der Zeit, wo Atom- und Kohlekraftwerke liefen, haben wir kritischer hingesehen. Inzwischen haben sich auch viele neue technische Möglichkeiten ergeben“, zum Beispiel um nachts WKW abzuschalten und so Fledermäuse zu schützen.
Der BN sieht sich schon länger auf diesem Weg. „Wir waren schon beim ersten WKW Bayerns in Sellanger im Frankenwald dabei“, erklärt BN-Vize Sebastian Schönauer sichtlich stolz. Kein Wunder also, dass sich der BN-Kreisverband NEA bei zwei zurzeit mitten im 80 Jahre alten Kiefernwald bei Wilhelmsdorf entstehenden Bürgerwindkraftwerken engagiert.
Die beiden Maschinen mit je 119 Metern Nabenhöhe und 112-Meter-Rotoren sollen zusammen über elf Millionen Kilowattstunden Strom jährlich produzieren. Das ist mehr, als im Ort gebraucht wird, hat Bürgermeister Werner Friedrich ausgerechnet. Und weil die Gewinne an die 145 örtlichen Eigner der Maschine fließen, bliebe eine erkleckliche Kaufkraft im Ort, erläutert Projektleiter Marcus Dornauer. Zudem seien regionale Firmen beim Bau dabei.
Markus Söder sieht solche, von Bürgern finanzierten Projekte, wie sie auch in Hagenbüchach oder Wilhermsdorf stehen, als gute Möglichkeit, die Proteste vor Ort zu reduzieren. Doch „entschieden wird in der Kommune“, stellt er klar. Noch ein Grund, warum die Naturschutzverbände laut DNR-Chef Hubert Weinzierl „die Energiewende freundlich unterstützen.“ (Heinz Wraneschitz)

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