Wirtschaft

Für den dringend notwendigen Ausbau der Bundesstraße B 26 im Bereich des Aschaffenburger Hafens bräuchte die Region die Unterstützung der bayerischen Staatsregierung. Dies dürfte jetzt nach dem gemeinsamen Bekenntnis von Horst Seehofer und Roland Koch (rechts) leichter sein. Foto: ddp

05.02.2010

Kooperation mit Rhein-Main intensivieren

Gemeinsame Kabinettssitzung von Bayern und Hessen in Aschaffenburg stärkt den Wirtschaftsraum bayerischer Untermain

Über ein klares Bekenntnis zur Kooperation in der Metropolregion Rhein-Main können sich jetzt alle Firmen und Bürger am bayerischen Untermain freuen. Bayerns und Hessens Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und Roland Koch (CDU) haben dies diese Woche bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung beider Regierungen in Aschaffenburg vereinbart.
Seehofer und Koch betonten die freundschaftlichen Verbindungen beider Bundesländer und forderten den Bund auf, für wichtige Infrastrukturprojekte wie den sechsspurigen Ausbau der Autobahn A 3 von Aschaffenburg nach Würzburg und diverse Schienenprojekte die entsprechende Finanzierung zu sichern. Denn nach dem Auslaufen der Konjunkturprogramme der Bundesregierung drohen laut Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und seinem hessischen Amtskollegen Dieter Posch (FDP) schwierige Zeiten für Schiene und Straße. Dieses kooperative Vorgehen beider Länder dürfte Aschaffenburgs IHK-Hauptgeschäftsführer Horst Dommermuth sehr entgegenkommen, denn eine gut ausgebaute Infrastruktur sei eine wesentliche Wachstumsvoraussetzung für den bayerischen Untermain mit seinen Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg sowie der Stadt Aschaffenburg. „Denn Logistik ist der große Schwerpunkt unserer Unternehmen“, betont Dommermuth im Gespräch mit der Staatszeitung. Deshalb ist er auch stark an einer Kooperation mit dem „House of Logistics and Mobility“ (HOLM) interessiert, das am Frankfurter Flughafen bis 2012 entstehen soll. „In Hessen nennt man es House, in Bayern Cluster“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. Im Prinzip gehe es ums Gleiche, nämlich die Bündelung regionaler Unternehmens- und Wissenkompetenz über die Bundesländergrenzen hinweg. Allein auf bayerischer Seite sind über 50 Logistikfirmen und Institutionen im „Logistik-Netz Bayerischer Untermain“ vereint. Die IHK Aschaffenburg plant konkret die ideelle und finanzielle Unterstützung von Projektwochen im HOLM. Logistikstudenten der Hochschule Aschaffenburg sollen ein Projekt für das HOLM erarbeiten und so den Aufbau dieses Zentrums unterstützen.
Daneben ist auch die Gründung eines Automobil-Wissenschafts-Zentrums vorgesehen, kündigten die beiden Wirtschaftsminister Zeil und Porsch an. Dort sollen 300 Wissenschaftler forschen und Fachkräfte für die Logistik- und Mobilitätsbranche ausbilden. „Dieses Zentrum wird einen wichtigen Beitrag leisten zur Sicherheit des Standorts Deutschlands als Innovationsmotor im Automobilsektor“, erläutern Zeil und Posch.
Dommermuth geht aber noch einen Schritt weiter und bietet Aschaffenburg mit der Metropolregion Rhein-Main eine Kooperation mit der Metropolregion Nürnberg an. Denn dort soll ja nach dem Willen der bayerischen Staatsregierung ein Kompetenzzentrum für Elektromobilität entstehen. Aufgrund der vorhandenen Potenziale in Aschaffenburg sei eine Zusammenarbeit beider Regionen nur sinnvoll. Aschaffenburg hat sich laut einem aktuellen Positionspapier der IHK bereits über einige Förderprojekte und die „EMA Elektromobilausstellung“ der Hochschule als Elektromobilitätsstandort profiliert. Somit wäre eine Außenstelle des jetzt in Nürnberg gegründeten „E-Drive-Centers“ eine logische Konsequenz.
Schon jetzt sei rund um die Fachhochschule Aschaffenburg eine Versuchsanlage für miteinander kommunizierende Fahrzeuge geplant. Ampelanlagen und Autos sollen dann aufeinander abgestimmt reagieren – und das nicht im Labor, sondern im fließenden Verkehr, so Dommermuth. Er wirft aber auch noch das seit mehreren Jahren bestehende herstellerunabhängige Crashtest-Zentrum in der Region als strategisches Asset in die Waagschale für die Automobilkompetenz am bayerischen Untermain. Eine Fraunhofer-Arbeitsgruppe in Aschaffenburg anzusiedeln wäre dann der Höhepunkt. Denn ein besserer Zugang zu den großen Forschungsgesellschaften sei notwendig, um die Innovationskultur am bayerischen Untermain weiter zu fördern.
Damit die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Hessen dauerhaft funktioniert, favorisieren Seehofer und Koch eine privatrechtliche GmbH, in die sich alle infrage kommenden Gebietskörperschaften einbringen und gemeinsam ihre Projekte realisieren können. „Wir wollen einen schlanken Staat und keine neue Bürokratie aufbauen“, betonen die beiden Ministerpräsidenten.
Bürokratische Probleme zwischen Bayern und Hessen gibt es aber dennoch. Das unterschiedliche Landesrecht führt laut Aschaffenburgs IHK-Hauptgeschäftsführer zu manchen Spannungsfeldern. Ärgerlich für die Unternehmen sei zum Beipiel, dass die bayerischen Behörden immer wieder mal ein Problem damit haben, den Unternehmen das Handling mit den unterschiedlichen Feiertagen – Bayern hat drei mehr als Hessen – zu erleichtern. Viele Betriebe auf bayerischer Seite haben hessische Kunden und müssen deshalb auch an Allerheiligen, Maria Himmelfahrt und Dreikönig arbeiten und Lkw fahren.
„Hessen hat auch wesentlich liberalere Ladenöffnungszeiten“, sagt Dommermuth. Dies führe zu einem Kaufkraftabfluss. Deshalb wünsche sich der Handel auf bayerischer Seite mehr Flexibilität. „Waffengleichheit wäre gut, sagen unsere Einzelhändler“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Darum sollten zumindest Events zum Beispiel in Auto- und Möbelhäusern sowie Einkaufszentren jenseits der strengen bayerischen Ladenschlusszeiten möglich sein. Ein weiterer Punkt, der die bayerische Verwaltung zu mehr Flexibilität inspirieren sollte, ist laut Dommermuth die Nähe von Berufsschulen auf hessischer Seite. So sollten Auszubildende vom bayerischen Untermain diese Nachbarschaft nutzen können, anstatt in die für sie zuständige Berufsschule gehen zu müssen, die weit entfernt ist. So müssen derzeit beispielsweise angehende Berufskraftfahrer aus Aschaffenburg in die zuständige Berufsschule nach Kulmbach gehen. „Wir wünschen uns hier mehr Durchlässigkeit der Landesgrenze“, sagt Dommermuth.
Einen gewaltigen Marketingvorteil hat die Landesgrenze für den bayerischen Untermain jedoch. Durch die Zugehörigkeit zur Metropolregion Rhein-Main werde Aschaffenburg und sein weiteres Umland weltweit zum einen durch die internationalen Auftritte der Metropolregion Rhein-Main beworben und zum anderen von der Stabsstelle „Invest-in-Bavaria“ im bayerischen Wirtschaftsministerium, die ebenfalls global für Investments im Freistaat und somit auch am bayerischen Untermain trommelt.
Länderübergreifend mehr zusammenarbeiten sollen nach dem Willen der bayerischen Staats- und der hessischen Landesregierung auch die Finanzplätze Frankfurt und München. Beide Bank- und Versicherungsstandorte sollen sich deutschlandweit und international optimal positionieren und Informationen über Finanzmarktthemen intensiv austauschen. Zudem wollen beide Länder gemeinsam Finanzmarktthemen in ihrem Interesse gegenüber dem Bund und der EU vertreten. Durch die jetzt angestrebte noch engere Kooperation der Finanzplätze Frankfurt und München bekommt der Finanzstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb ein noch stärkeres Gewicht, sind die Wirtschaftsminister Zeil und Posch überzeugt. Dies gelte inbesondere bei den anstehenden neuen Spielregeln für die Finanzbranche, um Stabilität und Sicherheit auf den Finanzmärkten wiederherzustellen. (Ralph Schweinfurth)

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