Wirtschaft

Viele Straßen im Freistaat sind in einem miserablen Zustand. Die Grafik zeigt, wie groß der Finanzbedarf für Bayerns Staatsstraßen wäre. (Foto: dapd)

05.11.2010

Massive Entlassungen drohen

Bayerische Baufirmen beklagen rasante Talfahrt der Auftragseingänge im Straßenbau

Die Staatsregierung soll rasch handeln und deutlich mehr Mittel für den Straßenbau in Bayern bereitstellen. Das wünscht sich jedenfalls die Baubranche. Die bayerischen Verkehrsbauunternehmen müssen sonst bis zu einem Viertel ihrer Stammbelegschaft, das sind rund 6500 Arbeitnehmer, noch in diesem Herbst entlassen. „Das ist keine Drohung, sondern eine für diese Firmen überlebensnotwendige und unumgängliche Maßnahme“, erklärt Gerhard Hess, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbandes (BBIV). Denn schon jetzt seien die Auftragseingänge im Straßenbau in Bayern auf einer rasanten Talfahrt. Laut BBIV-Zahlen betrug das Minus allein von Januar bis August 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wegen der aktuellen Haushaltssperre kommen Hess zufolge gar keine Neuausschreibungen mehr auf den Markt. „Nach unserer Kenntnis ist bei den laufenden Abstimmungen über den Doppelhaushalt 2011/2012 für kommendes Jahr ein weiterer dramatischer Mittelrückgang zu befürchten“, so Hess.
Zustand der Staatsstraßen wird immer schlechter
Schon 2004 stellte der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) fest, dass sich der Zustand der 13 600 Kilometer Staatsstraßen in Bayern mit über 4500 Brücken immer mehr verschlechtert. Verspätete Erhaltungsmaßnahmen werden laut ORH überproportional teuer. Laut ORH stellen die Staatsstraßen ein Anlagevermögen von 11 Milliarden Euro (Wiederbeschaffungswert) dar. Als minimalen jährlichen Finanzbedarf für einen ordnungsgemäßen Erhalt der Staatsstraßen hält der ORH mindestens ein Prozent des Anlagevermögens für erforderlich. Das wären demnach 110 Millionen Euro (einschließlich der Leistungen der Straßenmeistereien).
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse sprechen laut Bauindustrieverband für einen jährlichen Erhaltungsaufwand von 1,5 Prozent des Anlagevermögens. Das wären 165 Millionen Euro. Noch immer nicht berücksichtigt ist dabei Hess zufolge aber das in den letzten Jahrzehnten aufgelaufene Erhaltungsdefizit. Tatsächlich wurden aber 2009 nur 70 Millionen Euro für den Bestandserhalt für Staatsstraßen aus dem Stammhaushalt ausgegeben. Das entsprach 0,7 Prozent des Anlagevermögens.
„Sparen muss der öffentliche Haushalt beim Konsum und bei den Bürokratiekosten, nicht bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, diese brauchen auf einem vernünftigen Niveau Stetigkeit und Planbarkeit“, sagt Josef Geiger, Geschäftsführender Gesellschafter der Firma Wilhelm Geiger GmbH & Co. KG aus Oberstdorf und BBIV-Vizepräsident. Nur so könnten Baufirmen der Verantwortung für ihre Mitarbeiter gerecht werden. „Die drohende Geisterbahnfahrt des Auf und Abs bei der Mittelfreisetzung für unsere Bauindustrie ist Gift für die Bauarbeitsplätze. Da frage ich mich: Ist ein Bauarbeitsplatz weniger wert als Arbeitsplätze in anderen Branchen?!“
Bayern gehört laut Geiger zu den 20 größten Exportländern der Welt. Um diesen Spitzenplatz zu behaupten, müsse auch seine Infrastruktur erhalten und weiter ausgebaut werden. Mit der Sparpolitik im investiven Bereich werde Bayern in die Sackgasse gefahren „Denn: Export ist Transport, wie es unser ehemaliger bayerischer Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu prägnant auf den Punkt gebracht hat“, ermahnt Geiger.
Ein Straßenbauunternehmer aus Niederbayern schildert die Lage unverblümt: „Seit Wochen ist der Staatsanzeiger wie leergefegt. Es gibt keine Ausschreibungen im Straßenbau mehr.“ Auch vorbereitende Planungen laufen seiner Kenntnis nach nicht. „Wir wissen auch, dass die staatlichen Bauämter keine Vorbereitungen, insbesondere Planungen für den Start in das Baujahr 2011 anstellen können.“ Deshalb könnten Verzögerungen auch nur bis zum 31. März 2011 abgefangen werden. Danach gebe es keine saisonale Kurzarbeit mehr. „Wir müssen deshalb wohl oder übel wieder in die alte Praxis der Winterkündigung einsteigen. Das trifft allein bei uns wohl 300 hochqualifizierte Straßenbauer.“
Auch Karl Günter Krauß von der Bauunternehmung Wilhelm Markgraf GmbH & Co.KG aus Bayreuth und Vorsitzender des Bezirksverbandes Oberfranken des BBIV sieht die Entwicklung mit großer Sorge: „Es ist ein Problem, wenn die enorme Bedeutung der Infrastrukturpolitik in politischen Debatten immer weniger positive Führung erfährt.“ Damit werde die immense Bedeutung der Infrastrukturpolitik für die Sicherung der Zukunft der Gesellschaft nicht ausreichend gewürdigt. Das gelte ganz besonders für die Verkehrsinfrastruktur. „Wenn Bayern bei der Aufstellung eines Sparhaushaltes zuerst an die Kürzung des Staatsstraßenhaushalts denkt, dann schafft sich der Freistaat selbst die neuen Probleme von morgen“, so Krauß. Nachdem der Substanzerhalt der Staatsstraßen heuer und im letzten Jahr wenigstens ansatzweise möglich war, wiederhole man für 2011 die Fehler der Vergangenheit. Die erneute Kürzung der Unterhaltsinvestitionen erhöhe unnötig die Haushaltslasten von morgen.
(Ralph Schweinfurth)

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