Wirtschaft

Standorte der neuen Behörde sollen das fränkische Kulmbach und ein noch nicht gefundener Standort in Südbayern werden. (Foto: dpa)

29.08.2016

Massive Kritik an geplanter Sonderbehörde für Lebensmittelsicherheit

Im Entwurf des Doppelhaushalts sind für die neue Behörde 70 neue Stellen vorgesehen.

Eine neue Sonderbehörde für Verbraucherschutz soll sich in Bayern künftig um besonders risikobehaftete Betriebe kümmern. Dafür hat das Kabinett 70 neue Stellen vorgesehen. Doch welche Unternehmen sollen sie kontrollieren? Die Suche läuft und wirft nicht nur Fragen auf.

Noch vor dem ersten Arbeitstag der Sonderbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sorgen die Pläne von Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) für Kritik. Hintergrund ist ein Schreiben des Ministeriums an die Bezirksregierungen zur Erstellung einer Liste der Betriebe, die von der neuen Instanz geprüft werden sollen. Denn in dem Brief, der der dpa vorliegt, heißt es auch: "Eine abschließende Auswahl der komplexen Betriebe erfolgt durch das StMUV (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz) auch im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen."

Im Entwurf des Doppelhaushalts sind für die neue Behörde 70 neue Stellen vorgesehen. Zudem sollen 20 Stellen von der Spezialeinheit des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in die Kontrollteams verlagert werden. Standorte sollen das fränkische Kulmbach und ein noch nicht gefundener Standort in Südbayern werden. Nach Angaben eines Ministeriumssprechers soll die neue Behörde ab Anfang 2018 schrittweise die Kontrolle der sogenannten komplexen Betriebe von den Landratsämtern übernehmen. Rund 4,1 Millionen Euro wurden für die Umsetzung der Reform und den Aufbau der neuen Behörde bereitgestellt. Das Detailkonzept soll bis Oktober erarbeitet werden.

Alle Geflügelgroßbetriebe fallen ins Suchraster


Zur Auswahl der Betriebe nennt das Ministerium in dem Schreiben verschiedene Kriterien. Demnach fallen alle Geflügelgroßbetriebe ebenso in das Suchraster wie Betriebe mit Alleinstellungsmerkmalen, einem großen Verbreitungsgebiet und einer besonderen Nähe zur chemischen oder pharmazeutischen Industrie. Auch der Grad einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch ein Lebensmittel (etwa Salmonellen und Listerien) ist ein wichtiger Faktor.

Experten und Fachpolitiker sehen das Vorgehen skeptisch. "Es ist doch unfassbar, dass die Auswahl der Betriebe wegen finanzieller Planungen gedeckelt werden könnten", sagte der Verbraucherschutz-Experte der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag, Florian von Brunn. Für einen seriösen Schutz der Verbraucher müsse erst die Auswahl der Betriebe erfolgen und dann eine Personalbedarfsanalyse erstellt werden.

"Das Vorgehen macht keinen Sinn", betonte auch Nikolaus Kraus, verbraucherschutzpolitischer Sprecher der Freien Wähler. Es sei auch fragwürdig, ob die neue Behörde der richtige Weg sei, auf Skandale wie den jüngsten von Bayern-Ei zu reagieren. Der Verbraucherschutz müsse generell finanziell besser ausgestattet werden. "Die Ministerin ist im Zugzwang, sie muss jetzt was abliefern."

Zuständige CSU-Ministerin Scharf äußert sich nicht zu den Vorwürfen


Auch bei den Landtags-Grünen stößt das Vorgehen auf Kopfschütteln. "Das geht gar nicht", sagte die zuständige Abgeordnete Rosi Steinberger. Seit Jahren sei das Ministerium der Forderung nach einer Personalbedarfsplanung nicht nachgekommen und nun werde das Verfahren am Landtag vorbei auf diese Weise geführt. "Die Mittel dürfen nicht der Maßstab dafür sein, wie viele Betriebe kontrolliert werden."
Im Ministerium wird die Kritik nicht geteilt. "Die neue Behörde wird voraussichtlich für eine Anzahl an Betrieben im höheren dreistelligen Bereich zuständig sein", hieß es auf Anfrage. Der Stellenzahl liege eine Schätzung der komplexen Betriebe zugrunde. Wie die Posten am Ende verteilt würden und wie viele Mitarbeiter tatsächlich als Prüfer arbeiten oder eher in der Verwaltung aktiv sind, ist offen.

Auch abseits der politischen Einschätzungen wirft das Vorgehen des Ministeriums Fragen auf - und Hoffnungen. "Aus unserer Sicht ist der beschlossene Stellenaufbau erst einmal ein richtiger Schritt", sagte Marion Breithaupt-Endres, Vorstand der Verbraucherzentrale Bayern. Wie bundesweit gebe es auch in Bayern ein Defizit an Personalstellen. Es sei aber notwendig, die Überwachung zu verstärken. "Uns ist wichtig, dass am Ende das Ergebnis stimmt."

Die Verbraucherzentrale setze darauf, dass bis Anfang 2018 noch alle notwendigen Schritte durchgeführt würden, dazu zähle auch die Analyse des Personalbedarfs. "Die Aufgaben müssen so verteilt werden, dass den Verbrauchern das zum Teil verlorene Vertrauen wieder gegeben wird", betonte Breithaupt-Endres. Klar sei aber auch, dass die 70 plus 20 Stellen nicht ausreichten, dies habe der Oberste Rechnungshof bereits in seinem Gutachten dargelegt. Auch sei es wichtig, den Prüfern bessere Arbeitsutensilien zur Verfügung zu stellen.

Scharf selbst äußerte sich nicht zur Kritik. Sie betonte, dass die zentraler gestaltete Kontrolle eine Stärkung bedeute. "Die Lebensmittelüberwachung in Bayern soll noch schlagkräftiger werden", sagte sie. Die Kontrollteams mit hoch qualifizierten Spezialisten sorgten deshalb in Zukunft für eine Kontrolle auf Augenhöhe. (Marco Hadem, dpa)

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