Wirtschaft

Von den Brüsseler Plänen wären nicht nur die Landwirte mit ihren Rapsfeldern betroffen. (Foto: dpa)

14.10.2016

Neue EU-Biokraftstoff-Regeln könnten Bayern schaden

Brüssel plant, keine Kraftstoffe mehr aus Nahrungsmittelpflanzen herstellen zu lassen

Bayern ist das Bundesland mit der größten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Von dort kommt der meiste Raps, der in Bio-Diesel umgewandelt wird. Nun droht das Aus für die Biokraftstoffindustrie, denn Brüssel will ab 2020 keine Kraftstoffe aus Nahrungsmittelpflanzen mehr. Die ganze Wertschöpfungskette wäre betroffen: angefangen von den Saatgutherstellern über die Landwirtschaft, die Proteinmehl- und Pflanzenölhersteller, der Handel mit Ölen und Fetten bis hin zu deren Verarbeitung als Bioethanol oder Biodiesel. Die Reform der Erneuerbaren Energie Richtlinie und deren Konsequenzen für den Transportbereich war Thema einer Veranstaltung in der Vertretung des Freistaats in Brüssel. „Die Reform könnte alles noch schlimmer machen“, sagte Stephan Kleiner, Leiter der Bio-Energie- und Biokraftstoffabteilung des bayerischen Wirtschaftsministeriums.

Die EU-Kommission hat klargestellt, dass es in der neuen Erneuerbaren-Richtlinie auf keinen Fall Unterziele für Biokraftstoffe geben werde. Das sagte Marie Donnelly auf der Konferenz, zuständig in der Energieabteilung der EU-Kommission für Erneuerbare und Effizienz. Sie machte keinen Hehl daraus, dass ihre Abteilung ab 2020 nur noch fortschrittliche Biokraftstoffe gefördert sehen will. Das sind solche aus Altöl und anderen Abfällen. „Lesen Sie unsere Mitteilung vom Juli 2016 über die Strategie für emissionsarme Mobilität. Ich werde nur fortschrittliche Biokraftstoffe unterstützen“.

Nur begrenzte Rolle


In der Mitteilung heißt es, dass aus Nahrungsmittelpflanzen hergestellte Biokraftstoffe nur eine begrenzte Rolle bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors spielen und nach 2020 nicht mehr öffentlich gefördert werden sollten. Der Biokraftindustrie geht das zu schnell und fordert ein langsameres „Phasing-Out“ von herkömmlichen Biokraftstoffen.

Die letztes Jahr wegen der Infragestellung der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen geänderte Erneuerbaren-Richtlinie (auch „ILUC“-Richtlinie genannt) läuft nur bis 2020. Die Richtlinie muss bis Mitte 2017 von den Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Sie kappt den Zielanteil von herkömmlichen Biokraftstoffen am Kraftstoffverbrauch im Verkehr (Straße, Schiene, Binnenschifffahrt, Luftfahrt) auf sieben Prozent. Drei Prozent sollen durch andere alternative Kraftstoffe (Altöl) und Ökostrom (zum Beispiel Elektro-Autos) erbracht werden.

Nichts Konkretes


Bedeutet das mit dem Auslaufen der Richtlinie null Prozent nach 2020? Konkret wurde Donnelly nicht. Das 28-köpfige Kollegium der EU-Kommission werde entscheiden (nicht ihre Abteilung), und dann würde es im Gesetzestext wohl Zahlen geben, machte sie der Biokraftstoff-Industrie Hoffnung. Noch vor Jahresende soll die neue Erneuerbaren Richtlinie vorgestellt werden, mit der 2030 ein EU-weiter Anteil von 27 Prozent der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch erreicht werden soll. Da ist aber alles drin: Stromindustrie, verarbeitende Industrie, Transport, Landwirtschaft. Nationale Ziele gibt es dann nicht mehr. Irgendwie müssen sich die EU-Staaten abstimmen, um das Ziel zu erreichen. Die Richtlinie ist Teil eines großen Energie-Union-Gesetzes-Pakets.

Seit der Teller oder Tank-Diskussion sind Biokraftstoffe in Verruf geraten. Aber die Biokraftstoffindustrie betont weiterhin, dass sie entgegen aller „unbewiesenen“ Bedenken nachhaltig sei. Francis X. Johnson vom Stockholmer Umweltinstitut: „Es ist weltweit genug Land für Lebensmittel und Biokraftstoffe da.“ Mehr Produktivität und Ressourcenplanung sei die Lösung. Aber dafür brauche man Zeit. Energiepflanzen zu verteufeln, sei zu einfach. Donnelly von der EU-Kommission überzeugte das nicht: „Es wird keine andere Einstellung zu ILUC geben.“

Wald abholzen nicht erwünscht


Das englische Kürzel „ILUC“ bedeutet Treibhausgasemissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen. Eine indirekte Landnutzungsänderung, die auf Biokraftstoffe zurückzuführen ist, ist z.B., wenn ein Wald abgeholzt wird, um Weizen für Nahrungsmittel anzubauen, weil bereits Ackerböden für den Anbau von Energiepflanzen genutzt werden.

Der Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) fordert eine europäische Lösung. „Unsere Branche exportiert 50 Prozent der inländischen Produktion“, sagte Frank Brühning vom VDB gegenüber der Staatszeitung. Träten nationale Gesetze 2020 an die Stelle europäischer Gesetze, sei das schädlich für die Branche. „Wir wollen nur Besitzstandswahrung.“ Die weltweit für Biokraftstoffe verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen seien doch schon besetzt. Biokraftstoffe würden den CO2-Ausstoß im Verkehr deutlich mindern, sagte er mit dem Verweis auf den jüngsten Bericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Demnach hätten Biokraftstoffe, die 2015 in Deutschland in Verkehr gebracht wurden, eine CO2-Einsparung von 70 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen erreicht. Im Vergleich zu 2014 seien es nur 51 Prozent gewesen.

EU setzt auf E-Autos


Wer die 25-seitige Mitteilung der EU-Kommission zur Strategie für emissionsarme Mobilität liest, wird den Eindruck nicht los, dass die Elektrifizierung des Straßenverkehrs (außer Straßengüterverkehr) die idealste Lösung sei. Für den luxemburgischen Grünen-Abgeordnete Claude Turmes, dessen Partei früher einmal pro-Biofuels war, ist es die einzige Lösung: „Ich bin nur für E-Cars.“

Die Auto-Industrie ist von der Elektromobilität nicht überzeugt. „Die E-Autos sind wegen der Batterien zu teuer“, sagte Hermann Pengg, zuständig bei Audi für erneuerbare Kraftstoffe. Ausdrücklich für Biokraftstoffe sprach er sich aber nicht aus, sondern für „technologieneutrale Experimente“. Die Vermeidung von CO2 durch E-Autos sei zehnmal teurer als die durch effizientere Verbrennungsmotoren. Man solle die Kosten der Lebenszyklen berücksichtigen. Die fossile Raffinerie-Industrie sieht das ähnlich.
(Rainer Lütkehus)

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