Wirtschaft

Flüchtlinge steigen am Bahnhof in Passau in einen Zug. (Foto: dpa)

08.01.2016

Obergrenze! Nur eine?

Eine Glosse zu den Flüchtlingszahlen von Hannes Burger

„Mit Worten lässt sich trefflich streiten“ sagt Mephisto zu Faust, „denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.“ Wie recht der alte Teufel hat, zeigt sich im Parteienstreit um die Aufnahme von Flüchtlingen. Dafür hat zuerst die CSU eine „Obergrenze“ als Signal gefordert. SPD und Grüne haben sich wie immer reflexartig empört: „Eine Obergrenze? Pfui!“ Niemand hat gefragt: Obergrenze für wen? Für Asyl politisch Verfolgter? Für Kriegsflüchtlinge? Fahnenflüchtige? Oder für alle Wanderer in ein besseres Leben mit Hartz IV?

„Eine Obergrenze? Nie!“ sagt Kanzlerin Merkel trotzig. Die CDU-Chefin hat der CSU kein freundliches Gesicht gemacht. Sie hat sich mit der CSU und deren Chef Seehofer zerstritten, der als erstes Angebot 200 000 pro Jahr auf den Tisch legte. Aber ganz was anderes, sagt Merkel, wären Kontingente: Die wären gut. Kontingente seien „keine Obergrenze“, hat Vizekanzler Gabriel erklärt. Auch der Bundeswirtschaftsminister ist besorgt über die Zuwande-rung, sagt aber: „Unser Problem ist nicht die Zahl der Flüchtlinge, sondern die Geschwindigkeit, mit der sie kommen.“ Also Kontingente ohne Obergrenze, aber mit Geschwindigkeitsbegrenzung für Zuwanderer.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann fordert von den Grünen eine Obergrenze für Realitätsferne: „Nicht alle, die zu uns kommen, können auch hier bleiben! Denn: Klar ist, dass wir an reale Grenzen stoßen.“ Die Diskussion erinnert an den Autofahrer, der im Radio hört, ein Geisterfahrer sei unterwegs, und sich empört: „Was heißt einer? Hunderte!“ Die Kanzlerin hätte von der CSU viel Beifall mit der Gegenfrage erhalten: „Wieso eine Obergrenze? Wir brauchen viele!“

Obergrenzen wären auch in vielen Medien nötig, allen voran ARD und ZDF: für Schönreden von Problemen, Verharmlosung von Kosten, Vermischen der Migrationsgründe, Bevormundung und Maulkörbe für Leute anderer Meinung. Was darf man sagen, was fragen ohne Ausländerfeind und Rechtspopulist zu sein? Kriegsflüchtlinge und Fahnenflüchtige, politisch verfolgte Asylbewerber und Zuwanderer „in ein besseres Leben“ werden da ständig durcheinander geworfen, obwohl für jede Gruppe andere Rechtsgrundlagen gelten.

Menschenwürdige Notunterkünfte mit Mindeststandards für täglich 3000 neue Zuwanderer haben eine Obergrenze, ebenso hohe Ansprüche von Migranten an Wohnort, Job und billige Wohnung. Um den Zuzug zu verringern, hat die CDU „ein Signal der Begrenzung“ ausgesandt. Der CSU wird die Kanzlerin in Kreuth erklären: Das bedeutet „Kontingente“, keine „Obergrenze“! Beim Bedarf an „Fachkräften“ am Arbeitsmarkt hat die Wirtschaft aber schon eine Obergrenze markiert: Maximal 20 Prozent der Migranten gelten da als „langfristig brauchbar“. Zuvor sollte man jedoch wissen, wie viele schon im Land sind, wie sie heißen und wo sie wohnen! Oder frei nach Loriot: „Wo laufen sie denn?“ 

Kommentare (1)

  1. Markus am 09.01.2016
    Herr Burger hat die Situation in Deutschland sehr genau beobachtet und beschrieben.
    Ich darf seine Glosse wie folgt ergänzen:
    1. Wenn wir den Artikel 16a Abs. 2 unseres Grundgesetzes lesen, dann müssen wir zum Ergebnis
    kommen, dass unsere politische Elite tagtäglich gegen diesen Artikel verstößt. Offensichtlich
    haben nicht einmal unsere Verfassungsjuristen Einwände.
    Also leben wir in einem gescheiterten Staat?
    2. Laut Umfrage eines großen Meinungsforschungsinstituts trauen sich ca. 45 % der deutschen
    Staatsbürger nicht mehr ihre Meinung zum Thema Flüchtlinge zu sagen, weil sie fürchten, von
    unserer politischen Elite in die sogenannte rechtsradikale Ecke gestellt zu werden.
    3. Kürzlich sagte mir ein früherer DDR-Bürger sinngemäß: „Ich dachte, durch die Wiedervereinigung
    darf ich endlich in einem Deutschland leben in dem ich meine politische Meinung frei sagen kann.
    Und jetzt erinnert mich manches an die DDR; Schönfärberei und Falschdarstellungen durch die
    offizielle Politik sowie scheinbare Erfolgsmeldungen wie bei der Nachrichtensendung „aktuelle
    Kamera“ des DDR-Fernsehens. All das ist dann noch viel raffinierter organisiert als in der
    versunkenen DDR-Ära.“
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