Wirtschaft

Herbert König, Vorsitzender der MVG Geschäftsführung. (Foto: SWM)

03.08.2012

„ÖPNV-Finanzierung ist eigentlich relativ einfach“

Interview mit Herbert König, Vorsitzender der MVG Geschäftsführung

Die Münchner Verkehrsgesellschaft will in den kommenden Jahren das Straßenbahnnetz der Landeshauptstadt erheblich erweitern. BSZ: Herr König, was kostet denn die Realisierung Ihrer ÖPNV-Ausbaupläne?
König: Sehr viel Geld; langfristig reden wir über Milliarden-Beträge. BSZ: Hat die MVG das Geld dafür?
König: Nur zum kleineren Teil. Nur ein Beispiel: Allein bei der Münchner U-Bahn haben wir bis 2020 einen Erneuerungsbedarf in Höhe von 1,75 Milliarden Euro. Rund 750 Millionen für neue U-Bahnzüge und etwa eine Miliarde für Infrastruktur wie Fahrtreppen, Aufzüge, etc. sowie für die Beseitigung von Bauschäden bei 25 U-Bahnhöfen und 10 Kilometer. Diese Bauwerke liegen meist unter Hauptverkehrsstraßen und da sickert das chloridhaltige Wasser vom Salzstreuen im Winter durch. Dieses Wasser frisst von oben in Bauwerksfugen die Betondecken und den Bewehrungsstahl an. BSZ: Diese Finanznöte haben aber alle deutschen Verkehrsunternehmen, oder?
König: Ja, hier haben wir es mit einem generellen Problem aller deutscher Städte zu tun, die ein entsprechendes Nahverkehrsnetz unterhalten. Im Jahr 2019 läuft das so genannte Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, kurz GVFG aus, denn man will die Mischfinanzierung von Bund und Ländern abbauen. Der Bund würde dann nichts mehr in den ÖPNV investieren. Wieviel die Länder vom Bund darüber hinaus für den kommunalen Verkehr von 2014 bis 2019 bekommen, ist derzeit auch völlig offen. In beiden Fällen geht es um Neuinvestionen. Darüber hinaus haben wir in Deutschland ja schon bei der Erneuerung bestehender Anlagen einen Stau in Höhe von rund 3 Milliarden Euro, der sich jährlich um 330 Millionen vergrößert. BSZ: Das bedeutet für die MVG und alle anderen Verkehrsbetriebe deutscher Städte doch, dass sie keine Planungssicherheit mehr für große Projekte haben.
König: Ja. Darum fordern wir von der Politik, möglichst bald entsprechende konkrete Weichenstellungen vorzunehmen. BSZ: Was kann Bayern hierbei tun?
König: Klären, ob das mit der Entflechtung und dem Rückzug des Bundes aus der ÖPNV-Finanzierung wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Schließlich haben wir es in München auch mit enormem Zuzug aus dem Rest der Republik zu tun und müssen unsere Verkehrsprobleme auch künftig in den Griff kriegen. BSZ: Gibt es Hoffung?
König: Bei den Ländermitteln bis 2019 wollen sich Bund und Länder jetzt im zweiten Halbjahr einigen. Doch das ändert nichts daran, dass das Bundesprogramm bis 2019 schon jetzt 3,3-fach überzeichnet ist. Das ist ja auch der Grund, warum der Bund bisher nicht noch mehr für die zweite Stammstrecke zusagen will. BSZ: Ist dem Freistaat eigentlich bewusst, vor welchen enormen baulichen und finanziellen Herausforderungen die Verkehrsbetriebe stehen?
König: Das Bewusstsein für den Erneuerungsbedarf in den Städten wächst. Aber konkrete Lösungsvorschläge gibt es noch nicht. BSZ: Wie könnten diese denn aussehen?
König: Grundsätzlich ist die bisherige ÖPNV-Finanzierung eigentlich relativ einfach. Entweder zieht man den Fahrgast oder den Steuerzahler heran – oder beide. Aber ÖPNV nutzt auch demjenigen, der nicht mit Bus, Straßen- oder U-Bahn fährt. Denn der ÖPNV sorgt dafür, dass die Straßen einer Stadt weniger verstopft sind, Klimaschutzziele eingehalten werden, Mitarbeiter in die entsprechenden Betriebe kommen und Grundstückseigentümer eine Wertsteigerung erfahren, weil beispielsweise Mieter das entsprechende Haus gut erreichen. Deshalb gibt es woanders auch andere Modelle. BSZ: Zum Beispiel?
König: In Frankreich etwa müssen die großen Betriebe je nach Beschäftigtenzahl und Lohnkostenanteil den ÖPNV mitfinanzieren. Denn sie profitieren ja von Bussen und Bahnen, weil sie zum einen erreichbar sind und zum anderen weniger oder keine Parkplätze für ihre Mitarbeiter und Kunden vorhalten müssen. Oder man blickt nach Fernost. Die asiatischen U-Bahnsysteme schreiben schwarze Zahlen. BSZ: Wie das denn?
König: Indem die Verkehrsbetriebe die Grundstücke entlang ihrer Strecken vermarkten dürfen. BSZ: Wäre das auch hierzulande möglich?
König: Manches schon, aber ob es politisch gewollt ist? Jedenfalls müssen wir uns in Deutschland jetzt möglichst schnell darauf einigen, wie wir den ÖPNV künftig finanzieren wollen. Die Politik muss sich wieder klar darüber werden, dass der ÖPNV eine Grundinfrastruktur ist für den wirtschaftlichen Wohlstand in den Ballungsräumen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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