Wirtschaft

20.08.2010

Ohne Gebrüll und schneller als vor Gericht

Mediation: Eskaliert der Streit zwischen Geschäftspartnern, kann ein Schlichter helfen

Dieser Baustreit hätte dem Dresdner Thomas Klein fast die Insolvenz beschert. Klein hatte Anfang 2009 ein sanierungsbedürftiges Dreifamilienhaus gekauft. Die DSL Bank, eine Tochter der Postbank, finanzierte das Vorhaben, zahlte aber die erste Rate für erledigte Arbeiten nur zur Hälfte aus. Sie bemängelte die so genannte bautenstandsgerechte Abrechnung des Baubetreuers, der im Auftrag von Klein Verträge mit einzelnen Handwerkern abgeschlossen hatte. Der Baubetreuer fühlte sich auf den Schlips getreten und wurde laut. Die Bank, durch den rüden Umgangston skeptisch geworden, beauftragte daraufhin nicht nur einen Sachverständigen, dessen Gutachten die Sache nur noch weiter anheizte, sondern kürzte auch die nächsten Raten. Die Folge: Der Baubetreuer verlor unter den Handwerkern zunehmend an Ansehen, weil auch ihre Rechnungen nur teilweise gezahlt werden konnten. Und dem Bauherrn Klein drohte die Pleite. Prozesse verlaufen nirgendwo ruinöser
Wegen Streitigkeiten dieser Art kommt es in der rauen Baubranche jedes Jahr zu 80.000 Gerichtsverfahren. Nirgendwo verlaufen Prozesse ruinöser, nirgendwo dauern sie länger: „Sechs Jahre sind gar nichts“, sagt der Hamburger Rechtsanwalt und Mediator Moritz Lembcke. Oft sind die Parteien dann völlig entnervt und finanziell am Ende. Der Fall von Thomas Klein verlief jedoch anders: Denn Anfang Mai 2009 betrat der Mediator Ulli Engelmann die Szene – und fand ein „atmosphärisches Pulverfass“ vor, wie er sagt. Er sprach lange mit den Streithähnen. Und machte dann, um die explosive Stimmung zu entschärfen, einen ebenso simplen wie überzeugenden Vorschlag: Er regte an, den Zustand der Bauarbeiten von einem Architekten dokumentieren und bestätigen zu lassen. Die Bank akzeptierte, und schon drei Tage später konnten die fälligen Handwerkerrechnungen beglichen werden.
Engelmann ist spezialisiert auf das Schlichten von Bankkonflikten. Die Aufgabe eines solchen Vermittlers ist es, die zerstrittenen Parteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Er sortiert mit ihnen die Fakten und die Interessenlagen, die rechtlichen und auch die emotionalen Aspekte. Und er sucht eine Lösung, mit der alle leben können. Auch wenn es in der Führungsetage oder der Belegschaft kracht oder es bei Generationswechseln, Fusionen und laufenden Geschäften Ärger gibt, werden Mediatoren gerufen. Oft mit Erfolg: Die Hilfe eines Schlichters kann eine echte Alternative zu einem langen, teuren und rufschädigenden Gerichtsverfahren sein.
Gelingt die Vermittlung, sparen die Kontrahenten jede Menge Geld und Nerven. Und doch hat dieses sanfte Verfahren ein Imageproblem: „Gerade Mittelständler halten die Mediation immer noch für Hokuspokus“, sagt der Kölner Wirtschaftsmediator Eckhard Eyer. Da sich die Mediation in Deutschland zunächst als Familientherapie etabliert habe, dächten viele an „therapeutische Gesprächskreise, bei denen ein Psychosoftie in der Mitte“ sitze. Erfolgsquote liegt bei etwa 80 Prozent
Ein Klischee. Die bundesweit etwa 6000 Wirtschaftsmediatoren sind meist Anwälte, Coaches oder Berater mit Zusatzausbildung. Und weil in Krisenzeiten wie diesen immer mehr Firmen in Not geraten, haben sie, wie Mediator Eyer sagt, „mächtig zu tun“. Ihre Bilanz ist nach eigenen Angaben hervorragend: „Die Erfolgsquote liegt bei etwa 80 Prozent.“
Dass Streit zwischen Geschäftspartnern auch weitaus friedlicher geregelt werden kann, zeigt das Vereinigte Königreich. Jeder in Großbritannien geschlossene Bauvertrag enthält die Klausel, sich zuerst außergerichtlich zu einigen. Binnen 28 Tagen muss eine Entscheidung fallen. Seit Einführung dieser Regelung 1998 ist die Zahl der Baurechtsprozesse zurückgegangen – um unglaubliche 98 Prozent. Die Erfahrung der Briten veranlasste die EU-Kommission, eine Mediationsrichtlinie auf den Weg zu bringen, die bis Mitte 2011 umgesetzt werden soll. Bis es so weit ist, bleibt der Anwalt Unternehmers Liebling. (Bernd Mertens)

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