Wirtschaft

Syrer oder kein Syrer, das ist für das BAMF die Frage. (Foto: dpa)

16.03.2017

Pass-Betrügern auf der Spur

Dank einer neuen Technik kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefälschte Dokumente von unberechtigten Asylbewebern leichter enttarnen

Wie von Geisterhand erscheint auf dem Computerbildschirm eine silbrig leuchtende Handschrift auf dunklem Grund. Dabei war das grüne Originaldokument auf den ersten Blick unbeschriftet. "Alte Eintragungen darauf wurden chemisch entfernt", erklärt der Urkundensachverständige Carsten Lein. "Das ist ein wenig wie bei einem Tintenkiller, wie man ihn in der Schule benutzt." Erst grünes Licht mit einer bestimmten Wellenlänge hat die Buchstaben auf der russischen Geburtsurkunde wieder sichtbar gemacht. Der 38 Jahre alte Lein ist einer der Dokumenten-Experten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Ihr Job ist es, gefälschte Dokumente von Flüchtlingen von echten zu unterscheiden.

Asylbewerber legen aus den unterschiedlichsten Gründen falsche Papiere vor - etwa wenn sie wegen des unbefristeten Wehrdienstes aus Eritrea fliehen, der laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International staatlicher Zwangsarbeit gleichkommt. "Sie brauchen dann gefälschte Pässe, um überhaupt aus dem Land zu kommen", erklärt Lein. Meist teilten die Menschen das den BAMF-Mitarbeitern dann auch mit. Andere ändern nur das Geburtsdatum, weil sie sich als minderjährig ausgeben wollen. Und wieder andere nutzen gefälschte Papiere, um sich als Syrer auszugeben - denn Asylanträge aus diesem Land haben meist Erfolg.

UV-Licht, Mikroskope und Beleuchtungskasten


Zu den fünf Sachverständigen, drei Anwärtern auf diesen Job sowie neun weiteren Kollegen im Urkundenlabor des BAMF kommen vor allem die schwierigen Fälle. Denn schon in jeder Außenstelle des Bundesamtes gibt es geschulte Mitarbeiter, die Dokumente prüfen - im vergangenen Jahr waren das rund 392 000. Sie benutzen dafür Mikroskope und einen Beleuchtungskasten, in dem die Papiere etwa von unten durchleuchtet werden oder mit UV-Licht bestrahlt. Bestimmte Fasern leuchten dann hell. Auch ein Pass-Scanner samt Prüfsoftware, wie ihn auch Beamte an Flughäfen haben, steht den BAMF-Mitarbeitern zur Verfügung.

Fällt ihnen etwas Verdächtiges an einem Pass auf - etwa ein Stempel, von dem ein Teil nicht mehr sichtbar ist, oder Schrift, die von Fälschern nicht gut genug entfernt wurde - schicken sie das Dokument nach Nürnberg. Dort steht zusätzlich zu Mikroskopen und Beleuchtungskästen ein sogenannter Video-Spektral-Komparator. Der Zauberkasten ist rund 80 000 Euro wert. Er wird oft gebraucht. "Denn vieles ist mit dem bloßen Auge nicht sichtbar", sagt Lein.

Das russische Blanko-Dokument hatte ein Verbindungsbeamter des BAMF auf dem Schwarzmarkt in der Ukraine erworben. Die Kollegen in Nürnberg nutzen es nun zu Schulungszwecken. Ein Fälscher brauche schon ein wenig Übung, um Schrift so unsichtbar zu machen, sagt Lein. "Wenn anschließend etwas darüber geschrieben wurde, sieht man mit Hilfe des Komparators die doppelte Eintragung."

Wichtig sind Wasserzeichen, Hologramme oder Strichcodes


Viele Flüchtlinge legen dem BAMF alle möglichen Papiere vor, darunter Identitätsnachweise wie Reisepässe oder Geburtsurkunden, Registerauszüge, Dienstausweise von Behörden oder auch Religionsbescheinigungen. Damit wollen sie einen Glaubenswechsel beweisen, weswegen sie in ihrem Land verfolgt wurden. Doch es ist die Minderheit, die überhaupt Dokumente dabei hat. Nur etwa 40 Prozent der Flüchtlinge legen nach BAMF-Schätzung irgendeine Art von Papier vor. Eine genaue Statistik führt die Behörde bislang nicht.

Die Sachverständigen schauen sich die Dokumente immer komplett an und prüfen sie - sofern vorhanden - an Vergleichsmaterial. Dabei achten sie besonders auf die unterschiedlichen Sicherheitsmerkmale - etwa Wasserzeichen, Hologramme oder Strichcodes. Dafür steht ihnen eine Datenbank mit Dokumenten aus aller Welt zur Verfügung. Wenn es kein Vergleichsmaterial gibt, ist eine abschließende Beurteilung nicht immer auf Anhieb möglich. "Verfälschungen kann man aber feststellen", sagt Lein. Viele Dokumente entsprechen auch nicht gerade europäischen Standards, sind etwa noch per Hand beschriftet.

99 000 begutachtete Dokumente im vergangenen Jahr


"Ich schaue mir jedes Dokument auf Manipulationsspuren an und zähle zum Beispiel auch die Seiten", erklärt Christa Schäfer. Die 30-Jährige ist Anwärterin auf den Beruf des Urkundensachverständigen. Sie vergleicht Drucktechniken, Schriften und Muster. Schäfer hat schon ein Studium hinter sich und sattelt nun die drei- bis vierjährige kriminaltechnische Zusatzausbildung des Bundeskriminalamtes drauf. Ihren Praxisteil absolviert sie im BAMF, denn hier war sie erst auf den seltenen Beruf gestoßen.

Ein bis zehn Dokumente am Tag schaut sich ihr Kollege Lein in der Regel an. "Bei manchen sieht man eine Fälschung sofort, bei anderen ist man einen halben Tag beschäftigt." Ganz wichtig bei seiner Arbeit: "Vom ersten optischen Eindruck darf man sich nicht täuschen lassen." Denn grundsätzlich könne jedes Dokument gefälscht werden.

Im vergangenen Jahr hat die Nürnberger Abteilung 99 000 Dokumente untersucht. Bei rund sechs Prozent wurden mutmaßliche Fälschungen festgestellt. Solche Fälle werden dem Asyl-Entscheider mitgeteilt, der Ausländerbehörde und seit Oktober 2016 auch der Polizei. Bei sicherheitsrelevanten Fragen wird zudem das BKA informiert.

Auch durch den Austausch mit anderen Flüchtlingsbehörden haben sich die BAMF-Experten inzwischen ein einzigartiges Fachwissen aufgebaut. Lein gibt dennoch zu: "In wenigen Fällen kann die Echtheit eines Dokumentes nicht zweifelsfrei und gerichtsfest bestätigt werden - insbesondere dann, wenn das Dokument erhebliche Gebrauchsspuren aufweist." Dann ist vor allem der Entscheider gefragt, die Wahrheit herauszufinden. Und es gilt der gleiche Grundsatz wie vor Gericht: Im Zweifel für den Angeklagten - oder hier: für den Flüchtling. (Catherine Simon, dpa)

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