Wirtschaft

Handwerker können sich derzeit über eine mangelnde Auftragslage nicht beschweren. (Foto: dpa)

24.07.2015

Politik bedenkt oft Folgen für Handwerk nicht

Handwerkskonjunktur weiterhin auf hohem Niveau

Das bayerische Handwerk profitiert weiterhin von günstigen Rahmenbedingungen. Die kräftig anziehenden Einkommen in Verbindung mit einem boomenden Arbeitsmarkt und niedrigen Zinsen schaffen Kaufanreize für Verbraucher und Gewerbekunden. Der Aufschwung trägt sich momentan selbst“, erklärte Georg Schlagbauer, Präsident des Bayerischen Handwerkstage (BHT), bei der Vorstellung der neuesten Konjunkturzahlen. Gleichwohl werde es immer schwieriger, das mittlerweile erreichte Niveau zu übertreffen, so Schlagbauer weiter.
Die Geschäftslage im 2. Quartal 2015 bewerteten 90 Prozent der befragten Handwerksbetriebe mit gut oder befriedigend. Damit liegt der wichtigste Stimmungsindikator auf Vorjahresniveau. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung der Handwerksbetriebe im Freistaat betrug im Berichtszeitraum 80 Prozent (Vergleichsquartal: 80 Prozent) und bewegte sich damit knapp unter dem 20-Jahreshoch. Für das 3. Quartal erwarten 90 Prozent der Handwerksbetriebe eine gute oder befriedigende Geschäftslage. Dies entspricht laut Schlagbauer dem Vorjahresquartal und untermauert den nach wie vor großen Optimismus im Handwerk.

Auftragsreserven haben sich verringert

Die Auftragsreserven der Betriebe im Freistaat haben sich nach den Worten des BHT-Präsidenten im 2. Quartal 2015 gegenüber dem Vorjahresquartal von 7,8 auf 7,7 Wochen verringert, würden aber weiterhin deutlich über dem Mittelwert der letzten Dekade liegen. Angesichts der sich belebenden Nachfrage dürften die Reserven im Sommer wieder zunehmen. Nach ersten Schätzungen hat das bayerische Handwerk im 2. Quartal 24,9 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Dies entspricht einem nominalen Zuwachs von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ende Juni waren in bayerischen Handwerksbetrieben rund 902 800 Personen tätig, ebenso viele wie vor zwölf Monaten.
Die Investitionsneigung der bayerischen Betriebe ging im Berichtszeitraum laut Schlagbauer leicht zurück. Im 2. Quartal 2015 investierten 31 Prozent der Umfrageteilnehmer in neue Maschinen oder Fahrzeuge (minus zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Das Investitionsvolumen lag bei rund 780 Millionen Euro, zwei Prozent mehr als im 2. Quartal 2014. Die Zahl der Mitgliedsbetriebe sank im Berichtszeitraum um 0,1 Prozent auf gut 201.500.
Für das Gesamtjahr 2015 wird für das bayerische Handwerk beim Umsatz mit einem nominalen Plus von zwei Prozent gerechnet. Die Beschäftigung dürfte im Jahresdurchschnitt stabil bleiben (plus 0,1 Prozent). Bei den Investitionen wird ein Anstieg von 3,5 Prozent erwartet. Die Zahl der Betriebe dürfte um etwa ein Prozent zurückgehen.

Kritik an Reform der Erbschaftssteuer

„Ich bin jetzt knapp ein Dreivierteljahr im Amt und durfte mich in dieser Zeit bereits mit vielen Themengebieten befassen, die das Handwerk beeinflussen. Leider scheint der Politik nicht immer klar zu sein, dass ihre Entscheidungen weitreichendere Folgen haben, als sie denken, auch und gerade in Bezug auf das Handwerk“, erklärte der BHT-Präsident. Die Erbschaftsteuer sei so ein Fall. „Die anstehende Reform entscheidet die wirtschaftliche Zukunft unseres Wirtschaftsbereichs wesentlich mit“, so Schlagbauer. „Kommt es so, wie vom Bundeskabinett vorgesehen, würden deutlich weniger Handwerksbetriebe von der Erbschaftsteuer verschont, als bisher.“ Die Grenze, bei der Betriebe von der Erbschaftssteuer freigestellt werden, liegt nach den Regierungsentwurf bei drei Beschäftigten. Sie müsse dringend auf mindestens fünf Vollzeitäquivalente angehoben werden, forderte der BHT-Präsident. Im Arbeitsrecht beispielsweise gelten Kleinbetriebsregelungen mindestens ab fünf Beschäftigten. Für Betriebe zwischen sechs und 20 Beschäftigten sollte darüber hinaus eine weitergehende Lohnsummenregelung greifen. „Hier muss im Interesse unserer Familienbetriebe noch nachverhandelt und der bürokratische Aufwand reduziert werden“, forderte Schlagbauer.
Auch bei der politischen und rechtlichen Bewertung der Flüchtlingssituation stehen nach den Worten des BHT-Präsidenten wichtige Weichenstellungen an. Viele Betriebe würden gerne junge Leute aus Syrien oder Afghanistan ausbilden, sagte Schlagbauer. Dafür müsse jedoch die Praktikabilität während der Ausbildung verbessert werden. „Dass die Duldung künftig für Asylbewerber, die eine Lehre absolvieren, immer für jeweils ein Jahr erteilt wird, ist zwar eine kleine Verbesserung, bringt unsere Betriebe aber nicht groß weiter. Sie können nicht extra eine Bürokraft einstellen, die sich fast ausschließlich um die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen kümmert, wie das Großkonzerne machen“, kritisierte Schlagbauer.

Unfaire Konkurrenz von kommunalen Betrieben

Der BHT-Präsident befürchtet, dass Handwerksfirmen bei Infrastrukturmaßnahmen wie dem Straßenbau künftig weitgehend außen vor bleiben werden. So seien beispielsweise die Losgrößen bei ÖPP-Ausschreibungen oftmals so groß bemessen, dass Handwerksbetriebe nicht mehr zum Zug kommen. „In der Regel bekommen beim Bau Generalunternehmer den Zuschlag, die mit Subunternehmern arbeiten. Für einheimische Betriebe ist es kaum mehr möglich, zu auskömmlichen Preisen anzubieten, mit der Billigkonkurrenz als Gegner“, sagte Schlagbauer. Hier müsse die Politik schleunigst einschreiten, sonst stünden Arbeits- und Ausbildungsplätze auf dem Spiel.
Unfaire Konkurrenz drohe dem Handwerk aber auch von ortsansässigen kommunalen Betrieben beziehungsweise kommunalen Regiebetrieben, erklärte der BHT-Präsident. Das bayerische Finanzministerium habe 2014 im Auftrag einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf für den neuen § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG) vorgelegt. Die geplante Vorschrift zielt darauf ab, kommunale Beistandsleistungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Der Entwurf ermöglicht es der öffentlichen Hand, marktrelevante Tätigkeiten im Bereich der öffentlichen Infrastruktur steuerlich privilegiert und zulasten privater Wettbewerber weiter auszudehnen. „Dies“, so Schlagbauer, „führt zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung auf Kosten des Handwerks.“
(Friedrich H. Hettler)

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