Wirtschaft

Erdkabelverbindungen möglichst wirtschaftlich und bodenschonend zu bauen, ist eine Herausforderung, der sich Amprion gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Experten und Fachverbänden stellt. (Foto: Amprion GmbH / Lutz Kampert)

15.12.2017

Rechtswidrige Baubeschleunigung

Förderung trotz Neun-Prozent-Rendite: EU schiebt Südlink-Stromtrasse an

Die HGÜ-Trasse Südlink soll möglichst schnell gebaut werden, damit Windstrom von Deutschlands Küsten in den Süden der Republik transportiert werden kann. Doch Gegner des Großprojekts wollen im entsprechenden Beschleunigungsgesetz des Bundes eine Völkerrechtswidrigkeit ausgemacht haben. Der Südlink: Von Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg soll die neue Stromleitung führen, meist als Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) in der Erde vergraben. Die offizielle Begründung für Südlink: Er soll Windstrom aus dem Norden in die Verbrauchsregionen im Süden Deutschlands transportieren. Doch die EU begründet ihre Förderung anders.

Am 17. März 2017 habe die Arbeitsgemeinschaft der zwei regional zuständigen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) TenneT und TransnetBW „den Antrag auf Bundesfachplanung nach § 6 Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) bei der Bundesnetzagentur eingereicht“, steht auf der Webseite www.transnetbw.de/de/suedlink/.

Gesetz hebelt die Regeln der Aarhus-Konvention aus


Schon die NABEG-Beschleunigung selbst ist in Deutschland umstritten. Denn das Gesetz hebelt die Regeln der Aarhus-Konvention aus. Dieses grundsätzlich europaweit geltende Verfahren fordert auch hierzulande bei umweltrelevanten Großprojekten: Klägern müsse der Gerichtszugang möglich sein, bevor die relevanten Planungen beginnen. Doch im NABEG sind frühzeitige Klagen ausdrücklich ausgeschlossen.

Das „Umweltrechtsbehelfsgesetz“, das mit NABEG direkt zusammenhängt, unterstreicht diesen Aarhus-ignorierenden Ablauf noch. Eine „Völkerrechtswidrigkeit“, meinen Stromtrassengegner und gehen deshalb seit Jahren juristisch gegen die Bundesrepublik vor. Denn „wenn in Planungsverfahren Fehler begangen werden, die gegen die Aarhus Konvention verstoßen und die nicht „heilbar“ sind, also nicht korrigiert werden können, dann sind diese Projekte Schwarzbauten“, ist man sich beispielsweise bei der Aarhus Konvention Initiative in Marktredwitz sicher.

Doch neben den NABEG-Regeln will die EU-Kommission den Südlink-Trassenplanern weitere „Vorteile“ zugestehen:
a) gestraffte Genehmigungsverfahren (mit einer verbindlichen Höchstdauer von dreieinhalb Jahren),
b) bessere, schnellere und straffere Umweltverträglichkeitsprüfungen,
c) eine einzige nationale zuständige Behörde (einzige Anlaufstelle), die alle Genehmigungsverfahren koordiniert.

So steht es in einer Presseerklärung der EU-Kommission vom 27. November. Zur Begründung führt die EU-Bürokratie an: „Es werden beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Netze zu verbessern, aber die Verzögerungen bei wichtigen Projekten sind beträchtlich, auch wegen des politischen Widerstands.“

Nutzen für mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten


Wegen „spürbaren Nutzens für mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten“ verspricht Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für die Energieunion, den Trassenplanern sogar „Förderung“. Es gebe konkrete „finanzielle Unterstützung im Rahmen der Fazilität ,Connecting Europe’ (CEF) in Form von Zuschüssen und innovativen Finanzierungsinstrumenten“. In EU-Papieren steht zu CEF: „Dabei geht es darum, erneuerbare Energiequellen grenzüberschreitend einzubinden.“

„Außer Deutschland haben auch alle Anrainerstaaten Deutschlands – vor allem im Osten – einen Nutzen aus Südlink“, sagt ein EU-Sprecher der Staatszeitung. Die Kommission bestätigt also: Die Leitung ist beileibe nicht nur für den „Transport von Windstrom von Schleswig-Holstein nach Bayern“ gedacht. ÜNB, Bundes- und Länderregierungen sowie Bundesnetzagentur BNetzA haben aber genau diesen innerdeutschen Nutzen bisher unisono und stets als Grund für den schnellen Leitungsbau und das NABEG angeführt. Nun also ist Südlink ein „PCI“, ein „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ (PCI = projects of common interest): So steht es auch auf der Seite www.netzausbau.de der BNetzA.

Transnationaler Stromtransit


„Wir sehen diese Einstufung als PCI sehr kritisch. Südlink und andere Leitungen sind in Wirklichkeit Projekte, die transnationalem Stromtransit dienen“, schreibt der BUND-Energieexperte Werner Neumann auf Anfrage. Und er setzt noch einen Kritikpunkt drauf: „Die eigentlich EU-weit geforderte Strategische Umweltprüfung SUP wird bei den PCIs auch nicht gemacht. Das haben wir mehrfach in unseren Stellungnahmen geschrieben.“

Die „Verordnung zur Trans-Europäischen Energieinfrastruktur“ scheint die Leitungskritiker zu bestätigen: „Die vorgesehenen Fristen berühren weder die aus Völker- und Unionsrecht resultierenden Verpflichtungen noch die Rechtsbehelfsverfahren vor Verwaltungsbehörden und die für ein Verfahren vor einem Gericht vorgesehenen Rechtsbehelfe.“ SUP wie auch das Einhalten der Aarhus-Kriterien könnten den Trassenbau demnach weiter verzögern. Ohnehin hatten die Südlink-Planer lange Planungszeiten erwartet: „Die notwendige Neuplanung verzögert die ursprünglich für 2022 angestrebte Inbetriebnahme um drei Jahre.“ Doch das auch von Kommissar Maros Sefcovic unterstützte, offensichtliche EU-Schnellgenehmigungsverfahren soll wohl einen Teil dieser Zeit wieder einsparen.

Etwa 40 Millionen Euro Förderung beantragt


Nicht klar wird übrigens, warum die EU-Kommission ausgerechnet jetzt auf die Möglichkeit der finanziellen Südlink-Förderung hinweist. „Das Angebot wurde von den Projektverantwortlichen bereits in Anspruch genommen“; schon im November 2016 wurden etwa 40 Millionen Euro Förderung beantragt. Seit diesem Sommer fließt das Geld, „die höchste Summe an CEF-Mitteln, die bis dato für derartige Aktivitäten von der Kommission bereitgestellt wurde“, schreibt Annett Urbaczka, Leiterin Unternehmenskommunikation bei TransnetBW auf die Anfrage der Staatszeitung.

Urbaczka bestätigt auch, die Förderung kam wegen der „sogenannten Connecting Europe Facility (CEF)“-Relevanz von Südlink zustande. Für BUND-Mann Werner Neumann ist „dies eine Diskriminierung aller potentiellen Stromerzeuger, gerade auch der erneuerbaren Energien, die vor Ort arbeiten wollen im Sinne dezentraler Konzepte. Bei deren Umsetzung bräuchte man diese HGÜ-Leitungen gar nicht“.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) dagegen hüllt sich in Schweigen zu der Frage, was hierzulande die „einzige nationale zuständige Behörde (einzige Anlaufstelle), die alle Genehmigungsverfahren koordiniert“ ist, eine Vorschrift seitens der EU. Ein Sprecher des BMWI erklärt aber lapidar: „Selbstverständlich steht den Betroffenen auch der Rechtsweg offen.“
(Heinz Wraneschitz)

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