Wirtschaft

14.10.2011

Rettungsversuch für Firmen in Not

Sanierungsberater können angeschlagene Unternehmen vor der Pleite bewahren – wenn deren Chefs rechtzeitig nach Hilfe rufen

Ein Vorurteil über Sanierungsberater lautet: Sie kommen in Unternehmen, die finanziell schon in die Knie gegangen sind, und wurschteln dort so lange herum, bis gar kein Geld mehr da ist. Außer in ihren eigenen Taschen, versteht sich. Das mag zwar bei einigen schwarzen Schafen der Fall sein. In der Regel rücken Sanierungsberater aber an, um Unternehmen vor der drohenden Insolvenz zu retten. In der Krise ist die Nachfrage nach Sanierungsexperten stark gestiegen, hat die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) festgestellt; viele Firmen steckten in Liquiditätsnöten. Auch heute ist der Hilfebedarf noch deutlich höher als vor der Krise. Jetzt haben viele Unternehmen Probleme, den Aufschwung zu finanzieren. Sanierungsberater haben jedoch ein Problem: „In 90 Prozent der Fälle kommen wir zu Unternehmen, bei denen es schon fünf vor zwölf ist“, sagt PwC-Restrukturierungsexperte Derik Evertz. Bei Untätigkeit droht die Ertragskrise
Sehen Unternehmen ernsten Problemen entgegen, unterscheiden Fachleute drei Stadien. Im ersten Stadium zeichnet sich ab, dass Produkt oder Geschäftsmodell mittelfristig nicht mehr zeitgemäß sein werden. Noch läuft zwar alles gut. Die Frage ist nur, wie lange noch. Bleibt das Unternehmen untätig, mündet die Strategiekrise über kurz oder lang in die Ertragskrise. In dem Stadium schlägt sich die überalterte Strategie in sinkenden Erträgen nieder. Handelt die Geschäftsleitung noch immer nicht, folgt rasch die Liquiditätskrise, in der die laufende Finanzierung ins Stocken gerät und die Insolvenz droht. Das ist in der Regel der Zeitpunkt, an dem Unternehmer einen Sanierungsberater zu Hilfe holen.
Läuft das Geschäft noch rund, sehen viele Unternehmer die Warnzeichen nicht. Oder unterschätzen sie und glauben, die Lage selbst wieder in den Griff zu bekommen. „Kaum jemand holt sich freiwillig einen Sanierungsberater ins Haus“, sagt Evertz.
Je später ein Sanierungsberater seinen Job antritt, desto rascher muss er handeln - und desto enger ist sein Handlungsspielraum. Zunächst steht die Liquiditätssicherung im Vordergrund. Der Berater sucht Stellen, an denen er noch flüssige Mittel schöpfen kann. Zumindest, bis er Banken oder andere Geldgeber davon überzeugt hat, dem betroffenen Unternehmen noch eine Chance zu geben. Sind die schlimmsten Liquiditätslöcher gestopft, nimmt er sich das operative Geschäft vor und versucht, Kosten zu senken. Dann erst macht er sich Gedanken darüber, wie das Unternehmen auf lange Sicht überleben kann, welche Strategie es verfolgen und wie es sich langfristig finanzieren könnte. In vielen Fällen können Sanierungsberater so das Ruder noch herumreißen. Je schlechter die Lage ist, desto engere Grenzen sind den Helfern aber gesetzt. „Ist ein Unternehmen erst einmal zahlungsunfähig, darf man nicht munter drauflos sanieren“, sagt Detlef Specovius, Sanierungsberater beim Restrukturierungs- und Insolvenzverwaltungsspezialisten Schultze & Braun.
Beihilfe zur Insolvenzverschleppung
Das gilt vor Gericht als Beihilfe zur Insolvenzverschleppung. Ist es nicht mehr fünf vor, sondern eine Minute nach zwölf, können Sanierungsberater nur noch den Insolvenzantrag vorantreiben – oder ihr Mandat niederlegen. Sanierungsexperten verhandeln nicht nur mit Gläubigern, sondern auch mit Lieferanten, Mitarbeitern und gelegentlich auch Kunden. Eben mit allen, die zurückstecken müssen, damit ein Unternehmen nicht pleitegeht. Das ist nicht immer einfach. „Jeder kämpft um seine Pfründe“, sagt Specovius. Firmenchefs oder Mitarbeiter hängen oft an bestimmten Produkten, Maschinen oder Abläufen und können sich nicht zu tiefgreifenden Änderungen durchringen. Das macht es Sanierungsberatern zusätzlich schwer. Oft holen sie deshalb einen Interimsmanager mit ins Boot, einen Manager auf Zeit, der umsetzt, was sie sich ausgedacht haben.
„Stehen Unternehmen kurz vor der Insolvenz, herrscht bei ihnen in der Regel Chaos in allen Bereichen“, sagt Harald Linné, Partner beim Dienstleister Atreus, der Interimsmanager vermittelt. Vor allem die Beziehung zwischen Geldgebern und Unternehmen ist in einer Sanierungssituation in der Regel bereits stark angeknackst: „Banken hassen es, wenn man sie jahrelang vertröstet“, sagt Linné. Das Vertrauen ins Unternehmen ist oft dahin. Nimmt sich ein unvorbelasteter Dritter der Sanierung an, steigen die Chancen auf Rettung. Jeder zweite Interimsmanager, den Atreus 2010 vermittelt hat, ging in ein sanierungsbedürftiges Unternehmen. Im Jahr davor waren es noch 60 Prozent. „Der Sanierungsbedarf sinkt zurzeit wieder“, sagt Linné: „Aber es gibt immer ein gewisses Grundrauschen.“ (Julia Groth)

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