Wirtschaft

Noch arbeiten Mensch und Roboter zusammen. Ohne klare Regeln könnten die Maschinen aber irgendwann komplett übernehmen. (Foto: dpa)

25.08.2017

Roboterland Bayern

Der Freistaat lehnt im Bereich Robotik eine Regulierung durch die EU ab

Bayern ist ein starker Standort für Roboter und künstliche Intelligenz. Dafür zeugen die Roboterhersteller Kuka in Augsburg und Franka Emika in München und das letztes Jahr in Oberpfaffenhofen gegründete Forschungszentrum für angewandte Automation und Robotik. Ein riesiger Wachstumsmarkt tut sich auf. Roboter sind nicht mehr aufzuhalten. Sie werden immer günstiger, kleiner, lernen selbstständig, können immer mehr und können immer leichter bedient werden. Natürlich sind sie nützlich, aber sind sie nicht auch ein Konkurrent im Job? Und wer haftet, wenn sie einen Schaden verursachen? Die Risiken lassen sich nur erahnen. Soll man alles zulassen, was technisch möglich ist?

Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. sieht nur Chancen und kaum Risiken. Sie will sich den Markt erst einmal in Ruhe entwickeln lassen, ohne dass ihn Brüssel „vorschnell“ reguliert. Das EU-Parlament sieht das anders und fordert von der EU-Kommission, hier jetzt aktiv zu werden. Die EU-Behörde ist indes vorsichtig und will erst einmal abwarten, was ganz im Sinne des vbw ist. Das wurde deutlich auf einem „parlamentarischen Abend“, den sie in der EU-Vertretung des Freistaates in Brüssel abhielt.

Hohe Roboterdichte in Deutschland


„Bayern ist Roboterland“, schwärmte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt in seinem Eingangsstatement. Und er meinte das auch für Europa. Europa ist laut Angaben des Internationalen Roboter-Verbands (IFR) mit Sitz in Frankfurt der größte Absatzmarkt für Industrie-Roboter weltweit, und innerhalb des EU-Binnenmarkts ist es wiederum Deutschland. Dabei ist die Roboterdichte in Deutschland mit 301 Robotern pro 10.000 Beschäftigten heute schon sehr hoch. Deutschland hat die viertgrößte Dichte an Robotern, nach Südkorea (531), Singapur (398) und Japan (305). Und es werden in Deutschland nicht nur viele Roboter verkauft, sondern auch hergestellt. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), ebenfalls mit Sitz in Frankfurt, verzeichnet 500 in Deutschland ansässige Hersteller mit insgesamt 52.800 Mitarbeitern. Die Hälfte des Umsatzes (zirka 14 Milliarden Euro) werde im Ausland realisiert, so der VDMA. Wie viele Hersteller davon in Bayern sitzen, war nicht ausfindig zu machen. Es dürften jedoch viele sein.

Den Mittelstand schneller erreichen


Aber nicht nur Bayerns Roboterhersteller würden vom weltweiten Wachstumstrend dieser Branche profitieren, so vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt weiter, sondern die bayerische Industrie insgesamt, weil durch den Robotereinsatz die Wertschöpfung und die Produktivität gesteigert werde und damit mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze entstünden. Auch die mittelständische Wirtschaft würde profitieren, müsse aber noch überzeugt werden: „Wir müssen den Mittelstand schneller erreichen.“ Dass sich durch Roboter das Arbeiten verändere, sei ganz natürlich. „Die Arbeit wird nicht ausgehen“, äußerte sich Brossardt überzeugt. Es entstünden neue Berufsfelder und Jobs. Aber die Arbeitnehmer müssten sich darauf einstellen, ihr Leben lang lernen zu müssen. Brossardt forderte ein Kompetenzzentrum für Robotik in Bayern und äußerte sich zuversichtlich, dass das zustande kommt: „Das kriegen wir schon hin.“ Notwendig sei der Ausbau der für die künstliche Intelligenz notwendigen digitalen Infrastruktur (Glasfasernetze, 5G Mobilfunkstandard), denn 65 Prozent aller Arbeitsplätze befänden sich in Bayern in ländlichen Regionen. „Wir brauchen eine flächendeckende digitale Infrastruktur.“ Regelungen und einer Robotersteuer erteilte er eine Absage: „Eine Robotersteuer wäre eine Investitions- und Innovationsbremse.“

 Khalil Rouhana, der stellvertretende Generaldirektor der EU-Kommissionsabteilung für Kommunikationsnetze (GD Connect) und dort für die digitale Industrie zuständig, beruhigte: „Wir sind vorsichtig. Lasst uns erst einmal experimentieren und Daten austauschen“, sagte Rouhana. Die EU-Kommission werde keine Gesetzesvorschläge machen, ohne vorher konsultiert zu haben. Das sei auch bei der neuen EU-Maschinenrichtlinie so gewesen. Hier will die EU-Kommission wissen, ob die Vorschrift ihr Ziel – die Erleichterung des Inverkehrbringens von Maschinen im Binnenmarkt – erreicht hat. Wenn nicht, würde sie Änderungen vorschlagen.

Der Franzose, der nach eigenen Aussagen oft beruflich in Baden-Württemberg und Bayern, den High-Tech-Regionen Deutschlands, weilt, sieht wie vbw-Chef Brossardt keine Gefahr für Jobs durch Roboterisierung: „Gerade die Regionen, wo am meisten roboterisiert wurde, haben die niedrigste Arbeitslosenquote“. Wichtig seien digitale Kompetenzen der Arbeitnehmer („digital skills“). Im Dezember werde seine Abteilung eine Mitteilung darüber herausgeben, wie die gefördert werden können. Die EU sei weltführend bei Industrie-Robotern und das solle so bleiben. Im Konsumbereich könne man noch viel mehr erreichen. „Wir müssen jedermann die Technologie zugänglich machen und Innovationshemmnisse abbauen.“

Kein Handlungsbedarf


Die derzeitige EU-Kommission, die noch bis Herbst 2019 im Amt ist, sieht also zurzeit keinen Handlungsbedarf, die Robotik zu regulieren. Einige EU-Parlamentarier, wie die luxemburgische Europaabgeordnete Mady Delvaux vom Rechtsausschuss, sehen das anders und sie hat das gesamte Gremium auf ihre Seite gebracht. Die Sozialdemokratin fordert die EU-Kommission auf, gesetzgeberisch initiativ zu werden. Die schnelle Zunahme der Entwicklung und Nutzung von Robotik und künstlicher Intelligenz (KI) stelle die europäische Gesellschaft vor neue und schwierige Herausforderungen, heißt es in der Begründung in ihrem 74-seitigen Bericht vom 17. Januar 2017, in dem es um ethische Grundsätze, Datenschutz, Standards und Haftungsfragen geht. In der Anlage des Berichts befindet sich auch ein ethischer Verhaltenskodex für Robotikingenieure. Der Weg vom Industriesektor zur zivilgesellschaftlichen Umgebung zwinge zu einer anderen Herangehensweise an diese Technologien, da es in sehr verschiedenen Bereichen zu einer zunehmenden Interaktion zwischen Menschen und Robotern und KI kommen würde. Die Risiken, die durch diese neuen Interaktionen entständen, müssten dringend angegangen werden.

Ein Tätigwerden der EU rechtfertigt der Rechtsausschuss damit, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche einzelstaatliche Rechtsvorschriften ausarbeiten würden, was der Entwicklung der Robotik in der EU hinderlich sei. Da aber diese Technologie grenzüberschreitende Folgen habe, sei die beste legislative Maßnahme eine Maßnahme auf europäischer Ebene. Der deutsche Europaabgeordnete Axel Voss (CDU) und Mitglied im Rechtsausschuss des EU-Parlaments, der anders als die Verfasserin des Berichts Delvaux an dem parlamentarischen Abend in der bayerischen EU-Vertretung in Brüssel teilnahm, nahm folgendermaßen Stellung zu dem Bericht: „Ich finde den Bericht nicht schlecht. Wir können die Robotik nicht vor uns hertröpfeln lassen.“ Der Gesetzgeber sei nicht kreativ genug: „Unser Rechtssystem ist auf Robotik nicht anwendbar.“ Der aus Hameln stammende CDU-Politiker gab andrerseits aber auch selbstkritisch zu bedenken, dass man bei der Datenschutz-Regulierung vielleicht schon zu viel getan habe: „Wir sind zu große Bedenkenträger.“

Ein Aspekt in dem Delvaux-Bericht ist die Haftung. Wer haftet, wenn ein Roboter Schäden verursacht? Dirk Heckmann, Professor an Universität Passau, hat sich im Auftrag des vbw dieser Frage angenommen. Er sieht Haftungsregeln für Roboter für nicht notwendig. „Unser Rechtssystem reicht aus“, sagte der auf Internet-Recht spezialisierte Jurist. Eine Haftung nach dem Vorbild der Tierhalterhaftung oder gar die Einführung einer eigenen Rechtspersönlichkeit für Roboter („E-Person“), wie sie im Delvaux-Bericht vorgeschlagen wird, hält er für ungeeignet, Letzteres sogar für Unsinn. Es komme vielmehr darauf an, technische Lösungen zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit und Beweisbarkeit zu entwickeln. Dies könne zum Beispiel durch eine Art Black Box für Roboter geschehen. Der könne man nach einem eingetretenen Schaden entnehmen, was ihn (zum Beispiel Material- oder Softwareversagen) verursacht habe. Die Black Box habe den Vorteil, dass sie die Produktverbesserung vorantreibe, so Heckmann. Für ihn sind also die Techniker und nicht die Juristen zuständig: „Wir geben den Ball an die Techniker zurück. Das Juristische kriegen wir leichter hin als das Technische.“ Einzelheiten seiner Argumentation können seiner 53-seitigen Studie Datenschutz, IT-Sicherheit und Haftung bei automatisierten Systemen entnommen werden, die er im Juli für den vbw fertiggestellt hat.

Die faszinierende Welt der Robotik


Wie faszinierend die Robotik jenseits aller rechtlichen und ethischen Fragen ist, demonstrierten Gerd Hirzinger, Professor an der Technischen Universität München und Mitglied im Zukunftsrat der vbw, sowie Sami Haddadin, Mitbegründer des Klein-Roboterherstellers Franka Emika. Hirzinger stellte die Assistenzrobotik in Bayern vor. Darunter versteht man die Mensch-Roboter-Kooperation. Das geht nicht mit klassischen Industrierobotern, wie man sie heute in der Autoindustrie einsetzt, sondern nur mit sensitiven Robotern („Softbots“). Durch immer genauere Sensoren (Messgeräte), die in den Robotern eingebaut werden, ist das möglich geworden, was vor noch zwei Jahren für undenkbar schien. In der Assistenzrobotik – Hirzinger spricht von „Humanoiden“ – habe man in Bayern dank der Verknüpfung von Elektronik, Mechanik, Soft- und Hardware erhebliche Standortvorteile. Bereits heute sei eine Vielzahl von Anwendungen Realität und die Entwicklung schreite rasch voran. „Die Technologien sind in Bayern da, wir müssen’s nur machen.“ Leider mache Siemens da noch nicht mit. „Wir in Bayern können zeigen, woher die guten Roboter wirklich kommen.“ Das müsse nur bekannt gemacht werden. Google mache viel PR mit seinem Google-Auto. Das Konkurrenzprodukt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) – das „Robomobil“ – habe dagegen keine Beachtung in den Medien gefunden, bedauerte er.

Roboter sind massenmarktfähig


Sichere Roboter für Jedermann: So könnte man das Geschäftsmodell des Münchner Start-up-Unternehmens Franka Emika zusammenfassen, das sich auch mit sogenannten Assistenzrobotern beschäftigt. Dessen junger Mitbegründer Sami Haddadin und Professor am Institut für Regelungstechnik der Leipniz Universität Hannover, stellte es in der bayerischen EU-Landesvertretung sehr informell in Turnschuhen und Jeans vor, wie man es von Leuten aus der Start-up-Gründerszene wohl erwartet: „Wir sahen, dass Roboter teuer und nicht skalierbar waren und sie nicht jeder benutzen konnte. Franka löste das Problem. Jeder kann unsere Roboter innerhalb von Minuten bedienen und unsere Roboter sind massenmarktfähig.“ Und Haddadin äußerte sich äußerst zuversichtlich über die Zukunft des Unternehmens: „Der globale Markt für solche Roboter wird bis 2030 um 10.000 Prozent wachsen“, prognostizierte er, dessen Unternehmen kommende Generationen zu „robotic native“ ausbilden will.

Ethische Grundsätze für künstliche Intelligenz


Fazit: So faszinierend die neue Technik und der Hype ist, hinterfragen muss man doch die Risiken, auch wenn sie heute noch nicht abzuschätzen sind. Die aber wurden auf dem parlamentarischen Abend nicht angesprochen. Wo bliebe der Mensch, wenn sie alles besser könnten als er und ihn überflüssig machten? Und es gibt Kenner der Branche die warnen. So macht es stutzig, dass selbst die Vorstandsvorsitzende des US-Computerkonzerns IBM, Ginny Rometty, auf dem Weltwirschaftsforum im Januar in Davos (Schweiz) ethische Grundsätze für künstliche Intelligenz forderte und der Chef des US-Elektromobilbauers Tesla, Elon Musk, bei einer Anhörung vor amerikanischen Bürgermeistern jüngst vor künstlicher Intelligenz warnte und eine vorbeugende Regulierung forderte: „Wenn wir nur reagieren, wird es zu spät sein.“ Zu fragen wäre auch, warum denn die bayerischen Arbeitgeber heute mehr Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften fordern, die teuer ausgebildet werden müssen, wohl wissend, dass diese leicht durch Roboter ersetzt werden können. Wo bleibt der konsistente Weitblick von Wirtschaft und Politik?
(Rainer Lütkehus)

INFO Roboter sind nicht aufzuhalten

Laut dem Bericht des Internationalen Roboter-Verbands (IFR) mit Sitz in Frankfurt werde es bis 2019 rund 2,6 Millionen Industrieroboter auf der Welt geben. Schon 2015, einem Rekordjahr für die Branche, seien mehr als 1,6 Millionen Industrieroboter installiert gewesen. Deutschland habe 2015 seine Weltposition an der Spitze (vierter Platz), gemessen an der Zahl der Roboter je 10.000 Beschäftigte in der Industrie, gehalten. Hier der Vergleich der Roboterdichte: Korea 513 Roboter pro 10.000 Beschäftigte, Singapur 398 Japan 305, Deutschland 301. Bezogen auf Europa beträgt die durchschnittliche Dichte 92, in den USA 86 und in Asien 57. Italien ist der zweitgrößte Markt für Roboter in der EU, nach Deutschland und vor Spanien und Frankreich. Der IFR erwartet, dass im Jahr 2019 etwa 414.000 Industrieroboter weltweit verkauft werden, davon 25.000 in Deutschland.

Kommentare (1)

  1. Simon Haddadin am 10.09.2017
    Sehr geehrter Herr Lütkehaus,

    eine wirkliche gelungene Übersicht über den parlamentarischen Abend. Ich habe Ihnen eine kleine, aber feine Korrektur mitzuteilen. Prof. Sami Haddadin war an dem Abend nicht in Brüssel, sondern ich Dr. Simon Haddadin. Der Nachname ist kein Zufall, sondern Sami ist mein Bruder und wie Sie ja richtig schreiben Profesoor am IRT der LUH. An diesem Abend habe ich allerdings - als Gründer und Geschäftsführer der FRANKA EMIKA GmbH - vorgetragen. Ich denke mein Bruder wäre auch nicht in Turnschuhen und Jeans aufgetreten, das bin dann auch eher ich. Ich überlasse es Ihnen, ob Sie eine Richtigstellung machen möchten.

    Ich wünsche Ihnen noch einen erholsamen Sonntag.

    Mit besten Grüßen

    Simon Haddadin
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