Wirtschaft

Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling erläuterte in Nürnberg die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank. (Foto: Tjiang)

10.11.2017

Ruf nach soliden Staatsfinanzen und soliden Banken

Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling über Reformen in Europa

Die schlechte Nachricht gleich mal vorneweg: Die Niedrigzinsphase wird wohl noch die nächsten drei Jahre anhalten. Das konnte man zwischen den Zeilen herauslesen, wenn man den habilitierten Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling beim Presselunch der Sparda-Bank Nürnberg in der Frankenmetropole lauschte. Er sieht zwar mit dem jetzt von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleiteten Prozess der Reduktion der Anleiheaufkäufe als ein Signal für die Rückkehr zur Normalität, aber es werde noch einige Zeit dauern, bis sich das auch in einem höheren Leitzins niederschlage.

Rund 1,7 Billionen Euro Überschussliquidität im Euro-Raum


„Bereits 2016 hat die EZB die monatlichen Nettoanleihekäufe von 80 Milliarden Euro auf 60 Milliarden Euro gesenkt“, so Wuermeling. Und ab Januar 2018 werden es nur noch Käufe in Höhe von 30 Milliarden Euro pro Monat sein. Der Bundesbankvorstand betonte, dass bei diesen Käufen die jeweiligen nationalen Notenbanken Staatsanleihen ihrer Länder kaufen. „Die Bundesbank kauft im Rahmen dieses Programms der EZB nur deutsche Staatsanleihen mit bestem Rating“, so Wuermeling.

Das Anleiheaufkaufprogramm, das zu einer Überschussliquidität im Euro-Raum von rund 1,7 Billionen Euro geführt hat, sei von der EZB in Abstimmung mit den im EZB-Rat vertretenen 19 Notenbanken der Euro-Zone etabliert worden, um die drei Krisen der jüngsten Zeit abzufedern und die Wirtschaft in Europa wieder zu Investitionen zu bewegen. Die drei Krisen seien die Finanzmarktkrise von 2007, die Staatsschuldenkrise, die sich in Europa daran anschloss, und die in diesem Fahrwasser aufgetretene Rezession. Weil die Negativzinspolitik nicht zum gewünschten Ergebnis führte, habe die EZB das Anleiheaufkaufprogramm gestartet, quasi als Verlängerung des Zinshebels. Da aber erst dieses Programm wieder zurückgeführt werden muss, könne erst danach wieder an der Zinsschraube gedreht werden.

„In den USA ist man uns drei Jahre voraus. Die haben die Finanzkrise von 2007 überwunden“, so Wuermeling. Auch hätten die USA keine Staatsschuldenkrise zu verkraften. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass dort der Leitzins steige. Ebenso in Großbritannien: Durch den angekündigten Brexit habe das britische Pfund 25 Prozent an Wert verloren. „Das ist also eine importierte Inflation“, so der Bundesbankvorstand. Darum habe die britische Notenbank die Zinsen auf über 2,5 Prozent erhöhen können, um Preisstabilität zu erreichen.

All die negativen Folgeerscheinungen der Niedrigzinsphase für die Sparer hierzulande, bezeichnete Wuermeling als normale Reaktionen des Marktes auf diese Zinspolitik. Die von den Medien kolportierte Formel „Enteignung der Sparer“ mochte er gar nicht. Denn es sei keine juristisch veranlasste Enteignung. Dennoch sei der Bundesbank durchaus bewusst, dass Altersvorsorge und Sparmentalität der Deutschen unter den Rahmenbedingungen der Nullzinsphase sehr leiden. Einen Ausweg konnte er nicht aufzeigen und spielte geschickt den Ball an den versammelten Vorstand der Sparda-Bank Nürnberg weiter: Wie man sein Geld trotz dieses Zinsumfeldes zu attraktiven Renditen anlegt, könnten doch sicher die Berater der Genossenschaftsbank vermitteln.

Viel wohler fühlte sich Wuermeling bei der Darstellung des Erfolgs der europäischen


Gemeinschaftswährung. „Rund 340 Millionen Menschen in Europa nutzen den Euro und etwa 20 Prozent der weltweiten Währungsreserven werden in Euro gehalten“, erläuterte der Bundesbankvorstand. Zirka 70 Prozent der Währungsreserven würden in US-Dollar, die restlichen zehn Prozent in anderen Währungen wie etwa dem japanischen Yen gehalten. Das zeige, dass der Euro als einzige Währung weltweit neben dem US-Dollar von Investoren als „sicherer Hafen“ angesehen werde.
„Der Euro hat sich in vielerlei Hinsicht bewährt. Erstens war und ist die Kaufkraft des Euro außerordentlich stabil. Zweitens ist er stabil im Außenwert“, so Wuermeling. Die vom EZB-Rat definierte Inflationsrate bewege sich auf mittlere Sicht nahe zwei Prozent. „Das wurde weitgehend eingehalten. Auch der Wechselkurs des Euro zum US-Dollar liegt im Durchschnitt seit 1999 bei 1,21.“ Für den Bundesbankvorstand alles erfreuliche Tatsachen.

Weniger erfreulich für Wuermeling, die Bundesbank und die EZB ist aber die Tatsache, dass die durch Nullzinsen und Anleiheaufkäufe geschaffene Pufferphase von den nationalen Regierungen nicht für Reformen genutzt wurde. Stattdessen dränge sich der Eindruck auf, dass einige Staaten auf eine „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“ spekulieren. „Das ist aber nicht das Ziel der EZB“, verdeutlichte Wuermeling. Derartige Tendenzen werde aber auch die Bundesbank als zentraler Akteur im EZB-Rat verhindern.

„Damit Krisen weniger wahrscheinlich werden, brauchen wir erstens solide Staatsfinanzen und zweitens solide Banken. Und dritens brauchen wir einen besser integrierten Kapitalmarkt, damit entstehende Risiken auf mehr private Schultern verteilt werden“, so Wuermeling. Um solide Staatsfinanzen zu erreichen, bräuchte man eine unabhängige Überwachung für mehr Haushaltsdisziplin in Europa. Eine Institution wie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) mit klarem Mandat für solide Staatsfinanzen steht laut Wuermeling weniger in Konflikt mit weiteren europäischen Politikzielen.

Anleihegläubiger nicht zulasten der europäischen Steuerzahler ausbezahlen


Auch die Eigenverantwortung der Investoren müsse stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Darum schlägt die Bundesbank vor, Laufzeiten von Staatsanleihen automatisch zu verlängern, wenn Staaten europäische Rettungsgelder beantragen. „Damit wird verhindert, dass Anleihegläubiger zulasten der europäischen Steuerzahler ausbezahlt werden“, erklärte der Bundesbankvorstand.

Alles in allem sind das sinnvolle Vorschläge. Doch solange diese nicht umgesetzt sind, wird es weiter zu Filialschließungen im ländlichen Raum kommen. Denn die Kreditinstitute müssen Kosten sparen, um im Nullzinsumfeld überleben zu können. Für Wuermeling und die Bundesbank „eine normale Bewegung, die die Funktionsfähigkeit des Bankensystems in Deutschland nicht gefährdet“.
(Ralph Schwenfurth)

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