Wirtschaft

Fahren seit Mai 2015 komplett mit eigenem Ökostrom: die öffentlichen Verkehrsmittel der Landeshaupstadt. (Foto: MVG)

22.05.2015

Sonnen- und Schattenseiten der Energiewende

Eine von den Münchner Stadtwerken organisierte Experten-Diskussionsrunde widmet sich dem Thema Energiewende im 21. Jahrhundert

Der Anlass für die von den Münchner Stadtwerken im Alten Rathaus der Landeshauptstadt organisierte Podiumsdiskussion bot Grund zum Jubel beim kommunalen Eigenbetrieb: Seit Mai 2015 speisen die Stadtwerke mit ihren Anlagen so viel Ökostrom ins Netz ein, wie alle Münchner Haushalte, die U-Bahnen und die Tram der MVG gemeinsam verbrauchen. „Und bis zum Jahr 2025“, verkündet Stadtwerke-Geschäftsführer und Mit-Diskutant Florian Bieberbach, „wollen wir so viel Ökostrom in unseren eigenen Anlagen erzeugen, wie ganz München benötigt.“
Keine Frage: Für die „Energieversorgung in den Metropolen der Zukunft“ – so das Thema der Diskussionsrunde mit dem früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) als prominentesten Teilnehmer – setzt München mit diesem ehrgeizigen Ziel Maßstäbe. Das lobt Töpfer gleich zu Beginn: „Man muss sich in der Energie- und Klimapolitik realistische Zwischenziele setzen, nur diese sind wirklich zu schaffen.“ Im Klartext: Der Traum von einer völlig kohlendioxidfreien Welt ist – zumindest vorerst – nicht zu verwirklichen.
Gleichwohl, ergänzte Edith Hofer vom Bereich Energieunion beim Generalsekretariat der EU-Kommission, brauche es genau solche Positivvorbilder wie beispielsweise München. „Der Anteil der erneuerbaren Energien in Europa beträgt derzeit 27 Prozent“, rechnete Hofer vor – ein Anteil, der sie und ihre Chefs in Brüssel noch lange nicht zufriedenstellt –, und würde wohl ohne Best-Practice-Beispiel nicht wirklich erhöht werden.
Manche können es sich hier gut vorstellen, den Erfolg mit etwas mehr Druck herbeizuführen – wie beispielsweise Patrick Graichen, ein weiterer Diskussionsteilnehmer und seines Zeichens Geschäftsführer der in Berlin ansässigen Firma Agora Energiewende. Man müsse sich als Staat „Ziele setzen und diese dann auch durchsetzen“, forderte Graichen, gefordert sei dann in Deutschland etwa das Bundesumweltministerium, das „stärker dahinterstehen“ müsse. Für den Unternehmer wäre das natürlich auch persönlich von Vorteil, immerhin verdient er unter anderem mit Energiewendekonzepten sein Geld.
Nun stagniert aber in Europa die Bevölkerung, auf anderen Kontinenten aber wächst sie rasant. Schon zur Mitte des Jahrhunderts werden auf der Erde knapp neun Milliarden Menschen leben und davon – erstmals in der Geschichte der Menschheit – die Mehrheit in Städten. Und vor allem in jenen Kommunen, die in China, Indien oder in den asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländern liegen, explodiert gerade der Energieverbrauch – unter anderem durch die rasante Zunahme des Individualverkehrs, wie Christof Timpe, der Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz vom Freiburger Öko-Institut darstellte: „Die Feinstaubwerte dort steigen, statt zu sinken. Aber die Menschen dort haben eben ein anderes Verständnis von Mobilität als wir.“
In einigen, vor allem europäischen Kommunen wiederum befindet sich die Bevölkerung bereits auf dem Weg zum Klimaparadies und erzeugt schon heute zwischen 80 und 90 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen – beispielsweise in Irland.
Genügend alternative Energie zu erzeugen, so Müller in seinen weiteren Ausführungen, sei trotzdem langfristig nicht das vorrangige Problem. „Doch was machen wir, wenn der Wind bläst, gleichzeitig die Sonne scheint – und wir brauchen das alles gar nicht?“ Die Kernfrage der Zukunft heiße vielmehr: „Wie nutzen wir die strukturellen Energie-Überschüsse sinnvoll?“ Führend auf diesem Gebiet sei mittlerweile Dänemark, wusste Müller noch hinzuzufügen. Nicht zu vernachlässigen sei es aber auch, statt allein über Möglichkeiten der Produktionssteigerung nachzudenken, die Energie stärker zu sparen, so Florian Bieberbach in einer Wortmeldung – was etwa in Mitteleuropa primär auf eine Verringerung der Heizleistung hinauslaufe. Ein guter Weg sei da ja bekanntlich das Dämmen von Gebäuden, so der Stadtwerke-Chef, was nun aber gerade in München leider nicht überall funktioniere: „Wir haben gerade in der Landeshauptstadt einen hohen Bestand an historischen Altbauten, wo sich das aus Denkmalschutzgründen verbietet.“
Klaus Töpfer wiederum verwies darauf, dass auch die technologische Innovation auf dem Feld der alternativen Energien irgendwann an ihre Grenzen stoßen werde. „Für die entsprechende Forschung braucht man auch knapper werdende Rohstoffe, beispielsweise die so genannten Seltenen Erden.“
Fazit der knapp zweistündigen Veranstaltung: Geboten wurde ein auch für Laien gut verständlicher Sachstandsbericht des globalen Energiemanagements der Städte, ergänzt durch notwendige und nachvollziehbare Kritikpunkte. Wer aber statt abstrakter Gesprächsrunden doch lieber anschauliche Praxismodelle bevorzugt, dem sei in diesem Jahr ein Besuch auf der Weltausstellung in Mailand unter dem Titel „Das Millennium der Städte“ empfohlen. (André Paul)

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