Wirtschaft

Utz Claassen kam persönlich nach Nürnberg. (Foto: Wraneschitz)

16.09.2011

Sonnenkinder im Blitzlichtgewitter

Die Probleme von Solar Millennium landen vor Gericht

Blitzlichtgewitter in Saal 296 des Nürnberger Justizpalasts: Im Streit zwischen der Erlanger Solar Millennium AG und ihrem Kurzzeit-Vorstandsvorsitzenden Utz Claassen stand der Gütetermin vor der 2. Handelskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth an.
Beim bisherigen Höhepunkt im seit über einem Jahr dauernden Rosenkrieg zwischen den Sonnenkindern Solar Millennium und Utz Claassen war der Gerichtssaal gerammelt voll. Und doppelte Sicherheitskontrollen am Eingang und direkt vor dem Saal sind in Franken auch nicht an der Tagesordnung. Dabei hatte Claassen selbst zwei Personenschützer mitgebracht.
Vordergründig geht es „nur“ um Geldforderungen des Ex-EnBW-Chefs: 9 Millionen Euro offensichtliche Antrittsprämie sowie die laut einer Gerichtsinfo weitere „dienstvertraglich geschuldete Abfindung von 4,16 Millionen Euro“ plus „2,962 Millionen Euro als Äquivalent für ihm zugesagte Aktienpakete“ über 7 Millionen Euro.
Doch tatsächlich sind es die „psychischen Belastungen“, die nicht nur den Solar-Millennium-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Pflaumer „in Anspruch nehmen“, sondern auch Claassen. Nach Amtsantritt am 1. Januar 2010 legte der wie berichtet schon 74 Tage später den Chefposten aufsehenerregend wieder nieder.
Seit Langem ist er „mit diesem Aufsichtsrat, der mich verfolgt, diskriminiert und diskreditiert, mich körperlich gebrochen bezeichnet hat“, nicht gesprächsbereit. Einen Türspalt wollte der Ex-Vorstand jedoch offenhalten: „Es wird keinen Vergleich mit mir geben, außer der Aufsichtsrat entschuldigt sich bei mir wegen der Krankheitsvorwürfe und der Diskreditierung.“ Kaum ausgesprochen, stellte Aufsichtsratschef Pflaumer seinen Fuß hinein und erklärte für alle Anwesenden deutlich hörbar: „Es würde mir leid tun, wenn Sie sich beleidigt fühlen, und ich entschuldige mich dafür. Unser Leben ist zu kurz für eine lange Auseinandersetzung.“
Da kann selbst Utz Claassen nicht anders als bestätigen: „Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Herr Pflaumer sich entschuldigt hat. Ich habe ihn auch nicht anders eingeschätzt.“ Mit dem Nachsatz: „Das wäre nicht der Wortschatz von Herrn Pflaumer“, lenkt er, ohne den Namen zu nennen, den Blick auf Hannes Kuhn.
Mitgründer Kuhn, eines von drei Aufsichtsratsmitgliedern, war selbst nicht zur Verhandlung gekommen, soll aber bei Solar Millennium im Hintergrund die Fäden ziehen. Kuhn steht auch im Blickpunkt einer vom Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen Bafin bestätigten „formellen Untersuchung zum Vorwurf des Insiderhandels mit Aktien der Solar Millennium AG“. Kuhn soll dieses Aktiengeschäft auf der jüngsten Hauptversammlung selbst öffentlich zugegeben haben.
Vom Erlanger Solar-Millennium-Erfinder Harald Schuderer heißt es: 2004 habe ihm Hannes Kuhn den größten Teil seines 40-prozentigen Aktienpakets abgekauft, und zwar über die Balance AG mit Sitz Dubai. Die wurde damals offensichtlich von Hannes Kuhn kontrolliert. Heute dagegen halten „die Organe (Aufsichtsrat und Vorstand zusammen, d.Red.) 10 Prozent Aktien“, wie eine Unternehmenssprecherin unserer Redaktion bestätigt. Wann und zu welchem Kurs Hannes Kuhn Anteile veräußert hat, bleibt bislang im Dunkeln.
Doch laut Harald Schuderer wäre „für mein damaliges Aktienpaket eine Nachvergütung fällig“ gewesen. Nun prozessiert der ebenfalls gegen seinen einstigen Kompagnon Kuhn. Die mündliche Verhandlung „Schuderer gegen Kuhn“ steht am 23. September beim Landgericht Nürnberg an.
Fast nur noch um „die Rechtmäßigkeit meines Handelns als professioneller Manager“ geht es Utz Claassen nach Helmut Pflaumers Entschuldigung. Claassen möchte seine Macher-Qualitäten wieder im positiven Licht strahlen sehen.
Nun hofft der Vorsitzende Richter Werner Meyer, dass bis Ende November zu den inzwischen gut 7000 Seiten Akten nur noch die Vergleichspapiere dazu kommen. Denn sowohl die Claassen- als auch die Solar Millennium-Anwälte haben sich auf Richter Meyers Vorschlag eingelassen: „Die Parteien werden sich bis Ende November mit unserer Hilfe annähern, unser Gericht arbeitet Vergleichsvorschläge aus und lässt sie Ihnen zukommen. Wir gehen in Klausur und werden uns schnell äußern“, verspricht der Kammervorsitzende.
Claassens „Reputation steht auf dem Spiel, ohne Zweifel“, hatte sich Richter Meyer schon vor der Güteverhandlung eine klare Meinung über den Haupt-Belasteten des Solarier-Krieges gebildet. Doch nicht nur für den Energiemanager, sondern auch für die Firma bedeute ein Prozess „ein langes Verfahren, eine belastende Beweisaufnahme, die Belastung von Ressourcen“. Das scheint momentan gerade für die bei Umsatz, Gewinn und Aktienkursen massiv gebeutelte Firma sehr wichtig. Erst im August hatte Solar Millennium einen völlig unerwarteten Strategie-Haken geschlagen: Jahrelang sprach man nur von Solaren Dampfkraftwerken (CSP), die Strom produzieren, zum Beispiel im „Desertec“-Konzept der Energiewirtschaft. Nun sollen Teile des bislang als CSP geplanten Groß-Solarprojekts in Blythe (USA) mit Photovoltaik (PV) gebaut werden. Dabei hat Solar Millennium kaum Erfahrung mit der PV-Technologie.
Dass sich die August-Tumulte um Solar Millennium-Aktien an der Börse nicht vor Gericht wiederholten, war vor allem Richter Meyers Einfühlungsvermögen zu verdanken. „Auch wenn das die Medien wohl gerne anders erhofft hatten“, wie der grinsend zum Abschluss des Gütetermins anmerkte. (Heinz Wraneschitz)

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