Wirtschaft

In Rothenburg ob der Tauber werden für 26 Marken der Electrolux-Gruppe Herde und Kochmulden produziert – darunter auch für AEG. (Foto: AEG)

08.06.2012

Trümmer zerbrochener Großkonzerne

Einige Überbleibsel von AEG, Grundig und Quelle bestehen bis heute fort

Grundig, AEG und Quelle waren Teil des deutschen Wirtschaftswunders, sie lieferten Fernseher, Waschmaschinen und Mode in nahezu jeden deutschen Haushalt. Doch die Schwergewichte schafften es nicht, ihre Vorrangstellung zu halten. Im globalisierten Wettbewerb verloren sie den Anschluss, waren nicht mehr flexibel, effizient und innovativ genug.
Hinzu kam so mancher Managementfehler. Am Ende stand bei allen drei Unternehmen das Aus. Im Großraum Nürnberg-Fürth verloren mehrere tausend Menschen ihren Arbeitsplatz – und die gesamte Region einen Teil ihrer Identität. Doch einige Trümmer der zerbrochenen Großkonzerne überlebten und behaupten sich heute erfolgreich am Markt.
Diktiergeräte aus Bayreuth
Grundig etwa wurde nach der Insolvenz im Jahr 2003 zerschlagen. Heute tragen noch drei Unternehmen den einstigen Elektronikriesen im Namen, zwei davon produzieren weiterhin in Franken. So stellt die Grundig Business Systems GmbH in Bayreuth Diktiergeräte her, Vertrieb und Buchhaltung sitzen in Nürnberg. „Wir gehören weltweit zu den drei Großen der Branche, in Deutschland sind wir Marktführer“, berichtet Firmensprecherin Nadine Kiewitt. Grundig Business Systems wurde schon 2001 ausgegründet, der Mutterkonzern war da bereits am Taumeln.
Profitabel ist auch Grundig Sat Systems (GSS). Die Experten für Satellitenfernsehen haben im vergangenen Jahr mit gut 25 Millionen Euro den höchsten Umsatz seit der Firmengründung im Jahr 2004 erzielt. GSS ist das einzige Grundig-Überbleibsel, das noch am einstigen Stammsitz des Konzerns in Nürnberg-Langwasser produziert. Drei langjährige Manager hatten die Sparte nach der Insolvenz in die Selbstständigkeit geführt, rund 90 Mitarbeiter haben sie heute.
Von der einst großen Unterhaltungselektronik-Sparte ist in der Region hingegen kaum noch etwas übrig. Zwar werden unter dem Namen Grundig noch immer Fernseher und Radios verkauft, doch hat inzwischen die türkische Koc-Gruppe bei Grundig Intermedia das Sagen. Produziert wird im Ausland, in Nürnberg sind nur 140 Mitarbeiter übriggeblieben. Immerhin wurde der Ertrag der Firma nach einer längeren Phase im roten Bereich 2010 „hellgrau“ und 2011 „deutlich schwärzer“, wie Geschäftsführer Murat Sahin schildert.
Mit Delphi Grundig gab es vorübergehend noch eine vierte Firma, die den Namen fortführte. Der Autozulieferer Delphi hatte Grundig Car Intermedia Systems mit seinen weltweit 830 Autoradio-Spezialisten – darunter gut 200 in Deutschland – im Jahr 2003 übernommen. Inzwischen jedoch ist die Sparte vollkommen in Delphi aufgegangen, Grundig verschwand aus dem Firmennamen.
Auch die AEG hat als eigenständiger Unternehmensteil nicht überlebt und ist heute eine Marke von Electrolux. Als die Schweden vor rund sechs Jahren nach hartem Arbeitskampf das traditionsreiche Hausgerätewerk schließen, verlieren 1750 Menschen ihren Arbeitsplatz – und Nürnberg eine seiner letzten großen Industrie-Produktionsstätten. Die Deutschlandzentrale von Electrolux bleibt jedoch in der Stadt, knapp 650 Mitarbeiter kümmern sich dort heute um Verwaltung, Vertrieb und Kundendienst.
Herde aus Rothenburg
Gut 70 Kilometer entfernt besteht der letzte Produktionsstandort von Electrolux in Deutschland fort: In Rothenburg ob der Tauber werden für 26 Marken der Gruppe Herde und Kochmulden produziert. Alle zwölf Sekunden läuft ein Ofen vom Band, in der Forschungsabteilung backen die tüftelnden Ingenieure Muffins und Blechkuchen – anhand der Bräunung überprüfen sie, ob sich die Wärme gleichmäßig verteilt.
Um die Zukunft ist Werkleiter Johann Reindl nicht Bange: „Wir haben eine Effizienzsteigerung von jährlich 6 bis 7 Prozent.“ Dadurch könne das stark automatisierte Werk auch in der Konkurrenz mit Billiglohnländern bestehen.
Vom einst großen Versandhändler Quelle, der von Kleidung über Wohnzimmerschränke bis zu Rollatoren nahezu alle Wünsche der Konsumenten befriedigte, existiert der Name ebenfalls noch – allerdings profitiert jetzt Ex-Konkurrent Otto von den Markenrechten. Die Werbekraft der FotoQuelle wurde vom Insolvenzverwalter auf die gleiche Weise versilbert. Wettbewerber griffen auch bei operativ erfolgreichen Unternehmensbestandteilen zu, etwa beim technischen Kundendienst Profectis, dem Shoppingsender HSE 24 oder den Spezialversendern.
Als funktionierendes Unternehmen mit Quelle im Firmennamen hat einzig die KüchenQuelle überlebt. Sie war Ende 2009 von drei Unternehmern aus dem Großraum Nürnberg sowie dem früher bei Quelle zuständigen Bereichsleiter übernommen worden. Die vier Männer retteten dadurch neben den rund 150 Arbeitsplätzen auch 250 Jobs bei Zulieferern. Im vergangenen Jahr gelang ihnen ein Umsatzwachstum von 29 Prozent auf rund 43,6 Millionen Euro.
Die Mitarbeiter der KüchenQuelle können beruflich auf die Zukunft vertrauen. Doch mehr als 10.000 ihrer früheren Quelle-Kollegen mussten sich nach der Insolvenz beim Arbeitsamt melden. Einige von ihnen haben bis heute keinen neuen Job gefunden.
(Elke Richter, dpa)

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