Wirtschaft

Frauen sollen immer adrett gekleidet, verbindlich und freundlich sein und auch noch den privaten Haushalt schultern. Diese Belastung macht die Frauen kaputt. Daher braucht die deutsche Gesellschaft dringend ein anderes Familienbild. (Bilderbox: dpa)

24.06.2016

Typische Frauenberufe als Wurzel des Übels

Bei einem Kongress zur Lohngerechtigkeit diskutierten CSU und vbw

Rund 21 Prozent Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in Deutschland. Das ist die plakative Parole, die seit Jahren hierzulande zu einer hoch emotionalen Debatte rund um das Thema „gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Leistung“ führt. Ursache für diese schlagzeilenwirksame Darstellung ist die sogenannte unbereinigte Lohnlücke, die das Statistische Bundesamt jedes Jahr publiziert, so Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. beim Kongress „Vorsprung Bayern: Gender Pay Gap – was dahinter steckt“ im Le Meridien Hotel in München.

„Das Problem an der Betrachtung des Statistischen Bundesamts ist, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einen Topf geworfen werden“, so Brossardt. Eine Differenzierung nach Berufen, Branchen und Qualifikationen finde nicht statt. Doch man kann auch den Wert der „bereinigten Lohnlücke“, die die betriebliche Realität widerspiegelt, ermitteln. Angelika Niebler, Landesvorsitzende der Frauen-Union der CSU und Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, hatte bei der vbw-Veranstaltung die Zahlen parat: „Laut Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln liegt sie aktuell bei 3,8 Prozent und laut Statistischem Bundesamt bei sieben Prozent.“

Menschen in sozialen Berufen besser bezahlen


Für Niebler ist klar, woher die Lohnunterschiede kommen: „Es ist ein Skandal, wie Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten und rund um die Uhr für die zu betreuenden Menschen da sind, bezahlt werden.“ Wenn man die Lohnlücke beseitigen oder verringern will, müsse man hier ansetzen. Denn es gibt Niebler zufolge in Deutschland nach wie vor typische Männer- und Frauenberufe. „Ich frage mich, wie eine Frisörin von ihrem mageren Gehalt in München leben kann“, prangerte die CSU-Europaabgeordnete die Unterbezahlung in der Dienstleistungsbranche an.

Damit sich an den Rahmenbedingungen etwas verbessert, müssen diese laut Niebler geändert werden. Bessere Bezahlung in den sozialen Berufen (Altenpflege, Krankenbetreuung, Kindererziehung) und im Dienstleistungssektor, weiterer Ausbau der Kinderbetreuungsangebote (von Kitas über Kigas bis hin zu Ganztagesschulen), eine noch stärkere Flexibilisierung in den Betrieben (Präsenzzeiten, Homeoffice, etc.) sowie eine andere Denke der Menschen sei nötig.

Vätermonate werden noch viel zu wenig genommen


„Das, ich nenne es einmal Neudeutsch, Mindsetting muss geändert werden“, so Niebler. Auch die Männer müssten ihre Rollen in den Familien verändern, hin zu einem partnerschaftlicheren Miteinander. „Es kann nicht sein, dass die Frauen immer adrett gekleidet, immer verbindlich und freundlich, immer im Einsatz sind und auch noch den privaten Haushalt schultern. Damit machen wir sie kaputt“, so Niebler. Doch dies scheint ein typisch deutsches Problem zu sein. „Denn meine französischen Kolleginnen im Europaparlament fordern ihre Männer viel mehr, was die Familie angeht“, sagte die Europaabgeordnete. Vätermonate seien zwar auch hierzulande möglich, würden aber noch zu wenig in Anspruch genommen.

Gerade bei der Bezahlung in den sozialen Berufen ist laut vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt vor allem die öffentliche Hand gefragt. Sie bestimme mit ihrer Entgeltpolitik, was zum Beispiel die Arbeit einer Altenpflegerin, einer Kindergärtnerin oder einer Krankenschwester Wert ist. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bezahlung in diesen Berufen zu verbessern“, so Brossardt.

Die gesamte Gesellschaft sei auch gefordert, wenn es darum geht, junge Frauen stärker für technische Berufe zu begeistern. „Es ist nach wie vor schwer, Mädchen für Berufe in der Metall- und Elektroindustrie zu werben“, so Brossardt. Doch in diesen Disziplinen sei derzeit mehr zu verdienen als im sozialen Bereich.

Ein weiterer Ansatzpunkt, um die Lohnlücke zu schließen, ist die Förderung des Aufstiegs, so Brossardt. Die vbw betreibe seit über drei Jahren ein entsprechendes Coachingprogramm in ihren Mitgliedsbetrieben, das stark in Anspruch genommen werde. „40 Prozent der Teilnehmerinnen sind zum jeweiligen Projektende aufgestiegen. Aber leider hat dieses Projekt noch keine Nachahmer außerhalb der vbw gefunden“, konstatierte Brossardt.

Er und CSU-Vizechefin Niebler sind für pragmatische Lösungen, um die Lohnlücke zu verringern. Doch die Bundesregierung, allen voran Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), habe einen anderen Ansatz. Via eines noch zu verabschiedenden Entgelttransparenzgesetzes, das für alle Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten soll, wolle man in Berlin die Lohnlücke schließen. „Das lehnen wir ab“, betonte Brossardt. Es sei unnötig, da gleiche Bezahlung bereits das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorschreibe und eine Lohntransparenz den innerbetrieblichen Frieden erheblich störe.

Brossardt macht schon mal die Marschrichtung klar


„Darum haben wir ja Flächentarifverträge“, sagte der vbw-Hauptgeschäftsführer. Denn diese würden entsprechenden Diskussionen in den Unternehmen vorbeugen. Brossardt sieht in dem vorliegenden Gesetzentwurf, den das Bundeskanzleramt zurückgewiesen hat, der aber sicher demnächst nachgebessert wird, eine Aushebelung der Flächentarifverträge. „Wir würden, wenn so ein Gesetz kommt, vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.“ Mit diesem Satz in Richtung Bundesregierung machte Brossardt schon einmal die Marschrichtung klar.

Für ihn ist es auch ein Unding, dass dann im Fahrwasser dieses neuen Gesetzes die Gleichbehandlungsstelle im Ministerium die betriebliche Realität beurteilen soll. „Jemand, der dort am Schreibtisch sitzt und dort schon immer saß, soll dann Unternehmen bewerten. Wie soll dass gehen? Werden diese Personen dann durch ein mehrmonatiges Praktikum in den Unternehmen geschult?“, fragte Brossardt süffisant.

Er machte deutlich, dass die vbw mit all ihren Mitgliedsunternehmen Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen will. „Aber mit den richtigen Mitteln!“
(Ralph Schweinfurth)

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