Wirtschaft

Bayerns Finanzstaatssekretär Albert Füracker (l.) und Hans-Peter Schmidt, Aufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgruppe, waren sich beim von Forum V und BWV Nordbayern-Thüringen veranstalteten Nordbayerischen Versicherungstag 2014 einig, dass eine Regulierung der Versicherer nur mit Augenmaß stattfinden darf. (Foto: Schweinfurth)

02.10.2014

Unter der Knute des Regulators

Nordbayerischer Versicherungstag 2014: Massive Kritik am Bund und Lob für den Freistaat

Staatliche Überregulierung, Niedrigzinsphase und ein enormes Misstrauen seitens der Kunden und Verbraucherschützer prägen derzeit das Umfeld für Versicherungsunternehmen hierzulande. Beim Nordbayerischen Versicherungstag 2014 an der Uni Erlangen-Nürnberg mit über 400 Teilnehmern wurde diese Woche deutlich, dass es keine zweite Branche in Deutschland gibt, die in den vergangenen Jahren von einer enormen Flut neuer Gesetze vor neue Herausforderungen gestellt wurde.
„Regulierung ist ja immer ein Ausdruck der Korrektur von vermutetem Marktversagen. Ich sehe aber keines“, sagte Armin Zitzmann, Vorstandsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgruppe. Sein Unternehmen nehme die Regulierung wie das Wetter: „Wir können es nicht ändern.“ Darum sei dies Herausforderung für das unternehmerische Handeln der Nürnberger. Allerdings frage er sich schon, ob die Regulierung noch mit der Proportionalität einhergehe. Allein für Solvency II, dem EU-Richtlinienprojekt zur Solvabilität von Versicherern, müsse man einen riesigen Wälzer studieren, um die aufsichtsrechtichen Bestimmungen im Unternehmen umsetzen zu können. „Das ist für eine HUK Coburg, eine Universa oder eine Nürnberger kein Problem, aber was ist mit kleineren Versicherungsunternehmen in Deutschland?“, fragte Zitzmann.
Die Komplexität von Solvency II sei inzwischen enorm. „Neun Zehntel unserer Zeit sind wir in Vorstandssitzungen damit beschäftigt, die Auswirkungen dieser gesetzlichen Vorgaben zu diskutieren und nur noch ein Zehntel bleibt für die Auseinandersetzung mit dem Markt“, sagte Zitzmann. Dies führe automatisch an die Grenzen der Versicherbarkeit von Risiken. Außerdem würde das Ziel des Gesetzgebers, mit Solvenzy II die Verbraucher besser zu schützen, konterkariert. Denn Konsumentenschutz drücke sich zum Teil auch in günstigen Preisen aus.
Aber Zitzmann hatte neben all der Kritik am Gesetzgeber auch noch Lob für diesen – allerdings nur für den bayerischen. Denn im Zuge des Lebensversicherungsreformgesetzes hätten alle Bundesländer nur eine Stellungnahme aus Verbrauchersicht abgegeben. Bayern sei das einzige Bundesland, das auch die Unternehmersicht mit habe einfließen lassen.
Das hörte Bayerns Finanzstaatssekretär Albert Füracker (CSU) selbstverständlich gern. Aber auch er gab zu: „Die EU wäre gar nicht so kompliziert, wenn die Deutschen nicht wären.“ Denn diese würden gesetzliche Vorgaben aus Brüssel noch einmal mit nationalen Besonderheiten verschärfen. Er votierte für ein Regulieren mit Augenmaß. Denn die Versicherungsbranche in Deutschland sei mit über 500 000 Beschäftigten und 187 Milliarden Euro Umsatz (2013) eine der bedeutendsten Wirtschaftszweige, die für Arbeitsplätze und Steueraufkommen sorge. Weil die Versicherer durch die anhaltende Niedrigzinsphase enorme Probleme haben, ihre Zinsversprechen für die Kunden zu halten und zu erwirtschaften, schlug Füracker vor, sich der Infrastrukturfinanzierung zu widmen. Diese böte den Versicherern die Möglichkeit, das von den Kunden eingesammelte Kapital zu einem ordentlichen Zinssatz langfristig anzulegen. Allerdings betonte er, dass es eine staatliche Teilrisikoübernahme oder eine Nutzerausfallfinanzierung nicht geben könne, da hierfür am Ende der Steuerzahler aufkommen müsste.
Weshalb die Politik die Versicherer so stark reguliert, erläuterte Ulrich Schürenkrämer, Mitglied des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank AG. Im Zuge der globalen Finanzkrise 2008/2009 sei das Vertrauen in die Finanzbranche nahezu komplett verloren gegangen. Mit gerade einmal drei Prozent rangierten die Banker auf dem letzten Platz, was die beliebtesten Berufe hierzulande angehe. Auf Platz eins stehe Arzt mit 76 Prozent. „Selbst im engsten Familienkreis haben wir nicht mehr das Vertrauen“, gab Schürenkrämer zu bedenken. Darum helfe nur der Dialog mit der Politik, um eine vernünftige Regulierung zu realisieren.
So bezeichnete es Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bunds der Versicherten, als „einen Schlag ins Gesicht“, dass sein Verband lediglich eineinhalb Tage Zeit hatte, um der Bundespolitik eine Stellungnahme zum Lebensversicherungsreformgesetz zu geben. Für eine fundierte Bewertung benötige man mehr Zeit. Das sollte sich der Gesetzgeber klarmachen.
(Ralph Schweinfurth)

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