Wirtschaft

Bayerns Bau-, Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann überreichte Siemensvorstand Siegfried Russwurm (links) einen Spaten, damit er die Realisierung des Siemens Campus im Süden der Hugenottenstadt zügig voranbringen kann. (Foto: Schweinfurth)

23.01.2015

„Veränderung ist bei uns Normalität – seit 167 Jahren“

Siemens Vorstandsmitglied Siegfried Russwurm erläuterte beim Neujahrsempfang der Erlanger CSU die Strategie des Technologiekonzerns

Bis zum Jahr 2030 wird Siemens in seinen neuen Campus in Erlangen rund eine halbe Milliarde Euro investieren. „Wer so viel Geld investiert, der bleibt“, sagte Professor Siegfried Russwurm (geboren in Marktgraitz im Landkreis Lichtenfels), Vorstandsmitglied der Siemens AG und zuständig für Technologie, Personal sowie die Regionen naher und mittlerer Osten und GUS-Staaten, beim Neujahrsempfang der CSU in Erlangen. „Und der Freistaat wird in den nächsten zehn Jahren noch mehr als die Siemens AG in Erlangen investieren“, betonte Bayerns Bau-, Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) in seiner Heimatstadt.

Weiterhin profitabel bleiben

Allerdings ging es beim Neujahrsempfang der Erlanger CSU nicht ums gegenseitige überbieten in Sachen Investitionsvolumen, sondern um die Darstellung der Unternehmensstrategie von Siemens. Diese wird in der Öffentlichkeit ja oft als „Ausverkauf“ des traditionsreichen deutschen Technologiegiganten dargestellt.
„Siemens wird sich verändern und weiterentwickeln, aber das hat Siemens schon immer getan“, unterstrich Russwurm. „Veränderung ist bei uns Normalität – seit 167 Jahren.“ Als Beispiel nannte der Vorstand die Flugwerft in Unterschleißheim. Dort sei ein Flugzeugmotor von Siemens & Halske ausgestellt. „Aber von diesem Geschäftsfeld haben wir uns schon in den 1930er Jahren getrennt“, so Russwurm. Darum komme es auch heute zu An- und Verkäufen von Unternehmensteilen, damit der Siemens-Konzern weiterhin profitabel bleibt.
Wesentliche Treiber für das erfolgreiche Kurshalten im Konzern seien die gesellschaftlichen Megatrends Urbanisierung, demografischer Wandel, Klimawandel, Globalisierung und Digitalisierung. Gerade von Letzterem erhofft sich Siemens erheblich profitieren zu können. Denn Digitalisierung werde zunehmend komplexer. „Wenn heute jemand von Big Data spricht, kann ich darüber nur lachen“, so Russwurm. Denn bereits eine einzige, von Siemens mit 50 000 Sensoren ausgestattete und online überwachte Ölplattform erzeuge eine enorme Datenmenge. Deshalb komme es auf die inhaltliche Analyse der Daten an und das Ziehen der richtigen Schlussfolgerungen daraus. Das reine Datensammeln bringe nichts.
Im Zuge von Industrie 4.0 stehe die Parallelität von digitaler und realer Welt im Zentrum. „Das bietet für uns und unsere Kunden ein großes Potenzial“, sagt der Vorstand. Elektrifizierung, Energieerzeugung und Energieverteilung, Steuerung von Werkzeugmaschinen und so weiter seien typische Felder, in denen sich Siemens zuhause fühle. Darum profitiere der Konzern auch von der Energiewende. Allerdings konnte sich der global agierende Siemens-Manager einen sarkastischen Seitenhieb auf Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nicht verkneifen: „Ich bin mir sicher, dass die bayerische Staatsregierung aus dem Energiedialog die richtigen Schlussfolgerungen ziehen wird.“

Man muss vor Ort sein

Russwurm verteidigte auch den Zukauf eines US-amerikanischen Öl- und Gasbohrausrüsters: „Für die Förderung unkonventionellen Öls und Gases haben wir Lösungen. Doch dafür muss man vor Ort sein.“ Deshalb sichere der Zukauf dieses Unternehmens auch Siemens-Arbeitsplätze in Erlangen.
Weil die Märkte in Europa fast gesättigt sind, müsse Siemens weltweit Geschäfte machen, um die heimischen Jobs zu sichern. So verkauft sich laut Russwurm die effizienteste Gasturbine der Welt, die 8000H von Siemens mit einem Wirkungsgrad von 61 Prozent (mit Fernwärmenutzung sogar 85 Prozent Wirkungsgrad), auf anderen Kontinenten wesentlich besser als in Europa. Von 50 bisher verkauften Turbinen dieser Bauart hat Siemens ein Drittel in die USA, ein Drittel nach Korea und nur zwei in Deutschland und eine in Polen verkauft.
Aber trotz aller Schwierigkeiten stehe Siemens zu seinem Herz in Nordbayern. Der Medizintechnikbereich in Erlangen und Forchheim bleiben genauso bestehen, wie auch das Innovationsherz mit dem Forschungsgelände im Süden der Hugenottenstadt, das jetzt zum Siemens Campus ausgebaut werden soll. „In Erlangen wird der größte Siemens-Standort weltweit entstehen. Das ist ein langfristiges Bekenntnis zu Erlangen. Und auf dem Campus wird auch Platz für Teile der Universität und private Unternehmen sein“, so Russwurm. Denn der Campus soll ein offener Innovationsort werden, der eine Eigendynamik entfaltet. „Den pflichtbewussten, oft grimmig dreinschauenden Siemens-Pförtner wird es dort nicht mehr geben“, so Russwurm.
Für diesen Einblick in die Siemens-Pläne dankte Innenminister Herrmann: „Das war ein eindrucksvoller Blick auf Siemens.“ Mit der Entscheidung für den Siemens Campus in der Hugenottenstadt werde der Konzern die Stadt die nächsten 20 bis 30 Jahre prägen. (Ralph Schweinfurth)

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