Wirtschaft

Die fränkische Rehau AG & Co. hat ein Kanalrohrsystem nach dem Cradle to Cradle-Prinzip zertifizieren lassen. (Foto: Rehau)

25.11.2016

Von der Wiege zur Wiege

Das Cradle to Cradle Prinzip: Das Forum der IHK Nürnberg widmete sich diesem neuartigen Ansatz der Lebenszyklusorientierung

Wir haben uns für den revolutionären Denkansatz von Cradle to Cradle (= Wiege zur Wiege) entschieden, da hier Wiederverwertung und Umweltverträglichkeit im Vordergrund stehen“, sagte Philipp Hawich von der Rehau AG & Co. aus Erlangen beim IHK Forum „Ökologische Produkte als Beitrag zum systematischen Umweltmanagement? – Ansätze zu mehr Nachhaltigkeit und Lebenszyklus-Orientierung – Cradle to Cradle Prinzip“, zu dem die IHK Nürnberg für Mittelfranken vor Kurzem eingeladen hatte.

Tiefbauprodukt zertifiziert


Man habe eine Zertifizierung nach Cradle to Cradle (C2C) für das AWADUKT PP Kanalrohrsystem vorgenommen, da die Kommunen in Deutschland ein wachsendes Engagement zu nachhaltigem Handeln erkennen lassen, basierend auf dem deutschen Nachhaltigkeitspreis, der lokalen Agenda21, der Agenda 2030 und weiteren länderspezifischen Auszeichnungen, so Hawich weiter. Die Zertifizierung auf ein Produkt des Tiefbaus anzuwenden, sei für Rehau Chance und Herausforderung zugleich gewesen. Man wolle damit seine Vorreiterrolle am Markt stärken und einen Beleg für nachhaltiges Handeln vorweisen. Dabei habe man bewusst Cradle to Cradle als Werkzeug der Nachhaltigkeit eingesetzt, da zum Beispiel bei einer Ökobilanzierung ausschließlich Effizienz im Vordergrund stehen würde, das heißt die Bilanzierung aller Inputs und Outputs eines Produktlebenszyklus.

Professor Frank Ebinger von der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg-Simon-Ohm erklärte, dass es bei Cradle to Cradle eben auch um Reparaturfreundlichkeit, Demontierbarkeit, Schadstoffreduktion, Ressourceneinsparung, Recyclingpotenzial und Langlebigkeit ginge. Produktion und Produktinnovation, diese zwei verschiedenen Welten, müssten jetzt gemeinsam betrachtet werden. Gute Beispiele wären das Fairphone, bei dem viele Bestandteile unkompliziert austauschbar sind, die Kaffeemaschine Philips Senseo Viva Eco, die zu 50 Prozent recyclingfähig ist oder der BMWi3. Die Schleich GmbH aus Schwäbisch Gmünd, die ihre Produkte ausnahmslos in Deutschland entwickelt, aber die nachfolgende Produktion ausgelagert hat, habe ein „Rückverfolgungssystem“ anhand eines Produkts, ihrer Bartagame (eine Gattung der Schuppenkriechtiere), durchgeführt, um toxische, kanzerogene oder reproduktionshemmende Stoffe im Produkt auszuschließen und bestimmte Farben freizugeben. In einer Zeit, in der 30 Prozent der gekauften Textilien nie getragen werden und gekaufte Lebensmittel zunehmend im Müll landen, sei „up-cycling“ (Wiederverwertung mit stofflicher Aufwertung) in den Vordergrund zu stellen. Auch die drei Lenkungssysteme Gesetze der Politik, Märkte und Öffentlichkeit nähmen sich immer mehr des Themas an.

Abhängigkeit vom Rohstoffmarkt reduzieren


Mit der Rohstoffwende Bayern soll die Abhängigkeit der bayerischen Wirtschaft vom Rohstoffmarkt vermindert werden. Dazu werden die Ziele einer Steigerung der Ressourceneffizienz, Rohstoffrecycling sowie Substitution seltener und teurer Rohstoffe durch Rohstoffe, die langfristig verfügbar sind, verfolgt. Das Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern ist ein Projekt des bayerischen Umweltministeriums und wird durch das Bayerische Landesamt für Umwelt in Zusammenarbeit mit den bayerischen Industrie- und Handelskammern umgesetzt. Das Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern (REZ) wird bayernweite Aktivitäten vernetzen und die Kompetenzen im Freistaat stärken. Zunächst soll die Transparenz über bestehende Aktivitäten und Akteure verbessert werden. Neben der Kommunikation von positiven Beispielen sollen vorhandene Wissenslücken verringert und Impulse zur Umsetzung von Ressourceneffizienz-Maßnahmen gegeben werden. Das schließt auch die Arbeit an konkreten Projekten ein. Das Angebot des REZ richtet sich an alle bayerischen Unternehmen, insbesondere an kleine- und mittlere Betriebe (mit weniger als 250 Mitarbeitern) des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes.

Das Zentrum agiert bayernweit und ist mit den Standorten Augsburg, München und Nürnberg an den Schwerpunkten des produzierenden Gewerbes vertreten. Darauf verwies Robert Schmidt, Leiter des Geschäftsbereichs Innovation/Umwelt der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Es gehe um die Entwicklung ökologischer Produkte als Bestandteil und Ergänzung zum Umweltmanagementsystem. Die Ressorcenproduktivität würde weiter zunehmen, der Abfall jedoch bisher kaum weniger werden.

So sieht auch Andrea Berglehner von der OmniCert Umweltgutachter Gmbh aus Bad Abbach die wachsenden Herausforderungen für die Unternehmen durch Innovationsdruck, steigende Umweltauflagen und Energiefragen. Seit August 2014 engagiert sich die OmniCert Umweltgutachter GmbH Cradle to Cradle in der Verbreitung der C2C-Vision und begleitet Unternehmen in Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und Südtirol privatwirtschaftlich auf ihrem Weg zu strategischen Innovationen und zur C2C-Zertifizierung.

Rohstoffe wiederverwerten


Die Produktionsweise Cradle to Cradle stehe im direkten Gegensatz zu dem Modell „Von der Wiege zur Bahre“ (Cradle to Grave), in dem Materialströme meist ohne Ressourcenerhaltung errichtet würden. Das C2C-Konzept sähe die Umgestaltung von derartigen linearen Stoffströmen in Nährstoffkreisläufe vor, sodass Werte für Mensch und Umwelt erhalten blieben. Eine Kreislaufwirtschaft mit vollständig wiederverwertbaren Rohstoffen sei das Ziel. Der Ansatzpunkt von C2C liege im Design von Produkten. Produkte und Materialien aus allen Branchen (mit der Ausnahme von Medikamenten und Lebensmitteln, wohl aber deren Verpackungsmaterialien) könnten zertifiziert werden.

Eco-intelligentes Design würde punktgenau messbar. In einer Studie wurden folgende wirtschaftlichen Vorteile durch die C2C-Zertifizierung von Firmen bestätigt:
• Qualitätsverbesserung
• Ertragssteigerung
• Neue Geschäftsmodelle
• Kostensenkung
• Risikominimierung.

Derzeit gibt es laut Berglehner mehr als 6000 zertifizierte Produkte, darunter von Firmen wie die niederländische Desso Group aus Waalwijk (Hersteller hochwertiger Teppichfliesen und Teppichböden), der Glasspezialist Schott aus Mainz und die österreichische Druckerei Gugler aus Melk an der Donau. Desso zum Beispiel hat Teppichfliesen entwickelt, die nach ihrer Gebrauchszeit abgeholt und wieder in den Stoffkreislauf eingebracht werden. Sie dienen als Grundlage für die Herstellung neuer Teppichfliesen. Allerdings gab Berglehner zu, dass die Werbung für Cradle to Cradle noch in den Kinderschuhen stecke.
(Antje Schweinfurth)

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