Wirtschaft

Die ausufernde Geldwäsche in Deutschland ruft die Ordnungshüter auf den Plan. (Foto: dapd)

02.11.2012

Waschsalon Deutschland

Organisierte Kriminalität: Die Bundesrepublik ist ein Paradies für Geldwäscher

Dieser Krimi spielt in Krefeld. Tatort: die mittelständischen Metallwerke Bender. Die ehemaligen Mitarbeiter sind fassungslos. Sollten sie tatsächlich für einen international agierenden Geldwäscher gearbeitet haben? Ein unangenehmes Gefühl. Und ihren Job haben die Bender-Angestellten auch verloren. Die Metallwerke sind pleite. Vor gut einem Jahr meldete das Unternehmen Insolvenz an.
Der Verdacht der Staatsanwaltschaft Krefeld klingt ungeheuerlich. Binnen zwei Jahren soll ein ausländischer Investor 9,45 Millionen Euro über die Metallwerke gewaschen haben. Kann das sein? Schmutzige Millionen, geschleust durch eine ganz normale Firma? Unter Ermittlern wird das Problem offen diskutiert. Deutschland sei ein Paradies für Geldwäscher, sagen sie. Das Geld stammt aus dem weltweiten Handel mit Drogen, Frauen oder Waffen. Das US-Innenministerium hat Deutschland inzwischen als „bedeutendes Geldwäscheland“ eingestuft. Den Schaden tragen ehrliche Unternehmer. Sie haben es mit Wettbewerbern zu tun, die nicht wirtschaftlich arbeiten müssen, sondern nur zum Schein Geschäfte betreiben.
Einzelheiten, wie die Geldwäsche im Fall Bender gelaufen sein soll, will die Staatsanwaltschaft noch nicht nennen. Nur so viel sickerte durch: Die 9,45 Millionen Euro sollen in einem Betrag eingezahlt und über zwei Jahre in kleineren Beträgen zurückgeflossen sein. Fiktive Handels- oder Warengeschäfte
„Wir stellen fest, dass die Modi Operandi immer komplexer werden“, sagt der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. „Geld wird zunehmend über fiktive Handels- oder Warengeschäfte abgewickelt, wobei internationale Tätergruppierungen und Gesellschaften mit Sitz im Ausland im Mittelpunkt stehen.“ Die OECD schätzt, dass organisierte Kriminelle jedes Jahr zwischen 43 und 57 Milliarden Euro durch deutsche Unternehmen schleusen. Höchstens ein halbes Prozent der Summe können die Behörden sicherstellen – 170 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr. Italiens oberster Mafiajäger, Oberstaatsanwalt Roberto Scarpinato, klagt: „Die Mafia etabliert immer mehr Gesellschaften in Deutschland, sie unterwandert die Wirtschaft.“ Dabei werde sie unterstützt von Anwälten, Notaren und Steuerberatern. „Wenn ich Mafioso wäre, würde ich in Deutschland investieren“, sagt Scarpinato trocken.
Die Geldwäschewächter der OECD, die Financial Action Task Force (FATF), werfen den deutschen Politikern ihr dürftiges Engagement im Kampf gegen Schwarzgeld vor. Die Gegebenheiten hierzulande freuen jeden Täter. Der hohe Bargeldumlauf und liquide Finanzmärkte helfen, Spuren zu verwischen. Laxe Kontrollen, eine schwammige Gesetzesgrundlage und beschränkte Ermittlungsmethoden der Fahnder senken zudem die Wahrscheinlichkeit, aufzufliegen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) prangert seit Jahren das mangelnde politische Interesse an einer effektiven Bekämpfung des Problems an.
Besonders im Immobilienmarkt und im Bau- und Entsorgungssektor macht sich das organisierte Verbrechen breit. Die Mafiosi beteiligen sich aber auch an internationalen Finanzkonstrukten. Hinzu kommen Klassiker wie Gastronomie, Spielhallen und Kasinos.
Dass in Deutschland auf diese Weise Geld gewaschen wird, ist vielen Unternehmern jedoch noch gar nicht bewusst. Und wenn doch, traut sich kaum jemand, einen solch schwerwiegenden Verdacht gegenüber einem Wettbewerber zu äußern. „Man hört von der Problematik, aber man kann es sich nicht wirklich vorstellen“, sagt Philipp Mesenburg, Justiziar beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Natürlich gebe es ungewöhnlich niedrige Preise bei öffentlichen Ausschreibungen – 60 bis 70 Prozent unter den Schätzkosten des Auftraggebers. „Da fragt man sich schon: Wie geht das?“, sagt Mesenburg. Andererseits müsse das ja nicht gleich die Mafia sein. Forderung: übergeordnete Kontrollstelle beim Bund
Seit Langem fordern Kriminalbeamte eine übergeordnete Kontrollstelle beim Bund. Bislang finden die Ermittler jedoch kein Gehör in Berlin. Unter internationalem Druck musste die Bundesregierung im Mai 2010 schwerwiegende Versäumnisse einräumen. Als Reaktion trat Ende des vergangenen Jahres das Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention in Kraft. Viele halten dieses Papier allerdings für glatten Selbstbetrug. Es erfüllt gerade mal die weltweit gültigen Mindeststandards.
Das EU-Parlament dringt auf einheitliche Fahndungsmethoden – insbesondere für die Beweislast-umkehr. Die verpflichtet den Besitzer, die saubere Herkunft seines Geldes zu belegen. Kann er das nicht, wird es beschlagnahmt. In den Niederlanden gilt die Regelung bereits. Auch in Italien werden auf diese Art regelmäßig Vermögen mutmaßlicher Mafiosi eingezogen, wie Mafiajäger Scarpinato berichtet. Aus abgehörten Gesprächen weiß der Staatsanwalt, dass viele Clans ihren Finanzsitz deshalb nach Deutschland verlegt haben. Hier ist ihr Vermögen vor solchen Zugriffen sicher. Noch.
(Jens Brambusch)

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