Wirtschaft

Trotz Maschineneinsatz ist bei der Apfelernte noch viel Handarbeit nötig. Das könnte sich ändern. (Foto: dpa)

19.01.2018

„Wenn der Roboter zärtlich den Apfel pflückt“

BayWa-Chef Klaus Josef Lutz über die Digitalisierung in der Landwirtschaft

Über Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Agrarwirtschaft referierte BayWa-Vorstandschef Klaus Josef Lutz beim Landwirtschaftsforum 2018 der Hallertauer Volksbank im Wolnzacher Hopfenmuseum. Als Chef des international tätigen Lebensmittel-, Bau- und Energiekonzerns BayWa (zuletzt 15 Milliarden Euro Jahresumsatz bei 17.000 Mitarbeitern) ist Lutz für Bayerns Landwirte ein wichtiger Ansprechpartner – und auch ein hervorragender Redner, wie er im Lauf des Abends bewies. Der 59-Jährige – vor seinem jetzigen Job war er Geschäftsführer des Süddeutschen Verlags –, brachte das doch etwas trockene, eher technische Thema anschaulich und mit Humor rüber: frei redend ohne Notizzettel und dabei munter gestikulierend lief er im Saal auf und ab.

Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass sich inzwischen auch Amazon, Ikea und Google in der Landwirtschaft engagieren? Der Versandhändler beispielsweise, verriet Lutz, kaufe in den USA derzeit Lebensmittelhändler auf, mehr als 13 Milliarden Euro habe die Firma dafür schon bezahlt. Der Möbelriese und der Suchmaschinendienst wiederum sind an Ackerflächen interessiert. Denn die werden immer wertvoller: Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung auf rund zehn Milliarden Menschen anwachsen, gleichzeitig schrumpfen die bereits vorhandenen Ackerflächen infolge des Klimawandels, sie werden zu Wüsten oder saufen ab. Aus dem, was an Boden bleibt, muss damit immer mehr rausgeholt werden.

Beliebtes Spekulationsobjekt


Und diese Feldfrüchte sind inzwischen ein beliebtes Spekulationsobjekt an den Börsen, allen voran Chicago. „Im vergangenen Jahr wurde die gesamte Weltsojaproduktion sage und schreibe 27 Mal gehandelt“, rechnete der BayWa-Chef seinem Publikum vor. Zum Vergleich: 1990 wechselte die gesamte Sojamenge erst zwölf Mal hintereinander den Besitzer. „Bei Hedgefonds wird die Landwirtschaft als Spekulationsobjekt immer beliebter, die Preise explodieren. Das ist die endgültige Entkopplung von Angebot und Nachfrage.“

Freilich engagiert sich inzwischen auch die BayWa global. Im kalifornischen Silicon Valley ist das Traditionsunternehmen aus dem Freistaat mit Google ein Joint Venture eingegangen, bei dem der Einsatz von Robotern in der Obsternte getestet wird. Der Internetriese steuert nach Angaben von Lutz zehn Millionen Euro bei, die BayWa etwa 300 000 Euro. Was er bisher gesehen hat, begeisterte den Vorstandschef: „Toll, wie der Roboter fast zärtlich den Apfel pflückt!“ Ein anderes Start-up, bei dem das Münchner Unternehmen Geld in die Hand nimmt, ist die Firma DroneClouds aus Südafrika. Diese wertet sämtliche für Landwirte relevante Satellitendaten aus und rechnet – für jeden Bauern individuell – genau aus, welches Saatgut, welche Wassermenge und welchen Dünger er ausbringen muss – „die ganzen Parameter der Betriebsoptimierung“.

Verwöhnte Kunden sicher versogen


In Deutschland wiederum seien die Supermarkt-Riesen verstärkt im Agrarsektor unterwegs – primär mit dem Gedanken, die Versorgungssicherheit für ihre verwöhnten Kunden zu sichern. Da wird schon mal die gesamte Jahresproduktion an Erdbeeren aufgekauft und der Bauer entsprechend technologisch unterstützt. „Anfangs ist das ja ganz schön für den Landwirt“, meinte Lutz, „aber nach einer Weile diktieren die Supermärkte die Preise. „Die Digitalisierung dient da nur als Steigbügelhalter und die Zeche zahlt am Ende der Landwirt.“ Die traditionelle Kette Hersteller – Großhändler – Einzelhändler – Kunde sei infolge der Digitalisierung endgültig vorbei.

Auch deshalb solle sich jeder Landwirt – egal ob hauptberuflich tätig oder im Nebenerwerb – sehr genau überlegen, was er konkret für seinen Hof von Digitalisierung erwarte. „Das Motto ,Hauptsache ich bin dabei’ ist definitiv falsch. Sie sollten sich vorher genau überlegen, ob sie beispielsweise lieber wachsen oder eher Kosten senken wollen“, lautet der Rat von Lutz an die Zuhörer, „und dabei Schritt für Schritt vorgehen. Sonst gibt es am Ende nur Chaos und Sie sind frustriert.“ Feststehe jedoch ebenso: „Die Landwirtschaft in ganz Europa ist auf einem Konsolidierungsweg – ob es uns passt oder nicht.“

In einer Hinsicht freilich hätten alle Bauern sicher nichts gegen einen ordentlichen Digitalisierungsschub: Beim Thema schnelleres Internet. Während die Staatsregierung mäßige 50 Mbit pro Sekunde immer noch als Datenhighway anzubieten wagt, ist man anderswo auf der Welt schon weiter – und zwar auch in Ländern, die man nicht gleich als technologische Vorreiter identifizieren, beispielsweise Südafrika. „Ich war neulich auf einer Farm 150 Kilometer nordwestlich von Johannesburg, mitten in der Pampa“, berichtete Klaus Josef Lutz, „und habe spontan morgens um 9 Uhr ein Buch bei Amazon bestellt. Das ging ruckzuck. Aber versuchen Sie das mal zur gleichen Zeit in einem Dorf in Oberbayern.“
(André Paul)

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