Wirtschaft

Helmut Brunner ist sich sicher, dass Bayerns Bauern von der Nachfrage in Brasilien, Russland, Indien und China profitieren können. (Foto: Schweinfurth)

08.10.2010

"Wir können diese riesigen Märkte nutzen"

Bayerns Landwirtschaftsminister will bayerische Lebensmittel in den BRIC-Staaten verankern

Erst vor Kurzem war Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) in Russland, um dort den Absatz bayerischer Lebensmittel voranzubringen. Wir sprachen mit ihm über Zielmärkte, Holzvermarktungschancen, die Situation der Milchbauern und den Personalabbau im Landwirtschaftsministerium. BSZ: Wie viel an Lebensmitteln aus bayerischer Produktion können denn exportiert werden?
BRUNNER: Im Freistaat haben wir wie in ganz Europa in der Landwirtschaft eine Überproduktion. Konkret bedeutet das, dass wir bei Milch einen Selbstversorgungsgrad von 170 Prozent, bei Käse von 330 Prozent und bei Rindfleisch von 220 Prozent haben. Daraus ergibt sich, dass wir eine Menge an Lebensmitteln exportieren können. BSZ: Rohware?
BRUNNER: Nein. Wir setzen auf den Export von veredelten Produkten, also zum Beispiel Joghurt, weil dort die Gewinnspanne für die Betriebe höher ist. BSZ: Welche Absatzmärkte sind für Bayern am wichtigsten?
BRUNNER: Die Hälfte unserer Agrarexporte gehen nach Italien, Österreich und in die Niederlande. Allein heuer werden wir nach ersten Schätzungen für rund 1,6 Milliarden Euro Lebensmittel nach Italien exportieren, für 800 Millionen Euro nach Österreich und für 600 Millionen Euro in die Niederlande. BSZ: Sie waren vor zwei Wochen in Russland. Wieso braucht denn ein so großes Land wie Russland mit seinen riesigen landwirtschaftlichen Produktionsflächen Lebensmittel aus Bayern?
BRUNNER: Weil sie nicht genug für ihre Verbraucher produzieren. Der Selbstversorgungsgrad der Russen bei Milch zum Beispiel liegt nur bei 75 Prozent, bei Fleisch bei 80 Prozent. Dieses Jahr hat die Regierung in Moskau sogar den Weizenexport untersagt, weil durch die große Trockenheit die Ernte um ein Drittel niedriger ausfiel als in den Jahren vorher. Jetzt denkt man über Beregnung nach. Hier könnte Bayern auch die entsprechende Agrartechnik liefern. BSZ: In welchen weiteren Ländern läuft der Export bayerischer Lebensmittel gut?
BRUNNER: In Polen und der Tschechischen Republik beispielsweise. Doch ich möchte noch einmal auf Russland zu sprechen kommen. Dort braucht man neben Landtechnik auch Finanzdienstleistungen, um diese Technik zu etablieren und zu bezahlen. Außerdem wird Biogas-technik gebraucht. Die Russen lehnen es zwar ab, Mais und Weizen für die Stromproduktion in Biogasanlagen zu verfeuern, weil sie zu wenig davon haben und es zum Essen beziehungsweise Verfüttern brauchen. Aber sie sind sehr interessiert an der Biogasproduktion aus Abfallprodukten aus der Landwirtschaft. Hierfür kann Bayern ebenfalls wertvolles Knowhow und Technik liefern. BSZ: Wieso ist denn die Nachfrage nach bayerischen Lebensmitteln im Ausland so hoch?
BRUNNER: Weil unsere Produkte dort höchstes Ansehen genießen. Man weiß im Ausland, dass unsere Produkte wegen der hohen Kontrolldichte höchster Qualität entsprechen. Da werden die vielen Vorschriften, unter denen unsere Landwirte stöhnen, zum Exportvorteil. BSZ: Welche Auslandsmärkte für bayerische Lebensmittel haben Sie denn noch im Visier?
BRUNNER: Die so genannten BRIC-Staaten, also neben Russland auch Brasilien, China und Indien. Wir können diese riesigen Märkte nutzen. Dort besteht Nachfrage nach unseren veredelten Produkten und Spezialitäten. Gerade in Russland können wir für unsere Waren gute Preise erzielen.
Aufgrund der russischen Gasexporte und Ölexporte ist dort viel Kaufkraft vorhanden. Aber nicht nur in Russland finden unsere Lebensmittel guten Absatz, auch in Bulgarien und Rumänien. Im Prinzip können wir überall dort unsere bayerischen Lebensmittel absetzen, wo die bayerische oder deutsche Industrie im Ausland ein Vertriebsnetzwerk errichtet hat. Dieses Netzwerk müssen wir nutzen. BSZ: Jetzt aber mal ins Inland. Welche Rolle spielt denn eigentlich die Regionalvermarktung für bayerische Lebensmittel?
BRUNNER: Eine sehr große. Denn vor allem junge Verbraucher wollen wissen, wo die Lebensmittel herkommen. Deshalb liegt in der Direktvermarktung eine große Absatzchance. Denn über die Direktvermarktung können sowohl Produkte verkauft als auch Informationen über diese Produkte transportiert werden. Ich fördere die Direktvermarktung, weil sie unsere kleinteiligen Strukturen in der Landwirtschaft stärkt.
BSZ: Haben wir denn in Bayern genug Möglichkeiten für die Direktvermarktung?
BRUNNER: Ich denke schon. Denn wir haben im ganzen Freistaat etwa 175 Bauernmärkte. Allein in München sind es zwischen sieben und zehn pro Woche. Die Verbraucher schätzen die Frische, die Nähe und die Qualität der Ware. Außerdem passt die Direktvermarktung hervorragend zur Bioproduktion. BSZ: Wie viele Biobetriebe haben wir denn derzeit in Bayern?
BRUNNER: Etwa 6250, die rund 190 000 Hektar bewirtschaften. Das bedeutet, dass etwa jeder dritte Biobetrieb Deutschlands in Bayern ist und jeder zweite Liter Biomilch im Freistaat produziert wird. BSZ: Und zum Vergleich: Wie viele konventionelle Betriebe haben wir in Bayern?
BRUNNER: Etwa 117 000, wobei da auch sehr viele Kleinstbetriebe dabei sind. Sie bewirtschaften zusammen eine Fläche von rund 3,2 Millionen Hektar. BSZ: Hat denn Bio angesichts stetig steigender Lebenshaltungskosten überhaupt langfristig eine Chance?
BRUNNER: Durchaus, denn vor allem jüngere Verbraucher sind bereit, für Ökoprodukte mehr Geld auszugeben. BSZ: Wie sieht es denn derzeit überhaupt für die Milchbauern aus?
BRUNNER: Die Milchbauern sind noch nicht über den Berg, auch wenn der Export um 20 Prozent zugelegt und der Preis sich um ein Drittel erhöht hat. BSZ: Hat es geholfen, dass sich die Bauern über das Label „Die faire Milch“ selbst um die Weiterverarbeitung in Molkereien gekümmert haben?
BRUNNER: Solche Initiativen haben bestimmt geholfen. Aber wir müssen weiterhin den Wert unserer Produkte ins rechte Licht stellen. BSZ: Sie sind ja auch bayerischer Forstminister. Wie sieht denn die Lage beim bayerischen Holz aus?
BRUNNER: Gut. Bayerisches Holz ist derzeit stark gefragt. Denn momentan ist eher zu wenig Rundholz auf dem Markt. Deshalb sind die Preise gestiegen. Ich spreche viel mit Privatwaldbesitzern, damit diese die Chance nutzen und mehr Holz einschlagen. Doch sie sind trotz der guten Ertragslage zögerlich. Sie vergleichen die Rendite auf der Bank mit der im Wald. Und da hat wegen des aktuell niedrigen Zinsniveaus der Wald klar die Nase vorn. Außerdem versuchen viele Privatwaldbesitzer die Schäden der vergangenen Jahre durch Schädlingsbefall und Windbruch wieder auszugleichen und wollen auch aus diesen Gründen derzeit nicht mehr Holz einschlagen. BSZ: Wie viel Privatwald gibt es denn eigentlich im Freistaat?
BRUNNER: 1,4 Millionen Hektar, verteilt auf 700 000 Eigentümer. Damit ist mehr als die Hälfte der insgesamt 2,5 Millionen Hektar Wald im Freistaat in privater Hand. Knapp 800 000 Hektar sind Staatswald, 350 000 Hektar Kommunalwald, der Rest Bundeswald. BSZ: Und der Einschlag?
BRUNNER: Der ist im Staatswald und im Kommunalwald relativ konstant, im Privatwald ist er deutlich zurückgegangen. 2007 haben die privaten Waldbesitzer noch fast 13 Millionen Festmeter eingeschlagen, vergangenes Jahr waren es nur knapp 10 Millionen. BSZ: Wie viel bekommt man denn derzeit für einen Festmeter gutes Holz?
BRUNNER: Teilweise mehr als 90 Euro pro Festmeter Fichte in normaler Bauholz-Qualität. BSZ: Wenn ich Ihre Aussagen jetzt richtig deute, wollen Sie den Einschlag erhöhen.
BRUNNER: Das wäre sinnvoll, allerdings nur im Privatwald. Denn im Staatswald haben wir den nachhaltig möglichen Einschlag bereits erreicht. Ich will aber nicht nur den Einschlag voranbringen, sondern auch den Absatz von Holzprodukten – hierfür gibt es viele Gründe, einer ist der Klimaschutz: Pro Sekunde wächst in Bayern ein Kubikmeter Holz nach. Und in einem Kubikmeter Holz ist eine Tonne CO2 gebunden. Aber Holz ist auch ein hervorragender Bau- und Dämmstoff. Wir haben es in den letzten zwanzig Jahren geschafft, den Anteil von Holz als Baustoff im Einfamilienhausbereich in Bayern von 7,5 auf 15 Prozent zu verdoppeln. In Österreich liegt er aber bei 35 Prozent und in Skandinavien sogar bei 85 Prozent. BSZ: Sie wollen also an die skandinavische Zielmarke ran?
BRUNNER: Nein, aber wir sollten versuchen, Holz noch mehr zu etablieren. Vor allem in der Kombination mehrerer Baustoffe hat Holz gute Chancen. BSZ: Zum Schluss noch ein internes Thema. Ihr Haus soll ja bis zum Jahr 2019 ein Drittel aller Planstellen einsparen. Wie weit sind Sie?
BRUNNER: Etwa 20 Prozent haben wir schon geschafft. Man darf bei diesem Prozess aber nicht aus den Augen verlieren, dass wir weder Leistung noch Qualität einschränken wollen. Deshalb versuchen wir traditionelle Aufgabenbereiche an Dritte wie zum Beispiel die Maschinenringe, die Landeskuratorien oder die Zuchtverbände weiterzugeben. BSZ: Aber die Bedeutung Ihres Hauses ist doch in den vergangenen Jahren angesichts des Booms bei den erneuerbaren Energien eher gestiegen.
BRUNNER: Sicher. Aber das hat man 1993, als der Prozess zum Personalabbau begonnen wurde, nicht voraussehen können. Andererseits geben pro Jahr zwischen 2 und 4 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern auf, der technische Fortschritt schreitet voran und wir sind dabei, unsere Verwaltungsstrukturen zu optimieren. Ich denke, so können wir das Ziel bis zum Jahr 2019 erreichen. (Interview: Ralph Schweinfurth)

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