Wirtschaft

Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer gibt am Gemeinschaftsstand des Aerospace Clusters „bavAIRia“ auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin die Richtung vor. Nach oben soll es mit Bayerns Luft- und Raumfahrtbranche gehen. (Foto: StMWi/M.Wimbersky)

04.05.2018

„Wir wollen das hybrid-elektrische Fliegen stärken“

Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer über Luft- und Raumfahrt im Freistaat, Ansiedlungspolitik, Tourismus und Exportchancen

Bayern hat seit 21. März einen neuen Wirtschaftsminister. Franz Josef Pschierer (CSU), der vorher Wirtschaftsstaatssekretär war, hat das Amt von Ilse Aigner (CSU), die jetzt Bauministerin ist, übernommen. Wir sprachen mit ihm über seine Pläne für Bayerns Wirtschaft. BSZ: Herr Pschierer, der neue Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung davon gesprochen, Bayern als Standort für Luft- und Raumfahrttechnik stärken zu wollen. Konkret wird wohl Ihr Haus das ausarbeiten. Was planen Sie?
Pschierer: Bayern ist traditionell in der Luft- und Raumfahrt stark. Das war schon unter den Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber so und wird auch unter Markus Söder so sein. Die Branche ist im Freistaat sehr erfolgreich. So hat sie maßgeblich das europäische Satellitennavigationssystem Gallileo mitentwickelt. Außerdem werden Teile für die Europarakete Ariane und diverse Kleinsatelliten in Bayern hergestellt.

BSZ: Das ist Status quo. Aber was soll kommen?
Pschierer: Die Luft- und Raumfahrt hat eine besondere Bedeutung - und hinter dem Anspruch, technologisch ganz vorne mit dabei zu sein, verbirgt sich mehr als ein rein wirtschaftliches Interesse. Die Entwicklungen in diesem Bereich sind oft besonders relevant, von den Forschungsergebnissen profitieren meist weitere Branchen. Und selbstverständlich hat die Branche ein besonderes Renommee. Insofern passt sie zu Bayern. Konkret sehen wir große Möglickeiten, insbesondere mit Blick auf die Antriebstechnik. So wollen wir das sogenannte hybrid-elektrische Fliegen stärken. Also Flugzeugantriebe entwickeln, die sowohl konventionell als auch mit Strom ihren Schub bekommen. Und bei der Raumfahrt geht es vor allem um das unbemannte Fliegen, um Erdbeobachtung und Quantensensorik.

BSZ: Dann kann man ja problemlos die dritte Startbahn am Münchner Flughafen bauen, wenn von ihr nur noch emissionslose und sehr leise Flieger abheben.
Pschierer: (lacht) Emissionslose und leise Flieger wären in jedem Fall ein vernünftiges Ziel. Aber in der Tat sehe ich großes Absatzpotenzial für kleinere Flugzeuge mit Hybridantrieb. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Etwa die über 12 000 Inseln Indonesiens, die man natürlich nicht mit Straßen verbinden kann. Damit die Menschen dort mobil sein können, braucht man viele Flugzeuge. Und das ist nur ein Beispiel.

BSZ: Was gibt es noch?
Psschierer: Zustelldienste werden künftig verstärkt auf Drohnen setzen, um Waren auszuliefern. Auch hiervon kann die bayerische Luft- und Raumfahrtbranche profitieren. Wir sind ein Industriestandort und müssen bei Zukunftstechnologien die Nase vorn haben. Das gilt auch für das Feld der Robotik.

BSZ: Das heißt?
Pschierer: Ich will zwar im Alter einmal nicht von einem Roboter gepflegt werden. Aber Assistenzroboter können Pflegekräfte deutlich entlasten. Hierzu müssen wir auch Forschung und Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz stärken.

BSZ: Und wenn jemand ihren künstlichen Assistenzpfleger hackt?
Pschierer: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an: Wir müssen in der Tat die Cybersicherheit vorantreiben. Sie ist die notwendige Ergänzung zur Digitalisierung - ohne Fortschritte in diesem Bereich, wird es nicht gehen. Der Freistaat investiert aber bereits kräftig in die Forschung auf diesem Bereich. Cybersicherheit in Bayern muss ein Standortvorteil werden, so wie es die Innere Sicherheit heute schon ist. Für mich wird es aber auch jenseits dieser Frage ein Kernthema werden, die Vorteile des Standorts Bayern hervorzuheben. Deshalb werde ich etwa die bayerische Ansiedlungspolitik neu strukturieren.

BSZ: Wie soll das vor sich gehen?
Pschierer: Zum einen wollen wir Bayern International, die Agentur des Freistaats, die bayerische Unternehmer ins Ausland begleitet, stärken. Unternehmerreisen sowie Reisen mit politischer Begleitung sind das A und O, damit neue internationale Wirtschaftskooperationen zustandekommen, oder neue Absatzmärkte erschlossen werden können. Darüber hinaus soll Invest in Bavaria, die Ansiedlungsagentur des Freistaats, ihren Fokus noch stärker auf andere Regionen außerhalb Münchens legen.

BSZ: Aber bisher hieß es immer, dass die meisten Unternehmen sich im Großraum München ansiedeln wollen.
Pschierer: Das ist auch so. Aber man muss ihnen noch stärker aktiv die anderen Räume Bayerns aufzeigen. München ist überhitzt und das endogene Potenzial der Regionen ist oft unbekannt. Nehmen wir zum Beispiel Hof mit seinem Textilforschungsinstitut. Das kennt außerhalb Deutschlands kaum jemand. Das muss bei den entsprechenden Unternehmen bekannt gemacht werden, damit die ihre Expansionspläne entsprechend modifizieren.

BSZ: Das heißt konkret?
Pschierer: Wenn ein chinesisches oder US-amerikanisches Textilunternehmen eine Europazentrale oder eine Deutschlandniederlassung plant, sollte es idealerweise nach Hof kommen, weil es dort ein branchenspezifisches, kreatives und innovatives Umfeld findet. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Branchen. Im gesamten Bayern sind die unterschiedlichsten Kompetenzen verteilt Wir müssen der Welt deutlich machen, welche Chancen in den Regionen Bayerns liegen. Darum wollen wir die Niederlassung von Invest in Bavaria in Nürnberg stärken und eine neue Niederlassung in Hof eröffnen. Aber ich habe noch einen Punkt.

BSZ: Welchen?
Pschierer: Wir wollen unter dem Slogan „Invest daheim“ Unternehmen dazu bewegen, möglichst außerhalb der Landeshauptstadt zu investieren. München wird zunehmend schwierig, nehmen Sie etwa die Verkehrsproblematik und den angespannten Wohnungsmarkt. Heute müssen aber nicht alle Mitarbeiter eines Unternehmens zwingend an einem Standort sein. Via Glasfaser mit der Zentrale in München verbunden, können sie zum Beispiel in einer Büroimmobilie in Landsberg am Lech sitzen oder im Homeoffice arbeiten. Nehmen wir zum Beispiel BMW. Nur 36 Prozent der Belegschaft arbeitet direkt in der Fertigung am Fließband. Alle anderen Bereiche wie Marketing oder App-Entwicklung müssen nicht zwingend in München sein. Mit „Invest daheim“ wollen wir auch München ein Stück weit entlasten.

BSZ: Was haben Sie noch auf der Agenda?
Pschierer: Den Fachkräftemangel. Zusammen mit der Agentur für Arbeit und der bayerischen Wirtschaft wollen wir verstärkt versuchen, Potenziale im heimischen Markt zu heben. Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich bereits deutlich erhöht, viele Frauen arbeiten jedoch in Teilzeit, obwohl sie sich eine Aufstockung der Stunden wünschen. Ich weiß, dass Homeoffice, auch Teilzeit für zusätzliche Belastungen gerade in kleineren Unternehmen sorgen. Aber genau hier müssen wir ansetzten, die Firmen zu entlasten. Das Betreuungsangebot für Kinder hat sich ja schon deutlich verbessert. Darüber hinaus wollen wir Studienabbrecher aus den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern fördern. Ein Maschinenbaustudent mag ein Superfeeling für die Materie haben, aber sich im theoretischen Bereich schwer tun. Hier müssen Hilfsangebote entwickelt werden, damit dieses Talent für die Branche nicht verloren ist. Auch bei den Langzeitarbeitslosen ist eine stärkere Förderung angesagt. Denn der eine oder andere wäre durchaus noch für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.

BSZ: Und was ist mit den Flüchtlingen?
Pschierer: Auch hier gibt es Potenziale. Wer intergrationswillig und -fähig ist, wird gefördert. Aber wir müssen darauf achten, dass wir keinen Pull-Effekt erzeugen.

BSZ: Doch viele, die sich gut integrieren wollen und einen Job haben, dürfen im einen Landkreis bleiben, im anderen nicht. Das führt zu Verdruss bei den Betroffenen und den Unternehmen, in denen sie arbeiten. Soll das so bleiben?
Pschierer: Da gab es in der Tat Probleme im Vollzug. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir diese gemeinsam mit dem Innenministerium lösen können. Wir brauchen klare Ausführungsbestimmungen ohne Interpretationsspielräume.

BSZ: Interpretationsspielräume werden auch im Tourismus gerne genutzt. So schielen bayerische Hoteliers oftmals neidisch ins benachbarte Tirol, wollen aber nicht sehen, dass sie selbst besser werden müssen, damit mehr Gäste bei ihnen in Bayern bleiben.
Pschierer: Ich halte nichts davon, wenn wir den Eventtourismus der Alpenrepublik kopieren. Nachhaltigkeit steht bei uns im Zentrum, wir wollen unterscheidbar sein und besonders bleiben. Das bedeutet, dass wir die Besonderheiten Bayerns bewahren und pflegen müssen. Und wir müssen uns heute schon um den Gast von morgen kümmern: E-Mobilitätsangebote schaffen und mit dem bayerischen Nahrungsmittelhandwerk zusammenarbeiten. Denn nicht mehr Bio, sondern Regio ist in. Viele kleine und mittlere Betriebe im Gastronomie- und Hotelleriegewerbe wollen ja investieren.

BSZ: Wie meinen Sie das?
Pschierer: Wenn ein junger Gastronom das unternehmerische Risiko auf sich nimmt und das elterliche Gasthaus weiterführt, kommt sofort die Gewerbeaufsicht und inspiziert, ob der Fettabscheider richtig installiert ist, die Küche deckenhoch gefliest ist und so weiter. Die Vorschriften sind alle richtig, aber im Vollzug sollte man schon mit Augenmaß vorgehen und nicht wöchentlich den Jungunternehmer drangsalieren. Dann lässt der es nämlich sein. Stichwort: Wirtshaussterben. Wir haben jetzt ein Förderprogramm für Wirtshäuser aufgelegt, um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Davon profitiert die heimische Bevölkerung, aber auch ausländische Gäste.

BSZ: Ausland ist ein gutes Stichwort. Wie bewerten Sie denn das neue protektionistische Umfeld, mit dem die bayerische, stark exportorientierte Wirtschaft zu kämpfen hat?
Pschierer: Die bayerische Wirtschaft steht vor erheblichen Risiken: Brexit, Trump, Sanktionen gegen Russland, die Probleme mit der Türkei und die Herausforderungen mit China. Das sind sehr ernstzunehmende Gefahren für die exportorientierte bayerische Wirtschaft. Die aktuellen handelspolitischen Auseinandersetzungen führen aber für alle Seiten zu Verlusten. Ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis noch durchsetzt. Wichtig ist, dass die EU jetzt zusammenhält und dass es ein gemeinsames Eintreten für den freien Handel gibt. Wir können jetzt auch sehen, wozu die Chlorhühnchenpanik in der TTIP-Diskussion geführt hat. Mit TTIP hätten wir es heute erheblich leichter. Aber ich plädiere dafür, was TTIP betrifft, noch nicht aufzugeben. Wir brauchen einen neuen Anlauf. Und für den Handel mit China müssen wir uns neu aufstellen.

BSZ: Inwiefern?
Pschierer: China geht, was Deutschland und Europa betrifft, sehr strategisch und langfristorientiert vor. Das ist nicht immer schlecht, wenn Sie etwa den Roboterhersteller Kuka nehmen, so war der Einstieg der Chinesen gut für die Arbeitnehmer und den Fortbestand des Unternehmens. Aber wir müssen verhindern, dass sich chinesische Staatsfonds in Unternehmen einkaufen, die bei uns kritische Infrastrukturen betreiben. Energieversorgung oder Netzbetreiber etwa müssen in unserer Hand bleiben. Wir müssen uns vorbehalten, ausländische Investitionen zu prüfen und im Zweifel zu untersagen – und auch unterhalb der Eingriffsschwelle von 25 Prozent. Diese Erkenntnis setzt sich aber auch im Bund durch.

BSZ: Welche Eingriffschwelle?
Pschierer: Wenn ein chinesisches Unternehmen bei einem bayerischen investieren will und mehr als 25 Prozent erwerben möchte, muss das Wirtschaftsministerium zustimmen. Wir in Bayern wollen, dass dieser Prozentsatz für Betreiber kritischer Infrastrukturen auf Null gesenkt wird.

BSZ: Aber die neue Seidenstraße bietet dem Exportland Bayern schon eine Riesenchance, oder?
Pschierer: Von der Wiederbelebung der alten Handelsroute können nur alle profitieren. Das ist in der Tat eine Riesenchance für unsere Unternehmen.

BSZ: Was raten Sie also in diesem Zusammenhang der bayerischen Wirtschaft?
Pschierer: Das, was auch in der Vergangenheit das Erfolgsrezept bayerischer Unternehmen war: Chance beherzt nutzen – sowohl was die Realisierung des Projekts selbst betrifft als auch mit Blick auf die neuen Möglichkeiten für den Handel.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. alexanderp. am 04.05.2018
    Hybrid-Elektrisches Fliegen?! Es gibt ja noch nicht mal für alle bezahlbare Elektroautos mit akzeptabler Reichweite.......

    12000 Inseln Indonesiens?!? Weltraumtechnik? Der Mann soll sich um Bayern kümmern und nicht um irgendwelchen Nonsens. Es ist unfassbar.
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