Wirtschaft

Klaus Dittrich wünscht sich von den beiden Hauptgesellschaftern der Messe München, also dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München, dass sie in naher Zukunft zumindest einen Teil der Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital der Messegesellschaft umwandeln. (Foto: Messe München)

12.07.2013

„Wir wollen die Ertragskraft weiter steigern“

Münchens Messechef Klaus Dittrich über Zukunftspläne, neue Messehallen und neue Märkte im Ausland

Die Messe München ist eine der großen, international sehr bedeutenden Messegesellschaften Deutschlands. 2012 ist sie auf ihrem Weg des profitablen Wachstums hervorragend vorangekommen. Wir sprachen mit Messechef Klaus Dittrich über die Pläne der Messe München in den kommenden Jahren. BSZ: Herr Dittrich, wie geht es denn der Messe München?
Dittrich: Es geht uns sehr gut. Wir konnten in den vergangenen drei Jahren die Ertragskraft deutlich erhöhen und jeweils Gewinne erzielen. Das ist deswegen bemerkenswert, weil wir einen jährlichen Kapitaldienst von über 50 Millionen Euro zu leisten haben. BSZ: Wieso das denn?
Dittrich: Der Neubau des Messegeländes hier in München-Riem Ende der 90er Jahre hat insgesamt 1,2 Milliarden Euro gekostet. Hierfür mussten wir 680 Millionen Euro als Darlehen aufnehmen. Das muss bis 2018 zurückgezahlt werden. Zusätzlich haben wir vom Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München 520 Millionen Euro Gesellschafterdarlehen erhalten. Die verzinsen wir immer dann, wenn wir Gewinne erzielen; für das letzte Geschäftsjahr 2012 waren es 17,8 Millionen Euro. BSZ: Schafft die Messe das denn?
Dittrich: Ja. Wir haben 2007 zum ersten Mal auf dem neuen Gelände einen Gewinn erzielt. Seit 2010 ist uns das drei Jahre in Folge gelungen, und 2013 wird das ebenfalls der Fall sein. Einschließlich dieses Jahres haben wir die Gesellschafterdarlehen bislang mit über 70 Millionen Euro verzinst. BSZ: Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, um die Ertragskraft zu steigern?
Dittrich: Zum einen wollen wir im Inland überdurchschnittlich wachsen. Das betrifft die Fläche, die Besucher und die Aussteller und ist uns in den letzten drei Jahren gelungen. Im Ausland wollen wir unseren Umsatz um 50 Prozent steigern und somit näher an unsere deutschen Wettbewerber heranrücken. BSZ: Welche sind denn das?
Dittrich: Die Kollegen in Frankfurt machen durchschnittlich etwa 35 Prozent ihres Umsatzes mit Auslandsmessen. Die Düsseldorfer erwirtschaften rund 23 Prozent im Ausland, und wir schaffen derzeit 15 Prozent. Hier holen wir aber bereits kräftig auf. 2012 haben wir mit den Auslandsmessen einen Gewinn von 26 Millionen Euro erzielt. BSZ: Wie wichtig ist denn die Messe München für den Wirtschaftsraum München?
Dittrich: Wir sorgen für etwa 2,17 Milliarden Euro an so genannter Umwegrentabilität, also Umsätze bei Hotels, Restaurants, Verkehr, Handwerksbetrieben und dem Einzelhandel, die durch unsere Veranstaltungen hier generiert werden. Rund 22.000 Arbeitsplätze werden dadurch gesichert. Das sind allerdings Zahlen aus der ifo-Studie von 2007. Neue Zahlen hierzu wird es im Jahr 2014 zum 50-jährigen Firmenjubiläum der Messe München GmbH geben. BSZ: Die Messe München ist sicher auch ein guter Steuerzahler.
Dittrich: Ja. Aber vor allem sorgen wir durch diese Umwegrentabilität für ein Steueraufkommen von rund 360 Millionen Euro pro Jahr. Davon profitiert Bayern mit 118 Millionen Euro und München mit 20 Millionen Euro. BSZ: Wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, platzt die Messe München bei ihren großen Veranstaltungen, also den internationalen Leitmessen wie der BAU, der bauma, der ISPO oder der IFAT bereits aus allen Nähten. Müssen Sie also neue Messehallen bauen?
Dittrich: Ja, wir müssen dieser Flächennachfrage nachkommen, um sie nicht an den Wettbewerb zu verlieren. Unsere Gesellschafter haben dem Neubau von zwei weiteren Hallen, C5 und C6, für 100 Millionen Euro grundsätzlich zugestimmt. BSZ: Wann werden diese fertig sein?
Dittrich: Den Baubeginn haben wir für 2016 geplant und die Fertigstellung für 2018. Dadurch werden wir 20.000 Quadratmeter zusätzliche Ausstellungsfläche erhalten. BSZ: Und noch mehr Menschen werden sich in der U-Bahn drängen, um zur Messe zur kommen.
Dittrich: Darum hoffen wir ja schon seit Jahren auf einen S-Bahn-Anschluss an die Messe. Das würde dann auch die Hotelsituation in München etwas entspannen. Denn damit wären alle Unterkünfte im gesamten S-Bahn-Bereich mit nur einer Umsteigebeziehung an das Messegelände angebunden. BSZ: Aber die neuen Hallen sind nicht nur wegen der BAUMA notwendig?
Dittrich: Nein. Wir haben bereits Ausstellerwartelisten bei vier Messen. Und auch kleinere Veranstaltungen wie etwa die Optikermesse Opti der Gesellschaft für Handwerksmessen hätte gerne eine Halle mehr, die wir aufgrund der Veranstaltungsdichte aber nicht anbieten können. Unser Gelände ist eben erfreulich gut ausgelastet. BSZ: Und wie sieht es mit dem Gelände in Shanghai aus?
Dittrich: Wir sind seit 2002 zusammen mit den Messegesellschaften Düsseldorf und Hannover zu 50 Prozent an dem Shanghaier Messegelände beteiligt. Es ist das erfolgreichste Messegelände der Welt und wirft gute Gewinne ab. Aber wir wollen uns nicht nur auf Shanghai konzentrieren. In einem nächsten Schritt schauen wir uns derzeit in den sogenannten 2nd-Tier-Cities nach neuen Potenzialen in China um. BSZ: Das müssen Sie näher erklären.
Dittrich: Das sind Millionenstädte wie Chengdu, Wuhan oder Chongqing. Wir haben es dort mit Einwohnerzahlen von 20 Millionen und mehr zu tun. Das sind äußerst interessante Märkte für neue Messen. BSZ: Also liegt Ihr Fokus für Wachstum im Ausland auf China.
Dittrich: Nicht nur. Am bevölkerungsreichsten Land der Erde kommt man sicher nicht vorbei, aber auch Indien ist für uns ein interessanter Markt. Dort hat sich unsere Baumaschinenmesse von 2011 mit 80.000 zu 2013 mit 150.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche nahezu verdoppelt. Aber auch andere Veranstaltungen wie die drinktechnology India, die elektronica India oder die LASER World of PHOTONICS INDIA laufen dort sehr gut. Und gerade erst haben wir mit der Indian Ceramics das Pendant zur Ceramitec für den indischen Subkontinent akquiriert. BSZ: In welchen Ländern will sich die Messe München noch engagieren?
Dittrich: In der Türkei zum Beispiel. Dort gibt es seit Kurzem ein Joint Venture mit türkischen Partnern und der GHM Gesellschaft für Handwerksmessen. Im April 2014 veranstalten wir dort eine Messe für Erdbebensicherheit. Das lohnt sich, weil die türkische Regierung ein Milliardenprogramm aufgelegt hat, um Gebäude und Infrastruktur in der Türkei erdbebensicher zu machen. Schließlich wird die gesamte Region immer wieder von verheerenden Katastrophen heimgesucht. Aber auch eine Umwelttechnikmesse IFAT und ein Kongress für Geodäsie wird von uns in der Türkei durchgeführt werden. BSZ: Bietet der türkische Markt denn so viel Geschäftspotenzial?
Dittrich: Die Türkei ist eine Drehscheibe, um die Staaten des mittleren Ostens, Nordafrikas, den Kaukasus und Zentralasien zu erschließen. Denn Menschen aus diesen Ländern können ohne größere Hürden in die Türkei einreisen. Das bedeutet, wir erreichen mit Messen in der Türkei nicht nur Türken. Für Besucher und Aussteller aus dieser Region wäre es aufgrund der Visa-Problematik ungleich komplizierter, zu einer Messe nach München zu kommen. BSZ: Und wo spielt für die Messe München in der Welt noch so die Musik?
Dittrich: In Johannesburg in Südafrika veranstalten wir im September dieses Jahres die erste bauma Africa auf 60.000 Quadratmetern. Mit dieser Messe adressieren wir den gesamten Raum südlich der Sahara. Und eine Messe für Getränketechnologie werden wir dort auch etablieren. Darüber hinaus arbeiten wir an einer Markteintrittsstudie für Brasilien.
BSZ: Treten Sie da nicht in Konkurrenz zur NürnbergMesse, die erst vor Kurzem eine ganze brasilianische Messegesellschaft gekauft hat?
Dittrich: Die NürnbergMesse vertritt die Messe München in Brasilien. Das ist ein ganz kollegiales Miteinander, und wir nutzen gemeinsam Synergieeffekte. BSZ: Gibt es noch ein spannendes Land für die Messe München?
Dittrich: Ja, Indonesien. Dieses Land hat viel Wachstumspotenzial, ist politisch stabil, und es sollen in den kommenden Jahren 400 bis 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert werden. 2014 wollen wir eine entsprechende Markteintrittsuntersuchung durchführen. BSZ: Und wie sieht es im Kongressbereich aus?
Dittrich: Sehr gut. Der europäische Kardiologenkongress mit 30.000 Teilnehmern hat 2012 ja schon zum dritten Mal in München stattgefunden. Das ist eine absolute Ausnahme, da die Herzspezialisten bisher immer an einem anderen Ort tagten. Und 2014 kommen die Pneumologen, also die Lungenfachärzte, mit 20.000 Teilnehmern zu uns. Aber der Wettbewerb bei der Kongress-Akquisition wird immer härter. BSZ: Wie kann die Landeshauptstadt dazu beitragen, dass die Messe München im Kongressgeschäft weiterhin punktet?
Dittrich: Indem sie es zulässt, dass Messen und Kongresse im Stadtbild noch präsenter sind. Beim Kardiologenkongress war es mit den Herzen am Rathaus und auf den Taxen mustergültig. Aber im Stadtrat hat man etwas die Sorge, dass zu viel Werbung im Stadtbild auftaucht. Immerhin dürfen wir jetzt zu unseren Messen Fahnen am Hauptbahnhof hissen. BSZ: Aber sie haben ja bereits illustriert, wie die Stadt von Steuergeldern, die von der Messe München kommen, profitiert. Könnte man da nicht etwas mehr Engagement für die Messe erwarten?
Dittrich: Als Mitglied in der Tourismus-Initiative der Stadt geben wir natürlich unsere Anregungen, damit München noch mehr hochkarätige Events bekommt. BSZ: Und was wünschen Sie sich vom zweiten Gesellschafter der Messe München, dem Freistaat Bayern?
Dittrich: Von beiden Hauptgesellschaftern wünschen wir uns, dass sie in naher Zukunft zumindest einen Teil der Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital der Messegesellschaft umwandeln. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir das Unternehmen hocheffizient und erfolgreich führen. Eine stärkere Eigenkapitalbasis würde uns sehr stark dabei helfen, diesen Wachstumskurs fortzuführen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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