Wirtschaft

CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollen sich einander wieder annähern. Wirtschaftsfragen helfen dabei. (Foto: dpa)

23.09.2016

Wirtschaft und Finanzen im Fokus

Sechs „Deutschlandkongresse zu Zukunftsfragen“ von CDU und CSU

Zum einjährigen Jubiläum des Unionsstreits über Kanzlerin Merkels Flüchtlingspolitik und ein Jahr vor der Bundestagswahl beginnen die christlichen Schwesterparteien CDU und CSU wieder mehr miteinander statt übereinander zu reden. Am morgigen Samstag, den 24. September findet im Vogel Convention Center in Würzburg der erste von sechs „Deutschlandkongressen zu Zukunftsfragen“ statt, die zuvor auf einer Arbeitstagung in Potsdam vereinbart wurden. Die Themen machen deutlich, dass es dabei nicht allein um Differenzen bei der Migrationspolitik geht, sondern auch um Steuer-, Wirtschafts-, Energie-, Renten- und europäische Finanzpolitik.

Das erste Treffen zum Thema „Zusammenhalt der Gesellschaft“ findet unter gemeinsamer Leitung der quasi engsten Nachbarn statt: Bayerns CSU-Landtagspräsidentin Barbara Stamm aus Würzburg und Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier aus Wiesbaden. Weitere Kongressthemen lauten: „Ressourcen-Knappheit und Umwelt“ in Hamburg, „Innovation und Digitalisierung“ in München, „Europa und seine Rolle in der Welt“ in Frankfurt am Main, „Bevölkerungsentwicklung und Migration“ in Bonn; den Abschluss bildet am 7. November das Thema: „Innere und äußere Si-cherheit“ in Berlin.

Ziel: Verständigung der Unionsparteien


Hauptziel des Diskussionsprozesses vor den Parteitagen der CSU im November und der CDU im Dezember ist neben Profilierung in Wirtschafts- und Sicherheitskompetenz eine Verständigung der beiden Unionsparteien auf ein neues gemeinsames Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017. Eine große Rolle spielen dabei Merkels erneute Kanzlerkandidatur und die gegenseitigen Auftritte von ihr und CSU-Chef Seehofer auf den beiden Parteitagen. Noch ist unklar, ob Angela Merkel selbst wieder als Kanzlerkandidatin antreten will und ob sie auch wieder Kandidatin der CSU in einem gemeinsamem Wahlkampf wird.

Der aktuelle Streit zwischen CDU und CSU ist nicht der erste und nicht der härteste in ihrer Parteigeschichte. Neu ist nur das Thema: Begrenzung der Zuwanderung statt Kontrollverlust bei der Willkommenskultur. Der tiefere Konflikt der Schwesterparteien geht trotz Fraktionsgemeinschaft im Bundestag viel weiter zurück als der sozialistische Bruderzwist zwischen SPD, Grünen und der Linken. Es gibt in der CDU die stete Klage über den „Geburtsfehler“: die Gründung der CSU in Bayern als selbständige Partei statt als Landesverband der CDU.

Erpressungspotenzial


Das hat für die CSU viele Vorteile: Sie ist trotz Fraktionsgemeinschaft immer zugleich eigene Partei und Koalitionspartner – somit überall mit dabei. Sie kann im Gegensatz zur Bayern-SPD alle Parteispenden selbst kassieren, im Bund mehr Regierungsmitglieder durchsetzen als CDU-Landesverbände und hat auf CDU-Kanzler mehr Einfluss, ja Erpressungspotenzial. Es gibt darüber in der CDU Ärger und Neid seit 1949.

Ein Nachteil für die CSU: Sie hat nie eine Chance, den Kanzler zu stellen. Ihr Kandidat wird jeweils wie Strauß und Stoiber schon wegen der Vorurteile gegen Bayern von allen Parteien extrem bekämpft und von der CDU nur mäßig unterstützt. Schon zu Zeiten Adenauers und Erhards gab es Konflikte, auch bei der Aufstellung der Kanzlerkandidaten und der Strategie zur Ostpolitik. Heute erreicht die CDU kaum die Hälfte der CSU-Ergebnisse. Aber nur mit deren knapp 50 Prozent war die Union meist stärkste Fraktion.

Trotz harter Kritik an Merkels naiver Flüchtlingspolitik hat Seehofer ihr nie die Eignung zum Kanzleramt abgesprochen wie Strauß Helmut Kohl. Die CSU hat bisher den rechten Rand in das demokratische Spektrum integriert, die CDU hat ihn unter Merkel freigegeben, sich von konservativen Stammwählern abgewandt. Sie ist zumindest in der Wahrnehmung nach links gerückt, wo schon drei Parteien rivalisieren. Kanzlerin und CDU haben in dieser Legislaturperiode die CSU mit vielen ihrer Themen bewusst im Regen stehen lassen.

"Geburtsfehler" reparieren


Angela Merkel hat alles versucht, den „Geburtsfehler“ zu reparieren, die CSU von Stoiber bis Seehofer wie einen Landesverband zu unterwerfen und CSU-Minister so abzumeiern wie potentielle Rivalen in der eigenen Partei. Das Ergebnis ist: Heute gibt es weder in der CDU noch in der CSU eine Kanzler-Alternative zu Merkel. Das weiß sie, das weiß Seehofer und die Union. Also ist es alternativlos, dass sich die Unionsparteien wie eh und je zusammenraufen, um gegen Rot-Rot-Grün die Bundestagswahl zu überleben.

Die bayerische Schwester, die ihr Ohr meist näher am Volk hat, befürchtet mit in Merkels Abwärtstrend der letzen Landtagswahlen gezogen zu werden. Und nicht nur 2017, sondern auch bei Bayerns Landtagswahl 2018 und der Europawahl 2019. Daher zögert die CSU mit ihrer Benennung Merkels als Kanzlerkandidatin. Für die ist das ein Problem, weil sie sich auf einem CDU-Parteitag im Dezember für weitere zwei Jahre zur Vorsitzenden wählen lassen will. Das macht aber nur bei einer neuen Kanzlerkandidatur einen Sinn. Eine Ankündigung ihrer Kanzlerkandidatur ohne Unterstützung der CSU könnte Merkel politisch weiter schaden.

Die meisten Mitglieder des CDU-Präsidiums sind erfahrene Wahlverlierer: Julia Klöckner, Thomas Strobl, Armin Laschet und Peter Tauber. Einige von ihnen hatten Merkel bereits als Kanzlerkandidatin der Union für 2017 vorgeschlagen. CSU-Chef Seehofer hat diese losgetretene „K-Debatte“ kritisiert und als „dämlich“ bezeichnet, Das sei „Käse und Quatsch“ von politischen „Micky Mäusen“ und „Leichtmatrosen“. Darin liegt der Vorwurf, mit welchen Loosern sich Merkel umgibt. Vollprofis würden sich erst auf Inhalte konzentrierten und dann auf Personen. Mit Merkel sei abgesprochen, die Personalfragen in CSU und CDU erst nach den Sachthemen zu klären.

Kompromissformel


Darum soll nun in diesen Kongressen eine Einigung bei strittigen Themen wie Steuerentlastung, Rentenreform, Länderfinanzausgleich, Solidaritätsabgabe, Energiewende etc. gefunden werden. Vor allem geht es beim Streit um Begrenzung der Zuwanderung um eine Kompromissformel, die beiden Parteien und den Vorsitzen-den Glaubwürdigkeit und Gesicht wahren lässt. Die CDU-Chefin bewegt sich ja nicht nur mit Fehlergeständnissen vorsichtig auf Seehofer zu. Der kam ihr entgegen und forderte „eine Art Garantie“, wie sich der unkontrollierte Zustrom von Flüchtlingen drastisch begrenzen lasse, damit sich die Zuwanderung von 2015 nicht wiederhole. Er bestand zwar auf einer Obergrenze zeigte aber mit der Forderung nach „einer Art Garantie“ den Weg für eine Alternative auf.

Auch die aktuellen Reisepläne der Bundeskanzlerin und ihre Zustimmung zum Gipfelbeschluss der EU in Bratislava können als ihre Signale der Suche nach Kompromissen zur mehrheitlich abgelehnten und in allen Landtagswahlen abgestraften grenzenlosen „Willkommens-Kultur“ verstanden werden. Die Garantie, „dass wir niemals erlauben werden, zu den unkontrollierten Bewegungen im letzten Jahr zurückzukehren,“ wurde mit Merkel beschlossen!

Gesten der Verständigung


Die Kanzlerin ordnet ihre überhöhte Leerformel „Wir schaffen das“ inzwischen auch anders ein und sendet weitere Gesten in Richtung Verständigung mit der CSU aus. Zum Beispiel trifft sie sich am Samstag in Wien mit Vertretern südosteuropäischer Staaten, diee zu Anfang des Jahres mit Zäunen die Balkan-Route geschlossen hatten. Dafür wurden sie von ihr nur kritisiert, von der CSU dankbar gelobt, aber von Roten und Grünen übel beschimpft. Ohne die anhaltend geschlossene Balkanroute wäre der Türkei-Deal jedoch weithin wirkungslos, was die EU mit ihrer Unterstützung für Bulgariens Grenze zur Türkei jetzt auch anerkannt hat. Merkel scheint die Zeit wohl reif, wie die CSU mit Ländern wie Österreich und Ungarn wieder über eine gemeinsame europäische Flüchtlings-Politik zu reden.
Der Zeitplan für die Beilegung des Konflikts zwischen CDU und CSU scheint nun abgesteckt. Nach dem Umweg über inhaltliche Annäherungen bei den Kongress-Themen will Merkel offenbar Frieden mit der CSU vor deren Parteitag im November machen. Dann kann sie dort mit mehr Beifall auftreten als auf dem letzten Parteitag, dessen Beschlüsse sie einfach ignoriert hatte.
(Hannes Burger)

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