Wirtschaft

Engagierte Diskussion beim FNN-Forum Netztechnik 2013 im Nürnberger Messezentrum (v. l.): Tobias Krauss von der Regionalnetz-Tochter der EnBW, Ludwig Karg von BAUM-Consult aus München, Manfred Reisch von der privaten SRH Hochschule Heidelberg (Moderator) und Carsten Sperl von der Münchner Stadtwerke-Tochter SWM-Infrastruktur. (Foto: Wraneschitz)

10.01.2014

Wohin die Reise gehen wird

FNN-Fachkongress Netztechnik 2013 Nürnberg

Die Stromnetze in Europa müssen sich verändern. In Deutschland stehen sie wegen der Energiewende vor besonderen Herausforderungen. Was also zu tun ist, diskutierten Fachleute beim Kongress „Netztechnik und Netzbetrieb“ in Nürnberg. Wer über Deutschlands Stromzukunft nachdenkt, kommt schnell auf das Thema Netze. Doch dabei ist fast nur von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) oder anderen Höchstspannungsleitungen die Rede: Über 3000 Kilometer davon seien notwendig, um vor allem den Windstrom aus Offshore-Parks vom hohen Norden in den Süden zu transportieren, wo er verbraucht werden soll. Das hat die Deutsche Energieagentur DENA herausgefunden.
Professor Manfred Reisch von der privaten SRH Hochschule Heidelberg moderiert beim Netzkongress den Block „Netze der Zukunft – Stromnetze im Wandel“. Und er stellt klar: „Die Energiewende ist auf dem Land!“ Dort seien „20 Prozent der Netze renovierungsbedürftig“, vor allem Mit-telspannungsnetze. Die sind landläufig als 10- oder 110-kV-Leitungen bekannt. In den letzten Jahrzehnten verteilten sie den Strom von den (Groß-)Kraftwerken zu den Kunden.
Aber jetzt dreht sich der Stromfluss um: Elektro-Energie wird oft dort gewonnen, wo sie bisher nur verbraucht wurde. Völlig neue Anforderungen für die Mittelspannungsnetze. Auch wenn Reisch sicher ist, die nächsten zehn Jahre gibt es noch keine Probleme bei den Verteilnetzen, stellt sich die Frage: Was ist danach?
Energieunternehmen propagieren hierfür allgemein „Smarte Netze“. Ludwig Karg von BAUM-Consult aus München nennt das: „Die volatile Erzeugung anpassen an die Last.“ Doch „nur 10 Prozent sind anpassbar“.
Karg muss es wissen. Immerhin leitet er die Begleitforschung des bundesweiten Projekts E-Energy, das sich mit Förderung der Bundesregierung seit 2008 um „Smart Energy made in Germany“ kümmert. Es gehe vor allem darum, Energie- mit Informationstechnologie zu verknüpfen. „Doch wenn es Frau Mustermann nicht will, wird nichts smart“, hat Karg mit seinen Begleitforscher-Kollegen herausgefunden. Nachzulesen auf 1200 Seiten Abschlussbericht von E-Energy, der dieser Tage auf den Markt kommen soll. Netzbetreiber denken um
Doch so weit scheint das Umdenken bei den „großen“ Netzbetreibern noch nicht zu gehen, wie Tobias Krauss von der Regionalnetz-Tochter der EnBW aus Stuttgart durchblicken lässt. Für ihn ist „die große Aufgabe der nächsten Monate und Jahre, die Frage zu klären: Wo liegt das volkswirtschaftliche Optimum zwischen Kapazitätserhöhung und Kapazitätsmanagement?“ Auch wenn sich EnBW Regional mit Regelbaren Ortsnetztrafos, optimierter Netzplanung und Betriebsmittelüberlastungen wegen der Stromerzeugung beim Verbraucher beschäftigt: Von Menschen ist bei ihm kaum die Rede. Stattdessen spricht Krauss davon, dass „wir ein Mittelspannungsproblem vom Niederspannungsnetz bekommen“, und fordert eine „Abstimmung zwischen Vertrieb und Netz“. Beides hat EnBW.
Carsten Sperl von der Münchner Stadtwerke-Tochter SWM-Infrastruktur erwartet dagegen „zusätzliche Anforderungen an die Netze. Oder eigentlich: neue Anforderungen an die Netzdaten.“ Denn heute hätten Netzdaten meist einen räumlichen Bezug. Doch für die Zukunft seien bei der Netzregelung immer mehr Handlungsoptionen zu berücksichtigen. Ein „intelligenter Umgang auf Grund geänderter Markt- und Technikanforderungen“ sei genauso unumgänglich wie „der interaktive Kommunikationskanal zu Kunden und Partnern“, ist Energiedatenmann Sperl überzeugt. Für ihn geht es auch nicht mehr vordergründig um die Menge an Daten, sondern deren Qualität und optimale Verknüpfung. Doch „das geht nicht von heute auf morgen“, schränkt er ein. Damit trifft er die Linie von BAUM-Forscher Ludwig Karg: „Wir müssen weg von der Theorie, alle Daten zu sammeln. Sondern ich muss wissen, welche ich brauche.“ Karg stellt zudem klar: „Künftig wird es nicht mehr nur das Energiedreieck geben, sondern die Menschen müssen mit einbezogen werden.“ Dafür müssen Politik und Energiewirtschaft wohl deutlich umdenken. Die kümmerten sich bisher um das „Energiedreieck: Erzeugungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltfreundlichkeit“ ohne großen Blick auf die Privat-Erzeuger und -Verbraucher. Doch die sind laut Karg jetzt Teil der Stromversorgung; über sie könne nicht mehr so einfach hinweggeenergiewirtschaftet werden, sondern deren Bedürfnisse müssten nun ebenfalls mit untersucht werden. Und bei dieser Kombination mit IT kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel: „der Datenschutz. Der ist noch zu klären.“ Gerade hier ist die Sensibilität seit den NSA-Enthüllungen von Edward Snowden stark gestiegen.
Bleibt für Reisch die Frage: „Wer bezahlt das eigentlich?“ Denn die Bundesnetzagentur lasse nicht immer zu, dass der Kunde alles bezahlt. Carsten Sperl weiß: „Das bekommen wir nicht zu Nulltarif. Aber am Ende wird es sich rechnen: Durch leichtere Arbeit kommt am Ende Mehrwert raus.“ Für EnBW-Netzmanager Krauss geht es „auf lange Sicht darum, am Ende volkswirtschaftlich einen Benefit zu erzielen“. Stattdessen fordert Ludwig Karg: „Die Energiewirtschaft muss sich natürlich ändern. Wenn mir der Wind dauernd ins Gesicht weht, muss ich irgendwann mal nachdenken, ob ich richtig sehe.“ (Heinz Wraneschitz)

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