Ausschreibung und Vergabe

Um die Vergabe von Wartung, Inspektion und Instandsetzung von Heizanlagen gab es Streit. (Foto: dpa/Georg Wendt)

26.05.2020

Backup-Lose sind unzulässig

Vergabekammer Berlin zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen

Eine Vergabestelle schrieb in 24 Losen den Betrieb, die Wartung, Inspektion und Instandsetzung von Heizanlagen sowie Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlagen als Rahmenvereinbarung europaweit aus. Die Vertragslaufzeit sollte sechs Jahre mit zweimaliger Verlängerungsoption um jeweils weitere fünf Jahre betragen. Für die Hauptleistung wurden zwölf Lose gebildet, die übrigen zwölf Lose wurden als sogenannte Backup-Lose bezeichnet. Der Backup-Vertragspartner sollte zur fortlaufenden Gewährleistung der Versorgungssicherheit für die zwölf Hauptlose gebunden werden.

Für den Backup-Vertragspartner gelten die Festlegungen des Hauptvertrags gleichermaßen mit der Ausnahme, dass seine Leistungspflichten für das jeweilige Los nur dann eintreten sollten, soweit der Hauptvertragspartner nach gesicherten Erkenntnissen nicht nur vorübergehend an der ordnungsgemäßen Leistungserbringung (zum Beispiel Insolvenz) gehindert wird und die Vergabestelle den Backup-Vertragspartner schriftlich auf den Beginn seiner Leistungspflichten hingewiesen hat.

Leistungsbereitschaft unverzüglich herstellen

Der Backup-Vertragspartner ist verpflichtet, seine Leistungsbereitschaft unverzüglich, spätestens jedoch binnen acht Wochen nach Hinweis herzustellen, der Vergabestelle anzuzeigen und mit seinen Leistungen zu dem vom öffentlichen Auftraggeber genannten Termin zu beginnen. Zudem ist die Vergabestelle berechtigt, den Backup-Vertragspartner vorübergehend zum Abfangen von Spitzen nach Abstimmung mit dem Hauptvertragspartner anzufragen und einzusetzen.

Ein Unternehmer rügte die Backup-Regelungen als vergaberechtswidrig. Insbesondere die Leistungsgrenzen in Bezug auf die Backup-Lose seien unklar, weil Zeitpunkt und Umfang der Leistungen nicht transparent wären. Wegen der ungewissen Leistungserbringung könne er kein kaufmännisch vernünftiges Angebot unterbreiten. Außerdem bestehe für ihn ein erhebliches Risiko, dass er sämtliche Vorhaltekosten tragen müsse.

Die zwecks Nachprüfung angerufene Vergabekammer Berlin (Beschluss vom 13. September 2019 – VK B 1-13/19) gab dem Unternehmer recht. Bei den Backup-Losen handelt es sich um das bloße Inaussichtstellen eines Vertrags über einen noch nicht bestehenden Bedarf sowie eine doppelt zu vergebende Rahmenvereinbarung. Dies verstößt gegen die Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit, der Transparenz und das Gebot des fairen Wettbewerbs sowie gegen das Missbrauchsverbot nach § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV (beziehungsweise § 4a EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A). Danach ist es öffentlichen Auftraggebern untersagt, eine Rahmenvereinbarung auszuschreiben, die den Wettbewerb behindert, einschränkt oder verfälscht. Das Verbot der missbräuchlichen Verwendung einer Rahmenvereinbarung dient der Gewährung eines fairen Wettbewerbs und ist folglich Ausfluss des Wettbewerbsgebots aus § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB. Ein solcher Missbrauch wird beispielsweise bei der Ausschreibung zu vergabefremden Zwecken angenommen oder der doppelten Vergabe einer Rahmenvereinbarung. Das Verbot der Doppelvergabe ergibt sich aus dem Wettbewerbsgebot und letztlich auch aus dem Missbrauchsverbot. Die mit der Ausschreibung beabsichtigte Beschaffung muss auf einen tatsächlichen Beschaffungsbedarf gerichtet sein und darf nicht bloß theoretische Chancen der Leistungserbringung eröffnen. Auch wenn Rahmenvereinbarungen nicht zwingend eine Abrufverpflichtung des öffentlichen Auftraggebers beinhalten müssen, so ist dennoch für eine angemessene Risikoverteilung Sorge zu tragen, um dem Gebot des fairen Wettbewerbs gerecht zu werden. Insbesondere ist die Vergabestelle angehalten, auch bei einer Rahmenvereinbarung eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation zu ermöglichen, wenngleich die auf den Auftragnehmer übertragenen Risiken naturgemäß deutlich höher sein können. Eine Rahmenvereinbarung darf allerdings nicht dazu missbraucht werden, unstatthafte Bedingungen einzuführen.

Im vorliegenden Fall sollte die Rahmenvereinbarung doppelt vergeben werden. Der Backup-Vertrag sollte mit Ausnahme des Abfangens von Leistungsspitzen erst zur Anwendung gelangen, wenn eine bestimmte Bedingung eintritt, nämlich der Ausfall oder die unzureichende Leistungsfähigkeit des Hauptvertragspartners. Hinsichtlich des Auftragsvolumens konnte die Vergabestelle keinerlei Angaben treffen, weil sie keine Kenntnis darüber hat, ob überhaupt und gegebenenfalls wann der Vertrag über das jeweilige Backup-Los tatsächlich ausgeführt wird. Der Backup-Vertragspartner trägt somit das alleinige Risiko, jederzeit zur Leistungserbringung aufgefordert zu werden, ohne dass er das Ob und Wann abschätzen kann. Die Bezuschlagung der Backup-Lose würde lediglich eine rein theoretische Leistungserbringung in Aussicht stellen, ohne dass es der Vergabestelle unmittelbar möglich ist, auf deren Erforderlichkeit beziehungsweise auf ihren Eintritt überhaupt einzuwirken.

Unverhältnismäßig benachteiligt

Dadurch wird der Unternehmer unverhältnismäßig benachteiligt. Er wäre vorliegend verpflichtet, für die gesamte Vertragslaufzeit entsprechende Ressourcen vorzuhalten, sodass er nach spätestens acht Wochen einsatzbereit sein müsste. Bei der gesamten Personalplanung oder auch der Annahme weiterer Aufträge müsste der Backup-Vertragspartner stets eine mögliche Leistungserbringung aus den Backup-Losen berücksichtigen und einkalkulieren. Hieraus ergeben sich erhebliche Bedenken gegen das Gebot des fairen Wettbewerbs. Überdies ist eine Rahmenvereinbarung mit einer vertraglichen Bindungsfrist von 16 Jahren für die Bieter unzumutbar, sodass auch die grundsätzliche Höchstlaufzeit von vier Jahren nach § 21 Abs. 6 VgV (beziehungsweise § 4a EU Abs. 6 VOB/A) verletzt wird. Die Begrenzung der Laufzeit einer Rahmenvereinbarung dient nicht nur dem Schutz des Wettbewerbs, sondern auch der Verringerung von Kalkulationsrisiken der Unternehmen, so die Berliner Vergabekammer.
(Holger Schröder)
(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.